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- Schneemann - 09.04.2010

Zitat:Fall Anat Kamm

Israelische Journalistin muss wegen Spionageverdachts vor Gericht

Monatelang durften israelische Medien nicht über den brisanten Fall einer jungen Journalistin berichten - nun hat die Justiz die Nachrichtensperre aufgehoben. Die Frau soll wegen Verrats von Armeegeheimnissen vor Gericht. Sie soll Dokumente über Verbrechen von Soldaten weitergegeben haben.

Tel Aviv - Der Fall bietet Stoff für einen Thriller: Eine junge Israelin soll geheime Informationen aus der Armee an die Presse weitergegeben haben. Seit fünf Monaten steht sie deshalb unter Hausarrest, niemand in Israel durfte über ihren Fall berichten. Ausländische Medien taten es dennoch, darunter auch SPIEGEL ONLINE. Nun hat die Justiz die Nachrichtensperre aufgehoben.
Link: <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,687943,00.html">http://www.spiegel.de/politik/ausland/0 ... 43,00.html</a><!-- m -->

Kein Ruhmesblatt für eine Demokratie... :?

Schneemann.


- Nightwatch - 09.04.2010

Wo soll hier ein Problem sein?
Anat Kamm hat sich eindeutig des Landesverrats schuldig gemacht.


- Erich - 09.04.2010

"Verbrechen" anzuprangern ist also Landesverrat?

Derjenige, der Mist aufdeckt und ausmistet macht sauber - derjenige, der Mist produziert ist der Nestbeschmutzer .... aber in Israel ticken die Uhren anders :roll:


- Venturus - 09.04.2010

Och, da kann man den Israelis nun wirklich keinen Exklusiv-Strick draus drehen. Bei uns sind schon Leute für weniger in den Knast gewandert ("Bedingt abwehrbereit" und ähnliches).

Naja, trotzdem ist auf Israel bei so was immer Verlass. Hast du ein Vorurteil gegenüber Israel? Dieser Staat wird es dir frei Haus bestätigen. :roll:


- Erich - 09.04.2010

Leider agiert Israels Regierung so, dabei ist mir der Staat als solches durchaus sympathisch - und ich hab inzwischen ein Vorurteil gegen Nightwatch


- Nightwatch - 09.04.2010

Erich schrieb:"Verbrechen" anzuprangern ist also Landesverrat?

Derjenige, der Mist aufdeckt und ausmistet macht sauber - derjenige, der Mist produziert ist der Nestbeschmutzer .... aber in Israel ticken die Uhren anders :roll:
Die Uhren ticken richtig.
Wer tausende hochgeheimer Dokumente einsackt und an Dritte weitergibt begeht eine Straftat.
Das darunter auch das eine oder andere Dokument veborgen ist, das ganz womöglich einen rechtlich problematischen Vorgang beschreibt tut garnichts zur Sache.

Aber das ist dir natürlich egal. Scheißegal welche Staatsgeheimnisse da geklaut wurden, was für ein Skandal das man eine Soldatin einlocht die Informationen über pöse gezielte Tötungen an nen Journalisten weitergegeben hat. Das macht natürlich alles wieder gut.
:roll:


- Erich - 09.04.2010

aus dem Link von Schneemann:
Zitat:..
Die Frau soll ... Dokumente über Verbrechen von Soldaten weitergegeben haben.
....

... die Tageszeitung "Haaretz" ... hatte im November 2008 einen brisanten Bericht unter dem Titel "Lizenz zum Töten" veröffentlicht. Darin hieß es, israelische Soldaten würden im Westjordanland - entgegen eines Urteils des Obersten Gerichtshofs - gezielt palästinensische Extremisten töten, statt sie festzunehmen. ...
nachLesen und nachDenken fördert das Urteilsvermögen :roll:


- ThomasWach - 09.04.2010

Israel bzw. genauer gesagt die israelischen Behörden - ich impliziere da weniger Bagaz, der Oberste Gerichtshof, da mitzuzählen ist - stehen hier deutlich gegen einen klaren Trend in der Rechtssprechung westlicher Staaten, bei der das Recht auf freie Information und die Pressefreiheit gegenüber etwaigen Loyalitätsverpflichtungen und Verschwiegenheitspflichten inzwischen deutlicher stärker gewichtet werden. Venturus hat mit seinen historischen Anspielungen natürlich Recht, dass das bei uns früher ganz anders war, aber ich wage auch zu behaupten, dass das damals noch andere gelebte Formen von Demokratie waren.
Inzwischen aber wird in mehr und mehr Fällen das Informationsrecht insbesondere bei der Aufdeckung von Verbrechen als höheres Rechtgutsrecht angesehen als die die Veröffentlichung und Aufdeckung dieser Verbrechen verhindernden Verschwiegenheits- und Geheimhaltungsverpflichtungen. Wenn man beispielsweise heute in einem Konzern etwaige Firmengeheimnisse an die Behörden verrät, die aber zur Aufklärung von Straftaten beitragen, so geht man schon heute vollkommen straffrei aus.
Ich halte überdies in diesem Fall auch das Bemühen des nur viel zu gern aufgeblasenen Titels der nationalen Sicherheit für unzulässig, da es hier scheinbar um keine hochsensiblen, sicherheitsrelevanten Informationen zur Sicherheit Israels als solcher geht, sondern "nur" um das Fehlverhalten einzelner ausführenden Stellen des israelischen Staates.

Im Übrigen: Die Verbrechen sind dem angeblichen Verrat vorgängig und können daher nur schwerlich als Straftatbestand unabhängig von den schon begangegen Gesetzesübertritten bestraft werden.



Allerdings scheint es in Israel schon oft vorzukommen, dass das Oberste Gericht weiter ist als der Recht der Behörden. In einem Land, wo Anschläge auf Homosexuellendiskos verübt werden und Regierungsvertreter gegen diese Personen hetzen, aber andererseits das Oberste Gericht die Kinderadoption eines lesbischen Paares in einer sehr progressiven Rechtssprechung erlaubt, existieren scheinbar in der politischen und Rechtskultur enorm divergierende Ansichten und Abstände. Aber dafür wurde die Vorsitzende des Obersten gerichts, Doris Beinisch auch schon oft von Militärs und Politikern angefeindet. Wahrlich steht eine Beinisch in den Augen eines Nightwatch auch stetig im Verdacht eine liberale Landesverräterin zu sein.


- Schneemann - 09.04.2010

Ventururs schrieb:
Zitat: Och, da kann man den Israelis nun wirklich keinen Exklusiv-Strick draus drehen. Bei uns sind schon Leute für weniger in den Knast gewandert ("Bedingt abwehrbereit" und ähnliches).
Auch wenn ich einen süffisanten Beigeschmack nicht ausblenden will, so muss man hier aber anmerken, dass a) diese Affäre vor fast 50 Jahren geschah, und vor 50 Jahren war auch das Demokratieverständnis in Deutschland noch ein anderes als heute. Zudem ist b) der Fall heute auch anders gestrickt. Damals ging es um eine Schwäche der Bundeswehr, was aber kein Verbrechen an sich ist, die Informationen von heute, die den Zwist in Israel verursachen, sind aber solche, die sich auf Verbrechen oder zumindest nichtkonformes (auch im israelischen Sinne) Verhalten beziehen. Das ist insofern zu unterscheiden.

Nightwatch schrieb:
Zitat: Wo soll hier ein Problem sein?
Anat Kamm hat sich eindeutig des Landesverrats schuldig gemacht.
Hat sie das? Sagen wir so: Ja, sie hat einen Verrat begangen, aber m. Mn. nach keinen Landesverrat. Und den Verrat, den sie begangen hat, ist eigentlich einer, den man schlichtweg begehen muss. Zumindest ist das meine Sichtweise. Wenn ich Verstöße oder Verbrechen nämlich mit der Begründung eines möglichen Landesverrates zudecke und deswegen selbst nicht die Wahrheit sage, oder zumindest die Sache mit totschweige, so habe ich selbst eine gewisse Mitverantwortung an der Verschleierung oder Vertuschung von etwaigen Verstößen. Ich sehe es deswegen eher sogar so, dass Frau Anat Kamm Zivilcourage bewiesen hat, gerade weil sie nicht geschwiegen hat. Oder andersherum: Käme nach vielen Jahren ans Licht, dass alle Mitwissenden die Vorfälle mit verschwiegen hätten, so würde ich mir Gedanken machen um den Zustand einer Gruppe (ich habe jetzt bewusst diese Formulierung gewählt). Die Tatsache aber, dass in Israel immer wieder Leute Missstände oder Skandale mit aufdecken (und damit meine ich jetzt nicht Leute wie Vanunu, der übrigens meiner Meinung nach einen richtigen und populistischen sowie sehr medienwirksamen Landesverrat begangen hat – soviel auch zum Vergleichswert dieses Begriffes), etwa auch Luftwaffenpiloten, ist für mich ein Zeichen, dass in Israel die demokratischen Uhren richtig ticken. Insofern mache ich mir um Israel als Demokratie keine Sorgen, umgekehrt – wenn alle tarnen und täuschen (würden) – würde mich dies eher mit Sorgen erfüllen.

Man sollte also vielleicht eher froh sein – wenn man wirklich auf Seiten Israels steht –, dass es solche Leute dort gibt. Sie sind ein Zeichen für die Stärke der israelischen Demokratie und auch ein Beispiel für notwendige und existierende Zivilcourage. In diesem Zusammenhang sind die genannten Informationen auch keine, die ich jetzt (rein subjektiv) so einschätzen würde, dass sie den Staat Israel in den Grundfesten gefährden würden. Es ist eher die Aufdeckung eines Skandals, der aber ansonsten keinerlei Wichtigkeit für den Fortbestand des Staates hat, der keine wichtigen Geheimnisse (etwa Waffenprogramme) beinhaltet oder der über die Optionen von Krieg und Frieden oder dergleichen entscheiden würde.

Schneemann.


- Nightwatch - 09.04.2010

Erich schrieb:aus dem Link von Schneemann:
Zitat:..
Die Frau soll ... Dokumente über Verbrechen von Soldaten weitergegeben haben.
....

... die Tageszeitung "Haaretz" ... hatte im November 2008 einen brisanten Bericht unter dem Titel "Lizenz zum Töten" veröffentlicht. Darin hieß es, israelische Soldaten würden im Westjordanland - entgegen eines Urteils des Obersten Gerichtshofs - gezielt palästinensische Extremisten töten, statt sie festzunehmen. ...
nachLesen und nachDenken fördert das Urteilsvermögen :roll:
Komplett am Kern des Problems vorbeigerasselt.
Nochmal: Diese Soldatin hat alles eingesackt was sie in die Finger bekommen hat.
Hochsensitives Material von A bis Z. Das ist eine glaßklare Straftat, auch wenn sie Unterlagen zu einer womöglich umstrittenen Aktion hat mitgehen lassen.
Nur weil du womöglich einen Skandal aufdecken kannst darfst du noch lange nicht Querbeet Staatsgeheimnisse klauen und weitegeben.

@Schneemann
Selbes Problem wie bei Erich
Wir könnten darüber diskutieren inwieweit ich Staatsgeheimnisse veröffentlichen darf wenn ich meine das diese einen Rechtsverstoß beinhalten. Kann man sicher so oder so sehen auch wenn ich deine Meinung dazu absolut nicht teile (ich sehe nicht mal irgendeinen Skandal in bezug auf die gezielten Tötungen).
Aber das geht am Kern des Problems vorbei weil die Soldatin hier wesentlich mehr hat mitgehen lassen.

Ich zitiere mal:
Zitat:According to the Shin Bet, close to 2,000 documents were copied by Anat Kam when she served as the assistant to the bureau chief of OC Central Command Maj.-Gen. Yair Naveh between 2005 and 2007. The documents contained top secret information concerning General Staff orders, personnel numbers in the Central Command, intelligence information, information on the IDF doctrine and data pertaining to central sensitive military exercises, weaponry and military platforms. The files also contained details on what the Central Command does in the event of a major escalation – how it deploys forces to the West Bank and where it stations them there.
Former IDF soldier accused of espionage for leaking intel

Beim besten Willen, niemand kann es ansatzweise rechtfertigen derartiges Material zu öffentlich zu machen.
Das sind Staatsgeheimnisse und nicht mal im Ansatz irgendwie fragwürdig.
Deshalb, egal wie man grundsätzlich zur Frage Pressefreiheit vs Sicherheit steht, hier liegt ein Fall massiver Spionage vor, der ganz klar strafrechtlich verfolgt werden muss.


- Schneemann - 09.04.2010

Zitat:...central sensitive military exercises, weaponry and military platforms.
Zugegeben, da hört der Spaß auf. Das wusste ich aber so auch nicht. Und wenn das so stimmt, wäre eine Verurteilung fällig.

Aber: Allerdings kann man auch die Frage stellen, inwieweit Vorwürfe hinsichtlich der Spionage nicht auch etwas "frisiert" werden können. Wenn die Frau irgendwem gewaltig in die Quere gekommen ist (damit meine ich noch nicht einmal die eigentlichen Streitpunkte über die offensichtlich nicht gesetzeskonformen Vorgehensmuster), so kann ich mir auch gut vorstellen, dass die Anklage noch ganz andere Vorwürfe ins Feld führt. Besonders bei Geheimdiensten und möglichen Spionagevorwürfen muss man erfahrungsgemäß auf der Hut sein.

Schneemann.


- Nightwatch - 09.04.2010

Ich habe irgendwie wenig Bedenken das diese Soldatin vor dem Bezirksgericht Tel Aviv keinen fairen Prozess bekommt.
Was wäre denn gewonnen wenn der Shabak hier irgendetwas frisiert und am Ende noch Gefahr läuft damit aufzufliegen?
Die ganze Angelegenheit ist so schon ärgerlich genug, sie schlimmer zu machen in dem man das Ausmaß des Schadens hochspielt macht wenig Sinn.
Den genauen Wortlaut der Anklageschrift kann man übrigens hier nachlesen:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.haaretz.com/hasen/spages/1161733.html">http://www.haaretz.com/hasen/spages/1161733.html</a><!-- m -->

Das geht alles seinen rechtstaatlichen Gang.
Im Übrigen, das hier der Shabal ermittelt ist nun wirklich nicht weiter anrüchig. Als Inlandsgeheimdienst ist diese Behörde die israelische Version des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Wer sollte sonst zuständig sein?
Ein ziviler Dienst übrigens, eher in Konkurrenz zur Armee stehend als sonst irgendetwas.


- Erich - 10.04.2010

Nightwatch schrieb:....
Den genauen Wortlaut der Anklageschrift kann man übrigens hier nachlesen:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.haaretz.com/hasen/spages/1161733.html">http://www.haaretz.com/hasen/spages/1161733.html</a><!-- m -->

Das geht alles seinen rechtstaatlichen Gang.
...
Gut, das liest sich anders als die bisherigen Informationen im Forum. Ansonsten bin ich mit Schneemann konform.


- Erich - 13.04.2010

Nightwatch schrieb:Es gibt keine Vertreibungen im Jahre 2010.
Diskriminierung, mein Gott, ....
so so <!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesschau.de/ausland/westjordanland104.html">http://www.tagesschau.de/ausland/westjordanland104.html</a><!-- m -->
Zitat:Neue Aufenthaltsbestimmungen für Palästinenser
Tausende von Ausweisung betroffen

Israel will nach Darstellung von Menschenrechtsgruppen zahlreiche Palästinenser aus dem Westjordanland vertreiben. Nach den neuen Regeln drohen jedem, der ohne israelische Genehmigung dort lebt, die umgehende Ausweisung oder bis zu sieben Jahren Haft.
...

Im Vorgehen der israelischen Armee gegen die palästinensische Bevölkerung sei nun eine neue, sehr besorgniserregende Qualität erreicht, sagt der Jurist Eldad Cahanan von der Menschenrechtsgruppierung Hamoked: "Die wesentliche Neuerung ist, dass zum ersten Mal Palästinenser nach dieser Definition als Eindringlinge in ihrem eigenen Land gesehen und dafür ausgewiesen und bestraft werden können."
....

Stand: 13.04.2010 19:12 Uhr



- Nightwatch - 13.04.2010

Zum einen sachlich falsch, zum anderen lohnt ein Blick auf die Quelle.