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RE: Äthiopien - Schneemann - 16.11.2021 Aktuelle Entwicklungen: Gegenwärtig scheint es wohl so, dass der Vormarsch der Rebellen sich festgefahren hat. Ob dies nun an der schlechten Logistik, der Distanzen oder dem Widerstand der regierungsloyalen Truppen zu tun hat, ist nicht einwandfrei festzustellen; sicher dürfte sein, dass der Widerstand wohl zugenommen hat. Zitat:Ethiopia's Tigray conflict: Why the rest of the world is worriedhttps://www.bbc.com/news/world-africa-59227672 Schneemann RE: Äthiopien - hunter1 - 17.11.2021 Ich denke, die Rebellen stehen in verschiedener Hinsicht unter Zeitdruck. Einerseits hungert die Bevölkerung in Tigray und muss versorgt werden. Auch deswegen hat man wohl die Hauptstrasse nach Djibouti ins Visier genommen und teilweise unter Kontrolle gebracht. Ob damit schon Versorgungsgüter nach Tigray gelangen, ist mir nicht bekannt. Zweitens haben die äthiopischen Streitkräfte eine Luftwaffe und setzen diese auch mit Erfolg ein. In einem Stellungskrieg werden die Rebellen mit der Zeit aus der Luft zermürbt. Sie sind also zum Vormarsch verdammt. Inzwischen sollen laut einer Meldung via Liveuamap die Ortschaften Ataye und Senbete in Rebellenhand sein: https://twitter.com/MapEthiopia/status/1460644663749185541 Man versucht also, weiter in Richtung Addis Abeba vorzurücken, aber deutlich langsamer als auch schon. RE: Äthiopien - Quintus Fabius - 22.11.2021 Meiner Ansicht nach wird primär die Stoßrichtung verlagert, um zunächst die Versorgung der Hauptstadt zu kappen: Zitat:Wichtiger noch als die rund 300 km entfernte Hauptstadt einzunehmen dürfte für die tigrinischen Streitkräfte (TDF) die Kontrolle einer wichtigen Verkehrsachse sein. Eine Bahnstrecke verbindet Addis Abeba mit dem strategisch wichtigen Hafen im gleich nebenan gelegenen Land Djibouti. Über die Strecke wird die Hauptstadt zu großen Teilen mit Nahrungsmitteln und Benzin versorgt. https://www.handelsblatt.com/politik/international/nordostafrika-mit-einem-langen-konflikt-rechnen-aethiopien-leidet-unter-buergerkrieg-und-wirtschaftlichem-zerfall/27806042.html?ticket=ST-9655369-wsuhCeujQWQeoAwGcV4c-cas01.example.org Und diversen unglaubwürdigen Gerüchtequellen zufolge ist diese Bahnstrecke gestern partiell unter Kontrolle der Rebellen geraten. Fünf Gründe warum die Regierung nicht besiegt werden wird: https://theconversation.com/ethiopias-civil-war-five-reasons-why-history-wont-repeat-itself-172158 Und ein ausgefallener Artikel zum Einfluss der USA auf den Konflikt: https://moderndiplomacy.eu/2021/11/22/the-u-s-wants-to-turn-ethiopia-into-bosnia/ ( https://moderndiplomacy.eu/2021/10/17/analyzing-the-american-hybrid-war-on-ethiopia/ ) Beschließend eine gute Nachricht, passt auch so schön zur Rückgabe von kolonialer Raubkunst: https://www.stern.de/news/aethiopien-feiert-rueckgabe-von-im-19--jahrhundert-erbeuteten-kunstschaetzen-30943230.html Zitat:Äthiopien feiert Rückgabe von im 19. Jahrhundert erbeuteten Kunstschätzen RE: Äthiopien - Quintus Fabius - 23.11.2021 Auch ein Aspekt ist der Krieg in den sogenannten sozialen Medien: https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/aethiopien-facebook-101.html Zitat:Die Auseinandersetzungen werden in den sozialen Medien angefacht. Die französische Armee beschäftigt sich ja schon seit einiger Zeit sehr ernsthaft mit dieser Thematik, dem Krieg der Meme im Internet. Bei der Bundeswehr gibt es dazu eigentlich nur Lippenbekenntnisse, aber kein wirkliches Konzept. Entsprechend verfängt Hetze des Feindes uns gegenüber relativ leicht, wie es auch in Afghanistan zu sehen war. Insbesondere hat die Bevölkerung hierzulande de facto keine Immunantwort auf solche Medienmanipulation und in jedem ernsthaften Krieg wird der Feind (Russland) diese Schwachstelle entschieden ausnutzen. Wurden früher schon Kriege nicht mehr aus realen Gründen, sondern aus der bloßen Wahrnehmung des Geschehens heraus verloren (Tet-Offensive, Vietnam), gilt dies heute noch umso mehr. Wir werden verlieren allein weil es uns glaubhaft gemacht wird, dass wir verloren haben. Ebenso wird der Krieg in Äthiopien anscheinend recht stark von der Wahrnehmung des Krieges heraus entschieden. RE: Äthiopien - hunter1 - 23.11.2021 Inzwischen offenbar weiterer Vormarsch der Rebellen in Richtung Addis Abeba: Zitat:Very heavy clashes today and tonight on the road to Debre Sina, with the TDF+OLA making it as far as Armaniya. Many airstrikes take place on the road from Shewa Robit by jets and especially drones.Quelle: https://twitter.com/mapethiopia/status/1462936114830979082?s=21 Es gibt in den vergangenen Tagen vor allem Berichte über Kämpfe entlang des wichtigen Highways zwischen Djibouti und Addis Abeba, genauer zwischen Kombolcha und Addis Abeba. Die Rebellen scheinen sich auf dieses Gebiet zu konzentrieren. Anderswo habe ich gelesen, dass wiederholte Angriffe der Rebellen auf den Distrikt Mille in Afar gescheitert seien. Aus dem Abschnitt, der Tigray mit dem Sudan verbindet und somit die einzige Grenze zu einem nicht feindseligen Land für die Rebellen darstellt, liest man nichts. Strategisch wäre die Kontrolle jener Grenze aber wichtig, um Tigray zu versorgen, da die Strasse von Tigray bis Djibouti noch nicht unter Rebellenkontrolle steht. Könnte also ein Hinweis sein, dass die Rebellen versuchen, alles auf eine Karte zu setzen und möglichst schnell bis Addis Abeba vorrücken wollen, um durch einen Umsturz der Regierung die Blockade Tigrays zu beenden, anstatt sich militärisch einen Korridor zum befreundeten Ausland freizukämpfen. RE: Äthiopien - Quintus Fabius - 23.11.2021 Wenn dem so wäre, so wäre das meiner Meinung nach ein strategischer Fehler. Die Versorgungsrouten in den Sudan offen zu halten wäre für die Durchhaltefähgkeit essentiell. Umgekehrt ist es gar nicht so leicht die Hauptstadt einzunehmen und ein entsprechender Angriff würde erhebliche Kräfte verbrauchen, vorausgesetzt es wird ernsthafter Widerstand geleistet. Da leben ca. 3,5 Millionen Menschen die mehrheitlich den Rebellen feindselig gegenüber stehen auf einer urbanisierten Fläche von mehr als 500 qkm. Wenn man das in der Verteidigung geschickt angeht könnte die Schlacht um die Hauptstadt das Grab für die Rebellion werden. Es wäre meiner rein privaten Meinung nach sinnvoller weiter einen indirekten Ansatz zu versuchen und die Hauptstadt stattdessen systematisch weiter jeder Versorgung abzuschneiden. Dann wird das was ansonsten für die Verteidiger spricht zu deren Nachteil. RE: Äthiopien - Quintus Fabius - 25.11.2021 Die Tigray Rebellen werden in deutschen Medien ja weitgehend als eine Art Mob dargestellt, und es wird nicht ganz allgemein nicht verstanden welches Niveau der Krieg dort hat: viele moderne Drohnen auf Regierungsseite, und FlaRak auf Seite der Tigray: https://www.oryxspioenkop.com/2021/11/new-imagery-suggests-continued-usage-of.html Zitat:Satellite imagery from the 19th of October 2021 indicates that the S-125 surface-to-air missile (SAM) site located northeast of Mekelle has returned to active duty. [1] The reactivation of the SAM site comes as the Ethiopian Air Force (ETAF) has deployed its newly-acquired Wing Loong unmanned combat aerial vehicles (UCAVs) over Mekelle to designate targets for Su-27 fighter aircraft, resulting in a number of civilian casualties as the bombs dropped by the Su-27s missed their intended targets and fell on civilian areas instead. RE: Äthiopien - Schneemann - 30.11.2021 Was den "Mob" betrifft, da scheinen Anhänger der Regierung sogar wohl eifriger bei der Sache zu sein, zumindest ziehen Bürgerwehren durch die Hauptstadt. Und wenn ich diese Leute mit ihren Holzlatten sehe, so kommen ungute Erinnerungen auf, fehlen bloß noch der Autoreifen und die Benzinflasche... Zitat:Ethiopia's Tigray conflict: Suspicion and sacrifice as fighting spreadshttps://www.bbc.com/news/world-africa-59433271 Schneemann RE: Äthiopien - hunter1 - 02.12.2021 Mal was Erfreuliches: Zitat:UN humanitarian flights and convoys between conflict-hit Ethiopia's capital Addis Ababa and Mekele in the Tigray region have resumed, the global body's Secretary-General Antonio Guterres said Wednesday.Quelle: https://sports.yahoo.com/humanitarian-flights-resume-ethiopias-tigray-184853555.html Insofern erstaunlich, da die äthiopischen Truppen am Boden nach eigenen Angaben einige Orte zurückerobert haben: Lalibela, Geshena, Shiwa Robit, Chifra, etc. Zumindest Lalibela wurde offenbar kampflos erobert: Zitat:A resident in the village of Gragne Amba, 25 km (15 miles) southwest of Lalibela, said Tigrayan forces had left it on Tuesday.Quelle: https://edition.cnn.com/2021/12/01/africa/ethiopia-conflict-lalibela-recaptured-intl/index.html Die Eroberung von Shewa Robit wäre für die TPLF ein grosses Problem, da ihre Armee dadurch in zwei Teile getrennt würde. Eine Bestätigung der Ereignisse durch die TPLF steht noch aus, deren Berichterstattung ist zurzeit ziemlich leise. RE: Äthiopien - Schneemann - 02.12.2021 Besonders bzgl. Lalibela bin ich recht froh, wenn denn die Berichte stimmen, dass es zu keinen Kampfhandlungen gekommen ist. Dies v. a., da sich dort mit die berühmtesten Monolith- bzw. Felsenkirchen Afrikas (die auch auf der UNESCO-Liste stehen) befinden. Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Felsenkirchen_von_Lalibela Und seit den fürchterlichen Verwüstungen, die z. B. der IS in Palmyra angerichtet hatte, bis hin zur Sprengung von antiken Tempeln, bin ich da sehr vorsichtig geworden, wenn antike oder mittelalterliche Kulturschätze in Gebieten liegen, wo irgendwelche Bürgerkriege toben... Schneemann RE: Äthiopien - hunter1 - 02.12.2021 Ich denke, die Religion spielt im äthiopischen Konflikt kaum eine Rolle. Vorsätzliche Zerstörung von Tempeln ist bislang nicht passiert. Das soll nicht heissen, dass nicht vollkommen sinnlos gewütet wird: Zitat:Visual confirmation that the Tekeze Dam’s electricity substation was destroyed/heavily damaged by the Ethiopian Air Force.Quelle: https://twitter.com/MapEthiopia/status/1466099350581522433 Warum auch bloss die eigene Infrastruktur zerstören...vor allem, wenn wegen dem GERD und der Stromversorgung Äthiopiens so ein Theater gemacht wird. RE: Äthiopien - Quintus Fabius - 02.12.2021 So weit man es aus OSINT heraus sagen kann, scheint der Hauptvorteil der äthiopischen Regierungsmörder, ich meine Streitkräfte die überlegene Luftnahunterstützung zu sein. Wie in anderen solchen Konflikten der Gegenwart auch wird diese durch Drohnen gestellt, wodurch sie selbst für solche Hungerleiderländer erschwingbar wird. Und wie in anderen Konflikten der Gegenwart auch wird der Kampf massiv durch ausländische Mächte beeinflusst, sowohl auf Seiten der Rebellen wie auch auf Seiten der Regierung. Was mich etwas erstaunt ist, dass sich die VAE immer stärker in diesen Konflikt involvieren: https://www.oryxspioenkop.com/2021/12/the-uae-joins-tigray-war-emirati-wing.html Zitat:The deployment of Emirati unmanned combat aerial vehicles (UCAVs) on the side of the Ethiopian government has been speculated on ever since the beginning of conflict with the rebellious Tigray Region in November 2020. Nonetheless, the oft-repeated claim that several Chinese-made Wing Loong UCAVs operated out of Assab air base in Eritrea to undertake combat missions over Tigray has never been supported by evidence that points towards such a deployment. However, new information received by the authors' from an aircraft mechanic working at Harar Media air base appears to finally disclose the presence of Emirati Wing Loong Is UCAVs over Ethiopia. [1] Die Frage ist: Warum? Den die bisher dafür genannten Gründe leuchten mir nicht ein wenn man sie hinterfragt. RE: Äthiopien - hunter1 - 02.12.2021 Die Emirate versuchen massiv, ihren Einfluss in der ganzen Region am Horn von Afrika auszubauen. Siehe das eifrige Engagement im Jemen, mit der Absicht, dort zu bleiben. Oder die Besetzung Sokotras (dort wurden sie allerdings wieder rausgekegelt von den Saudis). Es passt also zur grösseren Strategie Abu Dhabis, gute Beziehungen zu Äthiopien zu unterhalten. Dass die Luftwaffe für die TPLF zum Problem wird, ist offensichtlich. Die Kämpfe bewegen sich entlang von Strassen. Mit Luftangriffen kann man Konvois oder einzelne Fahrzeuge problemlos vernichten und den schnellen Vormarsch auf Addis Abeba verhindern. Wie ich schon weiter oben schrieb, ist es für die TPLF ein Wettlauf gegen die Zeit. Und den scheint man zu verlieren. RE: Äthiopien - Quintus Fabius - 02.12.2021 So wir es propagiert (Einfluss ausbauen, das Horn von Afrika kontrollieren usw), aber in Bezug auf Äthiopien macht das als Erklärung meiner Meinung nach eigentlich keinen Sinn. Die VAE haben ja eigentlich Pachtverträge mit Eritrea für Militärbasen. Diese haben sie aber aufgrund von Spannungen mit der Regierung vor ein paar Monaten weitgehend abgebaut. Den aktuellen Stand weiß ich nicht, aber die Basen waren für den Krieg im Jemen recht wichtig. Jetzt sind Truppen aus Eritrea in Äthiopien und die Tigray stellen auch in Eritrea eine sehr große Gruppe (Tigray und Tigre machen dort ca 50% der Bevölkerung aus). Außerdem haben sich die VAE aus dem Jemen Krieg zumindest teilweise zurückgezogen. Alles sehr undurchsichtig. Wenn man immer nur auf die Tigray sieht, dann geht ein wenig unter, dass es noch andere Rebellengruppen gibt welche die äthiopischen Streitkräfte arg bedrängen. Und die nun vordringen weil sich auch die äthiopische Regierungsarmee zunächst primär auf den Norden konzentriert. https://www.france24.com/en/tv-shows/focus/20211201-war-in-ethiopia-oromo-liberation-army-advances-towards-addis-ababa Zudem zeichnet sich von den Indizien her immer mehr ab, dass es schlußendlich zum Völkermord an den Tigray kommen wird. Das ist jetzt schon Rethorik und die gleiche Stimmung wie vor Jahren in Ruanda: https://www.nzz.ch/international/gewalteskalation-in-aethiopien-die-neusten-entwicklungen-ld.1586148 RE: Äthiopien - hunter1 - 07.12.2021 Die äthiopischen Streitkräfte haben inzwischen wohl die meisten Gebiete ausserhalb Tigrays wieder von der TPLF zurückerobert: Zitat:The Ethiopian government says its forces have recaptured the strategic towns of Dessie and Kombolcha, their latest territorial gains in the battle against fighters from the northern Tigray region.Quelle: https://www.aljazeera.com/news/2021/12/6/ethiopia-recapture-dessie-kombolcha-tigrayan-rebels Die TPLF spricht natürlich von einem "strategischen Rückzug". Das dürfte ungefähr so ein strategischer Rückzug wie derjenige der äthiopischen Streitkräfte aus Mekelle 2020 gewesen sein. Wie schon gesagt, die Zeit arbeitet gehörig gegen die TPLF. Ohne funktionierende Luftabwehr wird es schwierig. Numerisch sind die Truppen von Tigray unterlegen und die OLA im Südwesten wird auch keinen Regierungswechsel von alleine schaffen. Das Grenzgebiet gegen den Sudan steht immer noch unter Kontrolle der Zentralregierung, d.h. Tigray ist weiterhin gegen alle Seiten abgeschottet. |