Spanien - Druckversion +- Forum-Sicherheitspolitik (https://www.forum-sicherheitspolitik.org) +-- Forum: Blickpunkt Europa und der Westen (https://www.forum-sicherheitspolitik.org/forumdisplay.php?fid=89) +--- Forum: Sicherheitspolitik und Wirtschaft (https://www.forum-sicherheitspolitik.org/forumdisplay.php?fid=93) +--- Thema: Spanien (/showthread.php?tid=2776) |
RE: Spanien - hunter1 - 08.10.2017 Der Unabhängigkeit des Kosovo ging ein Krieg mit massiven Vertreibungen voraus. Insofern ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Zudem hat die EU durchblicken lassen, dass sie ein unabhängiges Katalonien nicht will. RE: Spanien - Helios - 08.10.2017 (05.10.2017, 23:56)lime schrieb: Bin gespannt ob hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Das gern verwendete Sprichwort impliziert eine Einfachheit, die bei derart komplexen Vorgängen gar nicht vorhanden ist, auch wenn verschiedene Seiten gern das Gegenteil behaupten. Es gibt schlicht kein "standardisiertes" Verfahren zur augenscheinlichen Unabhängigkeitserklärung eines Volkes, das man überhaupt mit irgendeinem Maß messen könnte und aus dessen Bewertung sich moralische Zwickmühlen ergäben, sondern jeweils individuelle Ereignisse, die genauso individuell bewertet werden müssen. Und die Ausgangssituationen von Kosovo und Katalonien unterscheiden sich schon in vielerlei Hinsicht enorm. Spanien hat im übrigen die Unabhängigkeit des Kosovos bis heute nicht anerkannt. RE: Spanien - lime - 11.10.2017 (08.10.2017, 17:08)Helios schrieb:(05.10.2017, 23:56)lime schrieb: Bin gespannt ob hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Die Unterstützung der Unabhängigkeit des Kosovo war im Endeffekt gegen das damals nichtwestliche Serbien und seinen Verbündeten Rußland gerichtet. Hätte der Kosovo zu Österreich gehört, dann wäre eine Unabhängigkeit niemals vom Westen unterstützt worden. Katalonien hingegen wird wohl kaum so einen geostrategischen Vorteil haben und deshalb wird es auch kaum Unterstützer auf der Welt finden. Im Gegenteil muss damit gerechnet werden, dass danach die Basken, Venetien und viele andere Regionen in Europa auch solche Referenden abhalten wollen. Dies würde auch die EU schwächen, die nach dem Brexit schon etwas angeschlagen ist. Wenn sich die ökonomisch starken Regionen Spaniens und Italiens abspalten würden. Und in Italien vielleicht sogar Venetien mit einer Regierung der Lega Nord, dann bekäme die EU zusätzliche Finanzierungsprobleme. RE: Spanien - Helios - 11.10.2017 (11.10.2017, 00:21)lime schrieb:(08.10.2017, 17:08)Helios schrieb:(05.10.2017, 23:56)lime schrieb: Bin gespannt ob hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Die Unabhängigkeit des Kosovos auf das Blockdenken der NATO zu reduzieren ist schon arge Geschichtsverdrehung, die nachvollziehbar deshalb notwendig wird, um im Falle Kataloniens eine moralische Referenz aufbauen zu können. Nur warum? Hier im Forum sollte es nicht um populistische Parolen gehen, sondern um einen sachlichen Diskurs. Für alles andere gibt es andere Medien. Politisch und wirtschaftlich sind Sezessionen in der heutigen Gesellschaftsordnung vermutlich immer eine Schwächung, allerdings für beide Seiten. Vor allem natürlich bei verschachtelten Strukturen, wie jetzt etwa im Falle Katalonien. Denn immerhin ist der vermeintliche Wunsch nach Loslösung von Spanien (wie die Katalanen in der Gesamtheit dazu stehen hat ja auch die Abstimmung nicht gezeigt) nicht einhergehend mit dem Wunsch einer Loslösung von der EU, im Gegenteil wurde der Wille zum Verbleib deutlich gemacht (auch wenn das wiederum aufgrund der Strukturen der EU unrealistisch ist). Von daher stellt sich die Frage, wie hoch die Wirtschaftskraft von Katalonien nach einer Unabhängigkeit tatsächlich wäre (bereits jetzt gibt es eine Abwanderungswelle von Firmen). Umso mehr, wenn es um die ebenfalls zu klärende Frage nach der Schuldenverteilung geht. Eine Katalonische Unabhängigkeit könnte in letzter Konsequenz zu einem mahnenden Beispiel gegen entsprechende Bestrebungen in anderen Regionen dienen. RE: Spanien - lime - 11.10.2017 (11.10.2017, 09:47)Helios schrieb:(11.10.2017, 00:21)lime schrieb:(08.10.2017, 17:08)Helios schrieb:(05.10.2017, 23:56)lime schrieb: Bin gespannt ob hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Dann lassen wir den Kosovo mal beiseite. Wenn knapp die Hälfte abstimmen und davon fast 90% mit Unabhängigkeit stimmen, dann kann natürliche die spanische Regierung noch behaupten, dass die die nicht zur Wahl gegangen sind alle gegen die Unabhängigkeit wären. Aber realistisch ist dies wie ich finde keinesfalls. Auch wird Spanien um die Abspaltung mittelfristig noch zu verhindern sicherlich zu Mitteln greifen müssen, die einem demokratischen Staat nicht würdig sind. Dann dürfte es interessant sein, wie UNO und EU reagieren. Katalonien könnte zum Beispiel als Drohung ablehnen überhaupt für Spaniens Schulden gerade zu stehen und dann käme Spanien in eine sehr schwierige Situation. Auch andere Regionen, wie das Baskenland könnte dann auf die Idee kommen es gleich zu tun. Und auch in Richtung EU hätte Katalonien ein gutes Argument, als potentieller neuer Nettoeinzahler. RE: Spanien - Helios - 11.10.2017 (11.10.2017, 10:33)lime schrieb: Dann lassen wir den Kosovo mal beiseite. Wenn knapp die Hälfte abstimmen und davon fast 90% mit Unabhängigkeit stimmen, dann kann natürliche die spanische Regierung noch behaupten, dass die die nicht zur Wahl gegangen sind alle gegen die Unabhängigkeit wären. Aber realistisch ist dies wie ich finde keinesfalls. Auch wird Spanien um die Abspaltung mittelfristig noch zu verhindern sicherlich zu Mitteln greifen müssen, die einem demokratischen Staat nicht würdig sind. Dann dürfte es interessant sein, wie UNO und EU reagieren. Katalonien könnte zum Beispiel als Drohung ablehnen überhaupt für Spaniens Schulden gerade zu stehen und dann käme Spanien in eine sehr schwierige Situation. Auch andere Regionen, wie das Baskenland könnte dann auf die Idee kommen es gleich zu tun. Und auch in Richtung EU hätte Katalonien ein gutes Argument, als potentieller neuer Nettoeinzahler. Natürlich sind nicht alle, die nicht zur Wahl gegangen sind, gegen die Unabhängigkeit. Und es erscheint durchaus realistisch, dass es bei einem ordentlichen Referendum (mit gesicherten Wahllisten, Wahlmöglichkeiten für alle, etc.) trotzdem eine Mehrheit für die Unabhängigkeit gäbe. Gerade in Anbetracht der Ereignisse, denn Madrid agiert ziemlich unsouverän in dieser Situation, dürften es nach der Wahl nun auch mehr sein als zuvor. Aber es ist eben auch recht unrealistisch, dass es so eine überwaltigende Mehrheit ist, wie sie nun aufgrund des Wahlergebnisses dargestellt wird. Dafür sprechen nicht nur Meinungsumfragen (auch wenn deren Leumund bei den letzten Vorhersagen weltweit gelitten hat), sondern auch die letzten Regionalwahlen. Was die Schulden angeht kann Katalonien da eine Verantwortung natürlich ablehnen, würde sich damit aber wirtschaftlich weiter isolieren. Denn es geht ja nicht nur um gesamtspanische Schulden, für deren Anteil man dann nicht aufkommen wollte (was an sich schon Schwierig ist), sondern explizite Schulden der Regionalregierung gegenüber dem spanischen Staat. Das Rating würde unweigerlich ins Bodenlose fallen, wenn Katalonien diese nicht weiter bedient. Und gegenüber der EU hat Katalonien schlicht gar keine Argumente. Selbst wenn man eine Mitgliedschaft gegen den Willen Spaniens durchsetzen könnte (was praktisch unmöglich ist), würde der wirtschaftliche Nutzen gering ausfallen. Zum einen weil die Wirtschaftsleistung bereits jetzt abwandert und daher zu einem relevanten Teil auch ohne Mitgliedschaft "gesichert" wäre, zum anderen weil Großkonzerne mit überproportionalen Anteilen über die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme hinwegtäuschen. Der Blick auf die Schulden und deren Ursachen offenbart da eben die negativen Aspekte. Es wäre daher für die EU sinnvoller, die geringen wirtschaftlichen Verluste hinzunehmen, als sich politisch und perspektivisch selbst so zu schwächen. RE: Spanien - Schneemann - 29.10.2017 Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob denn wirklich eine "Mehrheit" in Katalonien wirklich eine Unabhängigkeit möchte, oder ob denn nicht vielmehr die gegenseitigen Sticheleien bzw. die offenkundige und stoische Nichtbeachtung katalanischer Wünsche seitens von Madrid in den letzten Jahren - vor rund zehn Jahren lag die Zustimmung zu einer Unabhängigkeit bei (je nach Quelle) allenfalls 15 bis 20% - dieses gezielt provokante und m. Mn. n. unsinnige Referendum nicht beflügelt und dem hitzköpfigen Puigdemont so zeitweise in die Hände gespielt haben. Ich halte insofern die Annahme, eine große Mehrheit der Katalanen will auf Biegen und Brechen eine Unabhängigkeit, für sehr gewagt (die aktuellen Demonstrationen in Barcelona für eine Einheit Spaniens weisen ja auch in einer andere Richtung). Vielmehr sehe ich hier eine Momentaufnahme beim Referendum, viele sind nicht zur Abstimmung erschienen und diejenigen Entnervten und Gereizten, die doch kamen, haben - leider heutzutage weit verbreitet - "denen in Madrid mal einen mitgeben wollen" für das vordergründige Ignorieren der Wünsche in den Jahren zuvor. Wenn die Lage sich wieder etwas beruhigt, so könnte ich mir gut vorstellen, dass eine erneute Abstimmung anders aussieht. Wie auch immer: Nachdem am vergangenen Freitag einseitig die Unabhängigkeit seitens von Katalonien erklärt wurde - etwas, was man seit dem Referendum aus vermutlich auch polittaktischen Gründen in Barcelona zunächst vermieden hatte - wurde die "Generalitat" von Madrid unter Kuratel gestellt. Und es wurden Neuwahlen für den Dezember angekündigt.... Zitat:Katalonienhttp://www.faz.net/aktuell/politik/abgesetzter-vizepraesident-puigdemont-wird-praesident-des-landes-bleiben-15268726.html Ferner bez. der geplanten Neuwahlen: Zitat:Katalonien-Umfrage - Separatisten könnten bei Wahl Mehrheit einbüßenhttps://de.reuters.com/article/spanien-katalonien-umfrage-idDEKBN1CY0BC Schneemann. RE: Spanien - Schneemann - 08.04.2018 Nach der Verhaftung des katalanischen Politikers Puigdemont, der die Separatistenkrise in Katalonien im letzten Jahr mit zu verantworten hat, in Schleswig-Holstein im Rahmen eines europäischen Haftbefehls der spanischen Regierung, ist selbiger nun wieder auf freiem Fuß, da die spanische Anklage nicht mit dem deutschen Recht in Einklang gebracht werden konnte. Abgesehen davon, dass die Regierung in Madrid darüber nicht begeistert sein dürfte, besteht für Deutschland zudem das Problem, dass Puigdemont wohl erstmal im Lande bleiben wird - ruhiger dürfte es um ihn mit Sicherheit nicht werden... Zitat:Carles Puigdemonthttp://www.spiegel.de/politik/ausland/carles-puigdemont-spricht-nach-freilassung-in-berlin-a-1201756.html Schneemann. RE: Spanien - Schneemann - 30.04.2022 Bedingt auch durch die Corona-Pandemie war das Gezerre um die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens etwas ins Hintertreffen gerückt. Aktuell könnte die Sache allerdings wieder hochkochen, da anscheinend der spanische Geheimdienst die katalanische Unabhängigkeitsbewegung ausgespäht haben soll. Die hieraus resultierende Meuterei einiger katalanischer Linker, die die Regierung Sánchez bislang stützten, hat nun dazu geführt, dass diese sogar gemeinsame Sache mit baskischen Nationalisten machte, denen sie eigentlich überhaupt nicht nahesteht. Quasi spielt Madrid die einen Separatisten gegen die anderen aus - ein riskanter Plan... Zitat:Spanienhttps://www.sueddeutsche.de/politik/spanien-pegasus-affaere-sanchez-linksrepublikaner-eh-bildu-1.5574783 Schneemann |