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- Erich - 05.06.2005

im Europa-Thread hab ich zwar Kämpfe im SO der Türkei gefunden (also gehört die Türkei nach dieser Einordnung doch zumindest politisch zu Europa) aber nix über die Schweiz - hmm ... gehören die Schwyzer zu Europa?
Egal
die Abstimmungen scheinen dafür zu sprechen, daher ein neues Thema:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID4405906_REF1_NAV_BAB,00.html">http://www.tagesschau.de/aktuell/meldun ... AB,00.html</a><!-- m -->
Zitat:Schweizer stimmen über Schengen ab

EU durch die Hintertür?
Europapolitische Volksabstimmungen sind in der Schweiz ein heikles Thema. Wenn die Eidgenossen an diesem Wochenende über den Beitritt zu Schengen abstimmen, ist das für die Gegner schon ein weiterer Schritt in Richtung des verpönten EU-Beitritts. Für die Befürworter führt an Schengen kein Weg vorbei.
....

Stand: 05.06.2005 14:29 Uhr
und <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID4395840_NAV_REF1,00.html">http://www.tagesschau.de/aktuell/meldun ... F1,00.html</a><!-- m -->
Zitat:Volksabstimmung zu Schengen-Beitritt

Schweizer sagen Ja zum freien Grenzverkehr

Ein knappe Mehrheit der Schweizer hat in einem Referendum dem Beitritt des Landes zum Justiz- und Polizeiabkommen von Schengen zugestimmt. Laut vorläufigem offiziellem Endergebnis votierten 54,6 Prozent für das Abkommen. Die Wahlbeteiligung lag bei für Schweizer Verhältnisse hohen 60 Prozent. Das Schengen-Abkommen regelt den freien Reiseverkehr in der EU. Die Übernahme des Abkommens bedeutet für die Schweizer, dass sie bei der Einreise in die bislang 15 Vertragsstaaten außer am Flughafen nicht mehr systematisch kontrolliert werden.
....

Stand: 05.06.2005 17:30 Uhr



- Wolf - 05.06.2005

Zitat:Erich postete Die Übernahme des Abkommens bedeutet für die Schweizer, dass sie bei der Einreise in die bislang 15 Vertragsstaaten außer am Flughafen nicht mehr systematisch kontrolliert werden.
....
[/quote]Die Übernahme erzwingt eine Verschärfung des Schweizer Waffenrechts und wird wohl auch die Banken unter Druck setzen, denn dann könnte ja jeder, anders als bisher, sein Schwarzgeld ohne Gefahr bar in die Schweiz bringen.


- Shahab3 - 23.10.2005

@Cyprinide

Zitat:Das ist Deine Theorie!
Aber kein 1. Welt Staat wie Österreich kann es sich leisten abgelegene Täler im Zweifelsfall Wochen oder Monate bis zur Reperatur eines Kraftwerks ohne Strom zu lassen!
Ich würde mit Dir Wetten daß jede Ortschaft mit mehr als 10 Häusern ans nationale Stromnetz angeschlossen ist. Somit sind die Wasserkraftwerke ganz einfach gebaut worden weil die Plätze geeignet waren, nicht weil es zu kompliziert wäre Strommasten zu setzen!
Daher ist das auch so nicht auf Venezuela anwendbar!
...
Und schon wieder möchtest Du verallgemeinern. Ich schrieb, dass das im Einzelfall zu entscheiden ist, was den Bürger günstiger kommt und was überhaupt realisierbar ist. Ich weiss nicht, warum Du das nicht verstehen magst.

In der Schweiz z.B. werden sehr viele Kleinkraftwrke einzig von ihren Gemeinden finanziert und betrieben. Dadurch entsteht eine >relativ< autonome Stromversorgung. Ein Anschluss ans "nationale Stromnetz" für alle Siedlungen über 10Einwohner ist ohnehin ein bischen sehr viel verlangt.
Für die oben genannten Gemeinden (die nicht den Allgemeinfall darstellen (müssen), falls Du wieder vorhast alles in einen Topf zu schmeissen) gilt, dass sie zur Erhöhung der Versorgungssicherheit lediglich an ein lokales, oder regionales Stromnetz engeschlossen sein müssen.

Das führt z.B. dazu, dass Du in solchen Fällen Deine Stromrechnung von der Gemeinde Oberjodeltal bekommst und nicht von irgendeinem (über)regionalen Anbieter, oder gar die Wahl zwischen mehreren Anbietern hättest.
Solange die Menschen in der ersten Welt das Rechnen nicht verlernen, wird es immer ein Abwägen aus Finanzierarkeit und Service geben. Gerade und insbesondere in der "1. Welt" Wink

Aber wie gesagt, ich will diese Situation keinesfalls auf alle Alpengemeinden verallgemeinern, sondern nur sagen, dass das nicht selten der Fall ist.
Andernfalls spielt es für meine Argumentation im Kontext von Venzuela oder sonwie auch keine grosse Rolle übrigens.

Siehe dazu auch <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.energie-schweiz.ch/imperia/md/content/politikundrecht/energiepolitik/ewg/61.pdf">http://www.energie-schweiz.ch/imperia/m ... ewg/61.pdf</a><!-- m -->
Seite 37 und folgende


- Schneemann - 25.09.2006

Schweizer stimmen mit großer Mehrheit (68 Prozent) für eine drastische Verschärfung des Asylrechtes. Damit bekommt die Schweiz nun die härtesten Asylrechte in ganz Europa.
Zitat:VERSCHÄRFTE ASYLGESETZE

Schweizer stimmen zu

Die Schweiz bekommt eine der schärfsten Asylregelungen in Europa. Bei einer Volksabstimmung sprachen sich 68 Prozent der abstimmenden Bürger für eine deutliche Verschärfung des Asyl- und Ausländerrechts aus. Die Stimmbeteiligung lag mit 48 Prozent ungewöhnlich hoch. Vertreter linker Parteien und Kirchen zeigten sich enttäuscht von dem Ergebnis.
Hier der Link: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.n-tv.de/713701.html">http://www.n-tv.de/713701.html</a><!-- m -->

Hmm, frage mich nun echt, worauf dies zurückzuführen ist. Hat die Agitation von Herrn Blocher derart Wellen geschlagen? Oder ist das nur eine Reaktion auf eine bisher - zumindest von meiner Seite aus - nicht erkannte Angst vor Überfremdung in der Schweiz?

Schneemann.


- hunter1 - 26.09.2006

Schneemann postete:
Zitat:Hmm, frage mich nun echt, worauf dies zurückzuführen ist. Hat die Agitation von Herrn Blocher derart Wellen geschlagen? Oder ist das nur eine Reaktion auf eine bisher - zumindest von meiner Seite aus - nicht erkannte Angst vor Überfremdung in der Schweiz?
Ich vermute eher letzteres. Blocher ist seit seiner Wahl zum Bundesrat nicht mehr das Zugpferd der SVP. Er muss sich zwar immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, sich nicht an das ungeschriebene Kollegialitaetsprinzip des Bundesrates zu halten und immer wieder Werbung fuer die eigene Sache zu machen, aber es ist doch ein bisschen still geworden um ihn. Natuerlich hat er waehrend seiner Zeit als Nationalrat und SVP-Maezen haufenweise kleine Blochers geschaffen, die nun durch mein schoenes kleines Land ziehen.
Ich habe aber das Gefuehl, dass die Angst vor der Ueberfremdung in der Schweiz viel groesser ist als das Wirken von Blocher. Die Zeitungen sind seit Ende des Balkankonflikts voll von Meldungen ueber ertrinkende und gestrandete Afrikaner, die zwar vor allem fuer Spanien und Italien ein Problem sind, aber ja auch zu uns kommen koennten. Die Afrikaner haben eigentlich nur die Leute vom Balkan abgeloest, welche wiederum auf die Tuerken, Italiener und Portugiesen folgten - gemocht haben die Schweizer keine von diesen Gruppen. Und jetzt scheint irgendwie der Zeitpunkt gekommen zu sein, dass "das Boot voll ist", wie die SVP gerne zu sagen pflegt. Mich wundert es eigentlich nicht, dass die Abstimmung zugunsten des neuen Gesetzes angenommen wurde.

Ich frage mich nur, wie lange das gut geht. Die Schweizer muessen sich naemlich fragen, wer eigentlich die Dreckarbeiten in ihrem Land ausfuehrt: wer ihre Korridore reinigt, ihre Kloschuesseln putzt, ihre Strassen und Tunnels (auf die sie ja so stolz sind) baut. Das sind naemlich allesamt keine Schweizer. Und wenn keine Auslaender mehr reingelassen werden, wer erledigt dann diese Jobs? Rolleyes


- ThomasWach - 26.09.2006

Tja, gute Frage! Man kann nur hoffen, dass diese Frage in der Öffentlichkeit vermehrht auch mal auftaucht und die Schweizer in ihrer Bergfestungsmentalität etwas auflockert....


- IarnGreiper - 27.09.2006

Prinzipiell folgt aus einer Verschärfung des Asylrechtes keine Verknappung an Arbeitskräften fremdländischer Herkunft. Länder wie Idrael und die Golfstaaten haben eine hohe Fremdarbeiterquote ohne automatisch liberale Asylrechte zu haben.


- hunter1 - 05.10.2006

Hmmm, hab ich hier nicht kuerzlich mal behauptet, es sei still geworden um Blocher?
Er hats jedenfalls wieder mal fertiggebracht, sich ins Gespraech zu bringen:

Zitat:Wirbel um Äusserungen Blochers in der Türkei
Anti-Rassismus-Strafnorm kritisiert

Bundesrat Christoph Blocher hat am Mittwoch in der Türkei Vorbehalte zur Schweizer Rassismusstrafnorm geäussert. Seine Aussagen lösten in der Schweiz zum Teil heftige Kritik aus. Hintergrund sind die Verfahren in der Schweiz gegen zwei Türken wegen Leugnung des Völkermords an den Armeniern.

(ap) Die Türkei sei seines Erachtens zu Recht über das Strafverfahren in der Schweiz gegen den Historiker Yusuf Halacoglu wegen Verletzung der Rassismusstrafnorm erbost, sagte Blocher in einem in Ankara aufgezeichneten Interview von Schweizer Radio DRS. Gegen den Professor und Präsidenten der Türkischen Historischen Gesellschaft wurde ein Strafverfahren eröffnet, weil er am 2. Mai 2004 in einem Vortrag in Winterthur den Völkermord an den Armeniern geleugnet haben soll.
Quelle: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.nzz.ch/2006/10/04/il/newzzESVUOJ3G-12.html">http://www.nzz.ch/2006/10/04/il/newzzESVUOJ3G-12.html</a><!-- m -->

Tja, das hast Du fein gemacht Christoph, schoenen Dank! :wall:

Was kommt wohl als naechstes, eine Reise nach Tehran zur Leugnung des Holocaust? Rolleyes


- ThomasWach - 07.10.2007

Was ist bloß los bei unseren schweizerischen Nachbarn??
Es gibt Entwicklungen, die durchaus unterhalb des deutschen Medienradars geschehen und es hat mich schon leicht schockiert, wie stark polarisiert und polemisch inzwischen gegen Ausländer diskutiert wird in der Schweiz. Natürlich muss man bestimmte Themen besprechen und da kann es auch ruppig werden, aber so gegen Ausländer, "Nette und Linke" zu hetzen finde ich undemokratisch. Und dazu noch heuchlerisch, wenn man sich dann auf die Demokratie bezieht.

Aber Lesen Sie selbst:

Zitat: Schwarze Schafe, braunes Gedankengut
Von Michael Soukup, Zürich

Ausländerfeindliche Wahlplakate, rüder Umgangston, Personenkult um den Spitzenkandidaten: Der aggressive Wahlkampf der derzeit stärksten Schweizer Partei SVP hat das Land in ein Tollhaus verwandelt. Die Truppe um Justizminister Blocher hetzt so offen gegen Ausländer, dass die Uno den Rassismus anprangert.
...

Quelle:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,507481,00.html

Und dann kommt es zu solchen Geschehnissen wie den Protesten in Bern. Weil die gemäßigte politische Mitte es verschläft sich gegen die demagogische Rechte um Blocher zu stellen, übernimmt das die radikale Linke und schon hat man plötzlich der Kampf der Radikalen untereinander, nur das eben die Rechte um Blocher sich das Mäntelchen der Demokratie umziehen kann....

Zitat:WAHLKAMPF IN DER SCHWEIZ
Schwere Krawalle bei SVP-Marsch durch Bern
Der Wahlkampf in der Schweiz wird immer verbitterter geführt. Bei einem Marsch der rechtsgerichteten Schweizerischen Volkspartei durch Bern ist es zu schweren Krawallen gekommen, als Hunderte SVP-Gegner die Tausenden SVP-Anhänger stoppen wollten. Es gab mehrere Verletzte und etliche Festnahmen.
...

Quelle:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,509868,00.html

und dazu noch folgender Artikel:

Zitat:Krawalle erschüttern Schweizer Politik
Straßenschlachten, ein Großaufgebot der Polizei und der Berner Bundesplatz in der Hand von Autonomen: Die Schweizer Politik reagierte mit Entsetzen auf die Ausschreitungen bei einer Anti-SVP-Demonstration. Aber die rechtsgerichtete SVP könnte von den Krawallen sogar profitieren.
...

Quelle:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,509888,00.html

Daher auch an unsere schweizerischen Freunde hier: Sieht die politische Landschaft, die politische Kultur in der Schweiz derart stark polarisiert aus?


- hunter1 - 07.10.2007

Thomas Wach schrieb:Daher auch an unsere schweizerischen Freunde hier: Sieht die politische Landschaft, die politische Kultur in der Schweiz derart stark polarisiert aus?
Das werden die Wahlen vom kommenden Sonntag zeigen. Ich bin kein Politologe, habe aber eine Polarisierung schon bei den letzten Wahlen beobachtet. Man darf nicht vergessen: bei den letzten Wahlen wurde eine jahrzehntealte Ordnung in der Schweizer Politik gesprengt: Die Zauberformel. Einerseits ist dies ein Resultat der vorangegangenn Polarisierung, andererseits wurde die Polarisierung dadurch in der vergangenen Legislaturperiode nicht entschärft, sondern eher noch angeheizt. Der Kompromiss der Zauberformel hat die vier grossen Parteien der Schweiz in eine komfortable Situation gebracht: man konnte ohne grossen Aufwand seinen Sitz im Bundesrat halten, und das während Jahrzehnten. Mit dem Ende der Zauberformel gilt die Sitzverteilung im Bundesrat nicht mehr (also 2 CVP, 2 FDP, 2 SP, 1 SVP) und jede Partei muss darum fürchten, dass sie ihren Sitz (oder einen davon) verliert (bei den letzten Wahlen verlor die CVP einen Sitz an die SVP). Daher wird natürlich auch der Wahlkampf mit härteren Bandagen geführt. Zudem ist neuerdings mit der Umweltbewegung (Grüne Partei, sowie evtl. die Grünliberale Partei) eine neue politische Richtung dabei, sich in Position für einen Bundesratssitz zu bringen, was natürlich die Lage für die bisherigen Parteien verschärft.

Jetzt zur SVP, ihrem Wahlplakat und Blocher:
Die SVP schürt Ängste, welche die Volksseele vieler Schweizer empfindlich treffen: Angst vor Überfremdung, Angst vor Wohlstandsverlust (wegen der Überfremdung), Sicherheitsbedenken. Das ist nichts Neues, das macht die SVP schon seit langem. Darüber würde ich mir auch nicht den Kopf zerbrechen, denn solche Strömungen gibt es überall. Braunes Gedankengut? Damit haben glaub ich prinzipiell die Deutschen ein Problem (Vergangenheitsbewältigung). Für die Schweiz mache ich mir deswegen im Moment noch keine Sorgen, die Schweizer sind viel zu harmlos. Die Gemeinsamkeit mit den Nazis würde ich darin sehen, dass die SVP nichts Fremdartiges im eigenen Land duldet. Es geht ihr aber, anders als den Nazis, nicht darum, die ganze Welt in die selbe Richtung zu bringen, sondern einfach nur die Schweiz. Sprich: Integration von Ausländern, und wenn das nicht klappt (was ja offensichtlich der Fall ist), dann eben Rausschmiss. Letzterer funktioniert aber schlecht, da eben die "Netten" häufig was dagegen haben und die ganze Sache sowieso nicht lohnenswert ist (Rückschaffung ist teuer und es kommen immer mehr Ausländer rein).
Ich glaube, was die SVP möchte, ist folgende Botschaft an die Ausländer: "Ihr seid willkommen, wenn ihr unsere Wirtschaft fördert, euch integriert und euch an unsere Spielregeln haltet. Falls ihr das nicht hinkriegt, dann schert euch zum Teufel (bzw. wir helfen nach)!" Ich persönlich unterstütze diese Botschaft, obwohl ich die SVP nicht wähle ;-) Straffällige Ausländer sollten raus aus der Schweiz und nicht noch in den Genuss unserer Luxusgefängnisse kommen; das grosse Problem dabei ist häufig die Bestimmung des Zielortes (Asylsuchende aus Afrika sind häufig Sans-Papiers, damit sie Flüchtlingsstatus erhalten) und generell die Bewertung der Straftat (man kann kaum jemanden ausschaffen, der einmal vergessen hat, seine Steuern zu bezahlen). Bei Verbrechen gegen Leib und Leben (Prügelei, Mord usw.), bei Verbrechen wie Diebstahl, Einbrüchen, etc., aber auch bei wiederholten schweren Verkehrsdelikten (Raserei) wünschte ich mir ein härteres Durchgreifen der Behörden, bei allen Straftätern, egal woher die dann kommen. Das haben wir in der Schweiz aber nicht, und das ist glaub ich das, was die SVP am liebsten ändern würde (Blocher ist ja passenderweise Justizminister), nämlich, dieses Land unattraktiver für Kriminelle und Trittbrettfahrer zu machen. Das härtere Durchgreifen muss aber von allen Parteien gebilligt werden, also auch ohne die SVP funktionieren. Vielleicht schaffen wir das ja eines Tages.

Nun zum Plakat: ein gefundenes Fressen für die Medien, für Menschenrechtler und für schockierte Afrikaner. Meine Diagnose: es ist harmlos, verfehlt aber total die Aussage, die es eigentlich machen will. Man will damit "schwarze Schafe", also eben Trittbrettfahrer bezeichnen, welche von der SVP ja v.a. bei Ausländern geortet werden (was natürlich nicht stimmt, es gibt auch genügend Schweizer, die das System ausnützen). Die Kernbotschaft, dass die Schweiz zu lasch im Durchsetzen ihrer eigenen Gesetze im eigenen Land ist, geht dabei leider unter. Das Plakat ist also ein Riesenfehler und kostet die SVP hoffentlich Stimmen.

Tja, und dann gibts noch Christoph Blocher: Personenkult à la Führer? Unsinn! Bitte nicht immer alles glauben, was der Spiegel schreibt! Sicher Blocher ist die Gallionsfigur der SVP (ohne ihn wäre die SVP wohl kaum der Rede wert). Aber Blocher hat absolut kein staatsmännisches Format. Er ist Unternehmer und führt auch sein Departement so: effizient und möglichst unbürokratisch. Doch auf diplomatischer Ebene ist Blocher eine totale Nullnummer, wie er bei verschiedenen Gelegenheiten unter Beweis gestellt hat (z.B. beim Türkeibesuch). Das zeigt sich leider auch im Bundesrat.
Zudem ist Blocher kein gescheiterter Kunstmaler, sondern Jurist und erfolgreicher Unternehmer (Ems-Chemiewerke). Er weiss, was er darf und was ihn vor den Richter bringen würde. Er bewegt sich bei seinen Aussagen häufig in juristischen Grauzonen, lässt sich aber immer noch ein Hintertürchen offen, um notfalls zurückzukrebsen. Kurz: seine Ausbildung macht ihn zwar gefährlich, aber auch vorsichtig, da er weiss, dass er nicht einfach gewisse Grenzen überschreiten kann.

Ach ja, Bern gestern Samstag. Ich kann nur sagen, die Aktivisten vom Schwarzen Block und alle, die da sonst noch auf die SVP Kundgebung eingedroschen haben, sind - Verzeihung- DIE ALLERGRÖSSTEN VOLLIDIOTEN!!! Möglicherweise verhilft das der SVP am nächsten Sonntag zu einem Wahlsieg. Denn die Behörden waren erstens nicht in der Lage, die Gewalt zu verhindern, was die SVP in ihrem Wunsch nach stärkerem Durchgreifen nur bestätigt. Und zweitens kann die SVP mit dem Finger auf ihre politisch extremsten Gegner zeigen und sagen: "seht her, während wir auf einer bewilligten, friedlichen Wahlkundgebung sind, demontiert die Linke den Rechtsstaat, demoliert fremdes Eigentum, bricht alle Gesetze. Und die Polizei schaut zu!"
Meinen Glückwunsch, Schwarzer Block! Das habt ihr echt fein gemacht.


- hunter1 - 22.10.2007

So, es ist passiert:
Zitat:Die SVP und die Grünen sind die Sieger der Wahlen vom Wochenende. Während die SVP sieben zusätzliche Nationalratssitze gewann, schicken die Grünen sieben Vertreter mehr in die Grosse Kammer und nehmen erstmals Einzug ins «Stöckli». Grosser Verlierer ist dagegen die SP, die neun Sitze abtreten musste; die FDP verlor fünf Mandate.
Quelle: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.nzz.ch/nachrichten/schweiz/aktuell/wahlen_erster_artikel_1.572636.html">http://www.nzz.ch/nachrichten/schweiz/a ... 72636.html</a><!-- m -->

Die beiden extremsten Parteien legen stark zu. Während die Grünen dies auf Kosten der Sozialdemokraten tun (links bleiben die Kräfteverhältnisse gleich) holt die SVP ihre Mandate auf Kosten der Mittepartei FDP. Letzteres ist, insbesondere für die Situation im Bundesrat, sehr schlecht für die bürgerliche Mitte. Die FDP wird dort vermutlich einen Sitz abgeben müssen.
Überraschend ist das Resultat nicht; die Grünen haben mit dem Klimawandel gepunktet, die bürgerliche Schweiz ist der SVP-Propaganda auf den Leim gegangen. Dass die FDP dermassen verloren hat, erstaunt auch nicht. Die Partei ist im Moment farb- und profillos, hat kein eindeutiges Programm (im Vergleich zu den Parteien links und rechts) und polemisiert viel zu wenig, um den Wählerinnen und Wählern ihre Kandidaten schmackhaft zu machen.

Punkto Bundesratswahl dieses Jahr: hier wirds spannend! Die Grünen und die CVP hätten den zweiten FDP-Sitz sehr gerne. FDP und SVP werden sich dagegen wehren. Es ist zudem fast grotesk, dass die Grünen und SVP-Bundesrat Christoph Blocher in derselben Regierung hocken und Konsenspolitik betreiben. Blocher wird aber garantiert wiedergewählt, dazu ist die SVP einfach zu stark. Daher vermute ich, dass die Grünen keinen Bundesratssitz bekommen und dieser dafür von der CVP abgestaubt wird.


Bundesratswahl in der Schweiz - hunter1 - 13.12.2007

Gestern Montag, 12.12.2007: Die Vereinigte Bundesversammlung (National- und Ständerat) der Schweiz wählt den siebenköpfigen Bundesrat, die Regierung des Landes. Die amtierenden Bundesräte müssen, falls sie weitermachen wollen, vom Paralment bestätigt werden. Es sind dies: Moritz Leuenberger (SP), Samuel Schmid (SVP), Pascal Couchepin (FDP), Micheline Calmy-Rey (SP), Christoph Blocher (SVP), Hans-Rudolf Merz (FDP) und Doris Leuthard (CVP). Die ersten vier werden problemlos wiedergewählt. Dann jedoch der Paukenschlag: Von einem Kommunisten(!) wird die Bündner Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf (SVP) zur Wahl anstelle von Christoph Blocher vorgeschlagen. Zwei Wahlgänge später ist die Sensation perfekt, Christoph Blocher hat die Wahl gegen seine Parteikollegin verloren. Die anderen beiden amtierenden Bundesräte werden nachher problemlos bestätigt.
Eveline Widmer-Schlumpf, gewählte neue Bundesrätin, ist zum Zeitpunkt ihrer Wahl noch im Kanton Graubünden. Sie muss nun nach Bern reisen, um zu erklären, ob sie die Wahl annehme oder nicht. Sie bittet um Bedenkzeit bis heute Dienstag 08.00...

Heute Dienstag, 13.12.2007, kurz vor 08.00: Fernseher einschalten, auf die Erklärung von Eveline Widmer-Schlumpf (SVP) warten, ob sie die Wahl zur Bundesrätin annimmt. Ein paar Minuten später lächeln, sie hat ja gesagt. Blocher ist draussen! Seine Gefolgschaft heult Rotz und Wasser...

Thomas Wach schrieb:Was ist bloß los bei unseren schweizerischen Nachbarn??
Es brechen neue Zeiten an: Christoph Blocher ist nicht mehr Mitglied des Bundesrates, die SVP kündigte heute morgen offiziell einen Oppositionskurs an. Die beiden aktuellen SVP-Bundesräte, Samuel Schmid (bisher) und Eveline Widmer-Schlumpf (neu, anstelle von Christoph Blocher gewählt) werden ohne Unterstützung der SVP-Fraktion regieren müssen.
Ein Oppositionssystem hat die Schweiz noch nie gehabt. Falls doch, dann ist das so lange her, dass sich niemand dran erinnert. Jedenfalls wird das jetzt kommen, falls die SVP geschlossen Ernst macht.
Die Geschlossenheit der SVP ist hier die grosse Frage. Alle am Boden zerstörten/empörten/entrüsteten/entsetzten SVP-Politiker, die sich bisher zur Abwahl Blochers geäussert haben, sind der Ansicht, dass diese Abwahl einer Abwahl der gesamten SVP gleichkomme. Die Blocher-Linie ist aber vor allem in Zürich und in der Ostschweiz stark. Samuel Schmid (SVP Bern) und Eveline Widmer-Schlumpf (SVP Graubünden) stammen aus anderen Gebieten der Schweiz und können vielleicht auf die Unterstützung von lokalen SVP-Vertretern zählen. Ebenfalls unklar ist mir die Haltung der SVP-Leute aus der Romandie. Es wäre also möglich, dass sich die SVP spaltet.

Mögliche Folgen für die Schweiz:
- Blocher könnte Parteipräsident der SVP werden. Der jetztige Präsident, Ueli Maurer, hat nach der Parlamentswahl diesen Herbst seinen Rücktritt bekannt gegeben. Fakt ist jedenfalls, dass Blocher jetzt wieder dort ist, wo er hingehört: als Nicht-Mitglied der Regierung kann er sein Maul aufreissen, ohne gegen die geltenden Gepflogenheiten im Bundesrat zu verstossen (womit er sich in den vergangenen vier Jahren teils sehr schwer getan hat).
- Die SVP wird womöglich in einen gemässigten Flügel und einen linientreuen Blocher-Flügel gespalten. der gemässigte Flügel könnte sich den Mitte-Parteien (FDP und CVP) anschliessen.
- Da bisher nur grosse Parteien einen Anspruch auf Bundesratssitze hatten, nun aber zwei fraktionslose Bundesräte in der Regierung sitzen, könnten kleinere Parteien stärker auf einen Bundesratssitz zielen. Die Grünen wollen sowieso einen Vertreter in der Regierung, haben die Abwahl Blochers aber zur Bedingung dafür gemacht. Bis gestern hatte ich für dieses Anliegen nur ein müdes Lächeln übrig, aber nachdem, was passiert ist, wird ein grüner Bundesrat plötzlich sehr realistisch. Sollte beispielsweise einer der amtierenden Bundesräte vor der nächsten Wahl zurücktreten (ich denke da z.B. an Samuel Schmid), dann werden die Grünen garantiert jemanden aus den eigenen Reihen ins Rennen schicken.
- Die Politik in der Schweiz könnte durch die Opposition der SVP in den nächsten Jahren zum Stillstand kommen. Es wird alles mit Referenden und Volksinitiativen bekämpft werden, was der SVP nicht passt; solche Prozesse dauern jedesmal lange und werden das Voranschreiten der politischen Arbeit in der Schweiz massiv verlangsamen bzw. aufhalten.


Re: Bundesratswahl in der Schweiz - Nasenbaer - 14.12.2007

hunter1 schrieb:Ein Oppositionssystem hat die Schweiz noch nie gehabt. Falls doch, dann ist das so lange her, dass sich niemand dran erinnert.

Die Sozialdemokraten sind im zweiten Weltkrieg erstmals in die Regierung eingetreten. Seit 1959 sind sie endgültig dabei. Es gibt noch ein paar Leute, die sich an die Zeit davor erinnern. :wink:


- hunter1 - 14.12.2007

Nasenbär schrieb:Die Sozialdemokraten sind im zweiten Weltkrieg erstmals in die Regierung eingetreten. Seit 1959 sind sie endgültig dabei. Es gibt noch ein paar Leute, die sich an die Zeit davor erinnern.
Es gab sogar Zeiten, wo der Bundesrat nur aus Freisinnigen bestand, da wäre der Ausdruck "Herz der Finsternis" aus heutiger Sicht auch nicht unpassend gewesen :lol:
Nur ist das alles sehr lange her und interessiert in den heutigen Polit-Diskussionen kaum noch jemanden, bzw. ist seit langem vergessen. Zauberformel und Konkordanzregierung schienen in der Schweiz für die Ewigkeit gemacht zu sein, obwohl die ursprüngliche Zauberformel schon vor 4 Jahren gesprengt wurde. Daher ist die demonstrative Opposition tatsächlich etwas neues, auch wenn z.B. die Grünen seit ihrer Entstehung Opposition betreiben (sie sind ja nicht an der Regierung beteiligt).

Noch ein Nachtrag zur (Ab-)Wahl: ein Film über die Gebrüder Blocher, der vor der Wahl ausgestrahlt wurde und vielleicht noch einen gewissen Einfluss auf das Wahlergebnis nahm
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.youtube.com/watch?v=xnMWp1ORyBo">http://www.youtube.com/watch?v=xnMWp1ORyBo</a><!-- m -->
Ich muss sagen, dass mich dieses Dokument erschüttert hat, obwohl der Inhalt davon eigentlich vorher schon klar war. Fairerweise muss noch hinzugefügt werden, dass es a) nur ein Film ist (der zurechtgeschnitten werden konnte), b) ich nichts über die Macher weiss und c) das Schweizer Fernsehen tendenziell eher links der Mitte steht. Trotzdem fühle ich mich im Nachhinein erleichtert, dass Blocher nicht mehr in der Schweizer Regierung ist.
Die Sprache ist sowohl hoch- als auch schweizerdeutsch; es handelt sich aber um schaffhausischen Dialekt, sollte also nicht allzu weit vom Schwäbischen sein. Falls die Sprache ein Problem ist, bitte ich den Rest der Moderation, den Beitrag zu editieren :wink:


- hoj - 14.12.2007

Zitat:Christoph Blocher ist nicht mehr in der Regierung - aber für die Schweiz ist der gedemütigte Politiker umso gefährlicher. Blocher profitiert schon jetzt von seinem Märtyrerstatus, die SVP verzeichnet einen Mitgliederrun. Mit seinen Milliarden will der Rechtspopulist eine aggressive Oppositionspolitik finanzieren.

<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,523330,00.html">http://www.spiegel.de/politik/ausland/0 ... 30,00.html</a><!-- m -->

Oligarchentum alive.