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(Land) Mittlere Kräfte - Druckversion

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RE: Mittlere Kräfte - Broensen - 23.01.2022

(23.01.2022, 12:56)reflecthofgeismar schrieb:
(14.12.2021, 21:49)Quintus Fabius schrieb: Marinefallschirmgebirgsgrenadiere bitte Big Grin
Was soll an Gebirgsfallschirmjägern denn falsch sein?

Ich seh' das auch nicht so kritisch wie Quintus. Schaut man sich z.B. die Fallschirmjäger der Fremdenlegion (2e REP) an, stellt man fest, dass diese Kompanieweise spezialisiert sind auf unterschiedliche Einsatzgebiete.
Leichte Infanterie kann für mein Verständnis z.B. schon allein durch den Stationierungsraum eine gewisse Geländespezialisierung (Gebirge/Wald/Wasser) mit sich bringen. Und die Verbringung per "Fallschirmsprung" hat ja auch nur bedingt Einfluss auf die darauffolgende Kampfweise.
Daher sehe ich bei leichter Infanterie eine doppelte Klassifizierung nach Einsatzraum und Verbringungsoptionen durchaus als angemessen an. Es darf nur nicht auf eine Überspezialisierung hinauslaufen, die in den einzelnen Bereichen letztendlich eine zu geringe Quantität entstehen lässt. Daher sollte leichte Infanterie grundsätzlich unabhängig vom jeweiligen Verbringungsmittel aufgestellt sein, also prinzipiell luftbeweglich. Die Stationierung bedingt für gewöhnlich bereits eine erweiterte Geländequalifikation und der Fallschirmsprung kommt dann einfach für entsprechend befähigte Verbände als zusätzliche Verbringungsoption hinzu.

Nur müsste man in Deutschland dann auch klar sagen, dass leichte Infanterie nicht regulär in Boxern unterwegs ist, womit wir wieder beim eigentlichen Thema der mittleren Kräfte wären.


RE: Mittlere Kräfte - reflecthofgeismar - 23.01.2022

(23.01.2022, 14:13)Broensen schrieb: Ich seh' das auch nicht so kritisch wie Quintus. Schaut man sich z.B. die Fallschirmjäger der Fremdenlegion (2e REP) an, stellt man fest, dass diese Kompanieweise spezialisiert sind auf unterschiedliche Einsatzgebiete.
Leichte Infanterie kann für mein Verständnis z.B. schon allein durch den Stationierungsraum eine gewisse Geländespezialisierung (Gebirge/Wald/Wasser) mit sich bringen. Und die Verbringung per "Fallschirmsprung" hat ja auch nur bedingt Einfluss auf die darauffolgende Kampfweise.
Daher sehe ich bei leichter Infanterie eine doppelte Klassifizierung nach Einsatzraum und Verbringungsoptionen durchaus als angemessen an. Es darf nur nicht auf eine Überspezialisierung hinauslaufen, die in den einzelnen Bereichen letztendlich eine zu geringe Quantität entstehen lässt. Daher sollte leichte Infanterie grundsätzlich unabhängig vom jeweiligen Verbringungsmittel aufgestellt sein, also prinzipiell luftbeweglich. Die Stationierung bedingt für gewöhnlich bereits eine erweiterte Geländequalifikation und der Fallschirmsprung kommt dann einfach für entsprechend befähigte Verbände als zusätzliche Verbringungsoption hinzu.

Kann man so unterstreichen.
EGB und Hochgebirgszug = bessere GebFschJg mit erweiterten, noch mehr spezialisierten Fähigkeiten die man nicht von Otto-Normal-GebFschJg erwarten darf.
Manche Nationen scheinen bei ihrer Aufstellung von leichten Brigaden zu vergessen, dass leichte Infanterie, auch wenn sie recht kampfstarke Mutterschiffe - im Bezug auf leicht - aufweist, wie Schlachtvieh niedergemetzelt wird sobald mittlere/schwere Kräfte das Gegenüber stellen... (offenes Gelände)
Klar, für die Franzosen ist es bspw etwas anderes.
Irgendwelche schwarzafrikanischen Rebellengruppen, die mal mit nem T-55A/M/MW/AMW rumfahren aber mehrheitlich Technicals aufweisen ... ist ja nichts.
Selbst wenn afrikanische Regierungen jetzt auf T-72B+ / T-90S oder gar T-90MS gingen ... sie sind in der Regel durch Panzer/Luftwaffe verstärkte leichte/mittlere, gut geführte europäische Kräfte zu schlagen.
Bei Russen, Chinesen oder auch Iranern sieht die Sache ganz anders aus. Big Grin

(23.01.2022, 14:13)Broensen schrieb: Nur müsste man in Deutschland dann auch klar sagen, dass leichte Infanterie nicht regulär in Boxern unterwegs ist, womit wir wieder beim eigentlichen Thema der mittleren Kräfte wären.

Ja, da sind wir wieder bei dem Thema, wie man am besten "mittlere" Kräfte in der BW passend zur Doktrin unterbringen kann.

Entweder als Btl in den Brigaden oder als eigenständige Regimenter in den Divisionen ...
Die Btl könnte man auch rausziehen und als Einheit für das IKM nutzen.
Gleiches für klassische Jäger.


RE: Mittlere Kräfte - Quintus Fabius - 23.01.2022

Ich möchte meine scherzhafte Anmerkung bezüglich der Bezeichnung nicht als Kritik einer möglichst breiten Verwendbarkeit anstelle von zu großem Spezialistentum bei leichter Infanterie verstanden wissen. Ganz im Gegenteil:

Meiner rein persönlichen Meinung nach braucht echte leichte Infanterie welche aus Berufssoldaten besteht keine wirkliche Spezialisierung auf das Gelände sondern ist real de facto in jedem Gelände einsetzbar. Nur in bestimmten Extrembereichen benötigt man kleinere Einheiten als Multiplikatoren.

Diese Lehre hat man schon in der Wehrmacht in Bezug auf die Gebirgstruppen gewinnen können als man feststellte, dass auch sonst jede normale Infanterie im Gebirge praktisch fast genau so gut zurecht kommt, wenn man ihr einige spezialisierte kleinere Einheiten zur Unterstützung einzieht, dass war der Beginn der sogenannten Hochgebirgs-Bataillone.

Das USMC geht noch einen Schritt weiter und deklariert, dass jeder Infanterist in jedem Klima und jedem Gelände kämpfen können muss. Und das ist praktisch gar nicht so schwer wie es sich anhört.

https://www.marines.mil/News/News-Display/Article/1063719/marines-expand-capabilities-for-every-clime-and-place/

Eine Differenzierung echter leichter Infanterie kann daher nach dem Transportmittel erfolgen, aber eine spezialisierte Differenzierung nach dem Gelände macht wenig Sinn. Dessen ungeachtet sind Truppen welche geographisch aus bestimmten Gebieten rekrutiert wurden in diesen natürlich querschnittlich leistungsfähiger was das operieren in diesem Gelände und Klima angeht. Gebirgsjäger welche man als Einwohnern der Alpen aufstellt werden querschnittlich besser im Gebirge sein als solche die aus Schleswig Holstein kommen. Und das war ursprünglich ja mal überhaupt die Idee von dezidierten Gebirgstruppen. Aber auch eine Jäger-Brigade aus Schleswig Holstein operiert in den Bergen ganz genau so erfolgreich, wenn sie ein paar Hochgebigs-Kompanien dazu gestellt bekommt. Dazu kommt noch, dass sich Einheiten erstaunlich schnell an bestimmte Extrem-Gelände anpassen können, wenn man sie gezielt dafür anleitet.

Gebirgskampf und Winterkampfschulen - oder auch Dschungel- und Wüstenkampfschulen machen daher durchaus Sinn, ebenso sonstige spezialisierte Lehrgänge für Einzelne oder kleinere Gruppen welche dann in ihre regulären "nicht-spezialisierten" Einheiten zurück kehren. Solche Zusatz-Schulen sind daher viel relevanter als spezialisierte größere Verbände. Ein gutes Beispiel wie erfolgreich dieses Konzept sein kann und wie weitgehend damit reguläre normale Infanterie befähigt und ermächtigt werden kann ist die RECONDO Schule im Vietnamkrieg. Genau solche Konzepte bräuchte man auch heute.

Um nun mal den Bogen zu mittleren Kräften zurück zu spannen:

Solche spezialisierten kleineren Einheiten als Multiplikatoren machen für mittlere Kräfte nun weniger Sinn, da Extrem-Gelände in welchem solche kleineren Unterstützungs-Einheiten eine Mehrleistung erbringen können nicht das Gelände für mittlere Kräfte sind. Dessen ungeachtet könnte man bei einem Konzept von Zusatz-Schulen auch Einzelne oder kleine Gruppen der mittleren Kräfte mitbeschulen, so dass diese ebenso davon profitieren. Zudem werden unter Umständen die mittleren Kräfte dann auch in solchem Gelände eingesetzt sein, eventuell dann auch ohne ihre Fahrzeuge, der heutige Mangel an Quantität lässt da vielleicht auch gar keine andere Wahl mehr.

Deshalb wäre es meine Idee dazu, entsprechende Spezial-Schulen zu fördern, zu stärken, auszubauen und neue solche Zusatz-Schulen zu schaffen, dafür aber auf spezifisches Gelände spezialisierte Verbände (bei der Bundeswehr primär die Gebirgsjäger) zurück zu fahren. Und dafür im Gegenzug mehr Soldaten anderer Einheiten durch solche Beschulungen laufen zu lassen.


RE: Mittlere Kräfte - Quintus Fabius - 26.01.2022

Ein Beitrag in der Soldat und Technik, basierend auf den Schrift eines australischen Offiziers mit dem bezeichnenden Titel: Achtung Boxer!

Über die Natur und die Aufgaben von Panzerkavallerie im allgemeinen und im besonderen im Rahmen von Brigaden:

https://soldat-und-technik.de/2020/08/taktik-ausbildung/23196/jenseits-der-intellektuellen-sicherungslinie-die-studie-achtung-boxer-als-weckruf-fuer-eine-brigadekavallerie/

Zitat:Wer im Heer soll diese zeitlos gültigen Aufträge der vormaligen Kavallerie übernehmen, nutzt das Momentum in der Tiefe und wagt den Husarenstreich bei günstiger Gelegenheit, um disruption oder gar dislocation zu erreichen? Hier hilft ein Blick in die Geschichte, verfügte die Bundeswehr doch vormals über ein genau zu diesem Zwecke bestens aufgestelltes Instrument: die in der Heeresstruktur 4 als Gefechtsverband gegliederten Panzeraufklärungsbataillone.[11] Mit seinen Panzergrenadier-, Panzer-, Mörser- und Pionierkräften war das Bataillon befähigt, das Gefecht der verbundenen Waffen selbstständig zu führen. Ein ideales Mittel, um den Coup de grâce zu führen und jedwede günstige Gelegenheit für dislocation und disruption zu nutzen.[12] Den Anteil orient vermochte das Bataillon mit seinen Spähtrupps damals ebenfalls abzudecken. Damals fand somit in einem Verband zusammen, was den gesamten Bereich des Dreiecks Move-Strike-Protect nach Fuller abdeckt[13], die Fähigkeiten glichen mit ihren Stärken die jeweiligen Schwächen untereinander aus und die Vorgaben in den Vorschriften spiegelten den Einsatzzweck wider.

Zitat:Die heutigen Aufklärungsbataillone selbst sind angesichts ihrer Waffensysteme nur sehr bedingt zur Durchführung von Aufträgen außerhalb der reinen Aufklärung befähigt und sehen dies in ihren Führungsvorschriften oberhalb der Truppebene auch gar nicht mehr vor.

Und obschon sich die Fähigkeiten der Kampftruppe grundsätzlich eignen würden, um dislocation und disruption zu erzielen, bleibt doch ein Restzweifel, ob sie dies leisten können. Sind unsere ohnehin wenigen Kampfverbände dazu befähigt, auf einem immer unübersichtlicheren, überdehnten Gefechtsfeld in der Tiefe – dem forward deep – sich bietende Lagen rasch auszunutzen?

Die Antwort lautet Nein. Denn:

Zitat:der Kampf in der Tiefe erfordert besondere Ausbildung, welche sich durch eine rasche ablauforganisatorische Lösung wohl eher nicht herbeiführen lassen wird.

ACHTUNG BOXER!

im Original:

https://cove.army.gov.au/sites/default/files/achtung-boxer_how_to_employ_cavalry_in_the_mid-twenty-first-centuryfv.pdf

Und ein älteres Papier zu dieser Fragestellung dass ich immer noch sehr schätze:

Trading the Saber for Stealth


https://www.ausa.org/sites/default/files/LWP-53-Trading-the-Saber-for-Stealth-Can-Surveillance-Technology-Replace-Traditional-Aggressive-Reconnaissance.pdf


RE: Mittlere Kräfte - ObiBiber - 20.03.2022

Also hier scheint es jetzt doch schneller voranzugehen…
sehr positive Entwicklung … und genau das was jetzt schon nötig wäre…
Es sollen jetzt 93 Boxer IFV/CRV sehr schnell Zulaufen… und erstmal die Basis für die mittleren Kräfte bilden…
bin mal gespannt wie es hie ein den nächsten Wochen weiter geht!?
Ich würde mir ja eine eigenständige deutsche Brigade mit mittleren Kräften und ein paar hundert Boxer in verschiedenen Varianten wünschen…
außerdem sollte die deutsch französische Brigade (deutscher Anteil) auch in diese Richtung gehen…
so hätte man eine rein deutsche und eine D/F mittlere Brigade.
Weitere Boxer Varianten wie RCH155 und Skyranger30 wären dann wünschenswert!


RE: Mittlere Kräfte - Broensen - 20.03.2022

Ich würde die CRV-Beschaffung jetzt noch nicht als Boxer-IFV interpretieren, sondern erstmal lediglich als schweren Waffenträger zur Ablösung der Wiesel in den schweren Jägerkompanien (+ 5./231). Die Absitzkomponente wird da voraussichtlich auch Teil der schweren Kompanieen sein, so dass es sich dabei dann nicht um "RadPanzerGrenadiere" handeln wird, sondern lediglich eine Mbilitäts-Schwachstelle der aktuellen Jägerbataillone behoben wird. Dafür spricht auch die Auswahl des CRV mit dem bemannten Turm. Für ein IFV wäre der PuBo mit RCT30 die naheliegendere Wahl gewesen. Ich denke, die Planungen zu den mittleren Kräften dürften jetzt erst nochmal komplett überdacht werden, bevor sich da dann auch strukturell was tut.


RE: Mittlere Kräfte - Quintus Fabius - 20.03.2022

Das hat noch nicht mal was mit einer Mobilitätslücke zu tun, sondern der Plan ist, dass in den schweren Kompanien richtige Aufklärungs-Züge eingezogen werden, welche durch die Bataillonsführung zur Gefechtsaufklärung, Erkundung und zur Überwachung von Räumen, Lücken und Flanken sowie zum Herstellen und Halten von Verbindung eingesetzt werden können.

Mit dem GTK CRV könnte man sowohl diese Aufgabe, als auch die der bisherigen "Waffenträger"-Züge zugleich abbilden. Man hätte dann in beidem mehr Leistung und auch insgesamt mehr Leistung.

Statt einem "Kanonen"-Zug mit Wiesel kann man dann einen Zug GTK CRV einsetzen, diesen zugleich auch perfekt für Aufklärungs-Aufgaben einsetzen und man hätte noch einen (technischen) Aufklärungszug extra.

Mehr Feuerkraft, mehr Beweglichkeit, mehr Schutz, und zugleich eine deutlich bessere Aufklärung und dass bei gleicher Zahl von Einheiten und gleicher Mannstärke.

Im Prinzip das was sehr viele einschließlich meiner Wenigkeit immer gefordert haben, seit der GTK CRV vorgestellt wurde.


RE: Mittlere Kräfte - ObiBiber - 21.03.2022

Also im Prinzip ist die Hoffnung dass irgendwann zusätzlich zu den Boxer CRV auch noch eine gewisse Anzahl an Boxer IFV beschafft werden!?


RE: Mittlere Kräfte - Broensen - 21.03.2022

Man kann das als Hoffnung haben -so wie du- oder als Befürchtung -so wie ich-. Tongue

Es gibt ja noch kein voll ausdefiniertes Konzept für die mittleren Kräfte, zumindest kein öffentlich kommuniziertes. Außerdem hat sich ein wichtiger -wenn auch wenig nach außen getragener- Grund ja jetzt erledigt: Es ging dabei um die Ablösung des Marder. Dafür gibt es aber jetzt ein 2. Los PUMA. Somit stellt sich die Frage, woher man die Truppen nehmen soll für eine zusätzliche mittlere Brigade, wenn man sie nicht den Panzergrenadieren entziehen kann.

Zur bisher geplanten Einführung des MaschinenkanonenBOXERS schrieb S&T (Paywall): Kommt der Maschinenkanonenboxer mit Lance- und Puma-Turm?
Zitat:Einige Beobachter betrachten diesen Ansatz allerdings mit einer gewissen Skepsis, da man den alleinigen Austausch der Waffenträger Wiesel durch Maschinenkanonenboxer als unzureichend für die Klassifizierung der Jägerverbände als mittlere Kräfte hält. Denn die Jäger müssen weiterhin abgesessen kämpfen und wären somit einem mechanisierten und teilweise auch einem motorisierten Gegner unterlegen, da die Jägerverbände nur über einen geringen Anteil – 12 Waffenträger pro Bataillon – an duellfähigen Fahrzeugen verfügen würden.

Kritiker dieses Ansatzes argumentieren, dass eine Vollausstattung der Jägertruppe mit solchen Fahrzeugen notwendig wäre, um die Verbände als „echte“ mittlere Kräfte ansehen zu können. Diese würden dann vom Einsatzprofil den motorisierten Schützentruppen des Warschauer Paktes entsprechen und sowohl zum auf- als auch zum abgesessenen Kampf befähigt werden. Diese Um Paspelierung der Jägertruppe ist nach jetzigen Erkenntnissen aber nicht geplant.

Das bezieht sich auf die jetzt beschlossene Beschaffung des CRV als Wiesel-Ersatz. Diese ist also explizit nicht der Übergang zu dem, was in der Bundeswehr als "Brigade mittlerer Kräfte" diskutiert wird, sondern lediglich das Angleichen der letzten Elemente der Jägerbataillone an das ansonsten bereits querschnittlich eingeführte Fahrzeug.

Die Frage nach einem BOXER IFV ist eine andere:
Zitat:Radschützenpanzer auf Boxer-Basis?...
Im Zusammenhang mit den noch ausstehenden Entscheidungen zum 2. Los werde zudem auch der Themenkomplex „Realisierung des Kräftekontinuums leichte-mittlere-schwere Kräfte“ weiter zu untersuchen sein.

Für eine Vollausstattung sind nach jetzigen Planungen der Bundeswehr 560 Schützenpanzer vorgesehen. Da die Grenadiertruppe über 350 Schützenpanzer Puma verfügt, ergibt sich ein Delta von 210 Gefechtsfahrzeugen das entweder durch ein 2. Los Puma oder einen Radschützenpanzer geschlossen werden müsste. Bliebe es bei diesen Zahlen und sollte kein 2. Los Puma beschafft werden, würde der Gesamtbedarf an „Maschinenkanonenboxern“ von 85 auf etwa 300 steigen.
... Denkbar wären beispielsweise zwei unterschiedliche Missionsmodule, einmal „Schwerer Waffenträger Infanterie“ mit einem Lance-Turm und ein Missionsmodul für die Panzergrenadiertruppe mit Puma-Turm.... Als erstes muss beantwortet werden, ob ein 2. Los Puma für den Ersatz des Schützenpanzers Marder beschafft werden soll.

Eine Einführung BOXER IFV zur Aufstellung mittlerer Brigaden würde jetzt also einen Personalaufwuchs oder die vollständige Umwandlung der Jägertruppe erfordern, was beides nicht so wahrscheinlich scheint.

Ich persönlich könnte mir allerdings vorstellen, dass man den Ansatz der mittleren Kräfte als Brigade insofern weiter verfolgt, dass man die drei JgBtl. aus den mech. Brigaden heraus löst und zu einer eigenen Brigade zusammenfasst mit den BOXER CRV als schweres Element, vergleichbar dem 3. Husarenregiment in der D/F-Brigade. Was auch definitiv die bessere Lösung wäre gegenüber der zusätzlichen Radpanzergrenadiertruppe, die bisher angedacht war.


RE: Mittlere Kräfte - Delbrueck - 21.03.2022

Ich kann mich voll QF anschließen:
das Konzept mittlere Kräfte ist ein Lückenbüßer, eine sinnfreie Kopfgeburt aus der Not heraus, weil es ist aus D. nur der Lynx, der Puma oder eben der Boxer beschaffbar.
Der Boxer ist zu schwer, zu hoch und konzeptionell als Transportfahrzeug geplant worden. Die BW und auch die Briten bewegen sich damit gedanklich in der Zeit der 1990er und 2000er Jahre, als möglichst luftbewegliche Kräfte und Interventionskräfte groß in Mode waren und geplant wurden (Stichworte: FCS, Tank Debatte).

Zu schwer:
https://man.fas.org/dod-101/sys/land/docs/2wheels98.pdf
der Bodendruck des Boxers liegt bei der Basisvariante bei 3,018kg/cm2 bzw. umgerechnet bei 42,926 lbs/ sq in.
(Zum Vergleich der Leopard 2 variiert zwischen 0,82kg/cm2 und 0,95kg/cm2).

Zu hoch:
der Boxer ist höher als der Puma, mit Turm noch höher.

Der Boxer ist und bleibt ein TPz oder MTW und wird auch kein IFV werden.

Zusammenfassend zum Stryker analog auf den Boxer übertragbar, die Vor- und Nachteile von Antriebsarten bei Panzerfahrzeugen:
https://sgp.fas.org/crs/weapons/R44229.pdf
S. 8 (Paginierung) bzw. S. 12 (PDF).

Alt aber genauso argumentierend:
https://www.globalsecurity.org/military/library/congress/2003_rpt/stryker_reality_of_war.pdf
.
In der Tat wäre ein Mehr an Pumas, inkl. der notwendigen Unterstützungsfahrzeuge Mörserträger, RakJgPz, Flarak- und Flak-Pz, Führungsfahrzeuge, Bodenradarträger usw. durchaus sinnvoller.

Letztlich: kostengünstiger, durchhaltefähiger, kampfkräftiger, beweglicher.

Kostengünstiger, wie bereits beschrieben, sinken die Stückkosten enorm, wenn mehr Fahrzeuge produziert werden (wenn eine ganze Fahrzeugfamilie auf einer Plattform gebaut wird), logistisch ebenso, weil man viele gleiche Teile hat.

Durchhaltefähiger, weil Panzergrenadiere besser zum Kampf sowohl gegen schwere als auch leichte Kräfte geeignet sind.

Kampfkräftiger, weil bessere Bewaffnung, niedrigere Höhe, bessere Beweglichkeit im Osten Europas, da dort die Straßendichte stark abnimmt, generell quer-feld-ein, da Kette und nicht Räder.

Beweglicher, wie eben bereits ausgeführt; strategische Verlegung über die Straße, ist eher die Ausnahme und wohl eher politischen Entscheidungen geschuldet (Stichwort: Infunktionalität der Eisenbahn [Überholgleise, Weichen rausgerissen, Mangel an Loks & rollenden Material, Inkompatibilität der nationalen Eisenbahnnetze, fehlendes Personal sowie geschultes Personal], keine Stationierung von NATO-Truppen im Osten, um nur 2 Argumente zu nennen).


RE: Mittlere Kräfte - ObiBiber - 21.03.2022

Das Thema ist wie immer eine Glaubensfrage…
mit unterschiedlichen Pro und Contra Punkten.
Ich kann jetzt gegen argumentieren:
+Ich bekomme 3 Boxer CRV für den Preis eines Pumas
+Dadurch bin ich flexibler und habe die 3-fache Kampfkraft
+Ich kann den Boxer CRV auf eigenen Rädern in Mitteleuropa problemlos und schnell über >1000km verlegen
+Der Puma ist auf entsprechende Logistik angewiesen (Bahn, Tieflader) was auch wieder kosten zur Folge hat und die Verlegung an sich berechenbarer/angreifbarer macht
+Der Boxer ist im Unterhalt deutlich günstiger und zuverlässiger
+es gibt heute schon eine zweistellige Anzahl an Modulen für den Boxer
und und und
-dagegen spricht eine schlechtere Geländegängigkeit in extrem Situationen
-das höhere Profil macht den Boxer angreifbarer

aktuell haben wir wohl den Luxus dass wir uns beides leisten können!!
Es wird ein 2. Los Puma geben
Es wird die mittlere Brigade und der Boxer CRV kommen, vermutlich auch Boxer RCH155 und Shorad


RE: Mittlere Kräfte - Broensen - 21.03.2022

(21.03.2022, 15:26)ObiBiber schrieb: +Ich bekomme 3 Boxer CRV für den Preis eines Pumas
+Dadurch bin ich flexibler und habe die 3-fache Kampfkraft
Ja, aber nur in den Bereichen, in denen die Vorteile des PUMAs keine Relevanz haben und auch nur dann, wenn du für die zwei zusätzlichen Fahrzeuge auch das Personal und die erforderlichen Logistikkapazitäten vorhalten kannst. Was momentan nicht der Fall sein dürfte.
Ich würde mal davon ausgehen, dass man optimistisch betrachtet vielleicht für einen PUMA zwei CRVs bekommen kann, sofern man diese dann nicht als IFV einsetzt, sondern als FU-/Jagd-/SpähPz mit geringerer Besatzungsstärke. Die dadurch zu erzielende Kampfkraft hängt dann stark davon ab, wie und wo man diese einsetzt. Das kann durchaus Sinn ergeben, nur halt nicht in einem simplen 1zu1 Vergleich.

Zitat:aktuell haben wir wohl den Luxus dass wir uns beides leisten können!!
Leisten schon, bemannen wird schwierig. Wenn man also keine hohlen Strukturen aufbauen will, dann wird für jede neu aufgestellte Einheit irgendwo an anderer Stelle etwas abgebaut werden müssen. Im Idealfall sind das dann natürlich Aufgaben, die eher den Wasserkopf genährt haben, als dass sie Kampfkraft generiert hätten. Aber verlassen würde ich mich darauf nicht.

Zitat:Es wird die mittlere Brigade und der Boxer CRV kommen, vermutlich auch Boxer RCH155 und Shorad
Ja, nur lösen diese Systeme halt aller Voraussicht nach nur Altgerät ab -das teilweise schon lange nicht mehr wirklich einsatzbereit ist- oder es muss dafür an anderer Stelle strukturell reduziert werden. Und die Brigade wird mMn -wenn überhaupt- nur als Umstrukturierung der Jäger kommen, was eher einen Aufwuchs bei den Stabsstellen und evtl. den Unterstützern zur Folge hätte, als bei den Kampftruppen. Vorteil wären natürlich schlankere mech. Brigaden und die Möglichkeit, die Vorteile von mittleren Kräften auch oberhalb der Bataillonsebene tatsächlich nutzen zu können.


RE: Mittlere Kräfte - Ottone - 21.03.2022

(21.03.2022, 15:04)Delbrueck schrieb: Strategische Verlegung über die Straße, ist eher die Ausnahme, keine Stationierung von NATO-Truppen im Osten
Wenn ich das Wort "strategisch" in Klammern setzen und nur bedingt beachte, aber auch nicht gänzlich beiseitelege, dann werden gerade beide Argument in und um die Ukraine wiederlegt. Ja, der Boxer ist hoch, aber er liefert eben auch Schutz den ein BTR nicht liefert und die Schützen dazu verleitet, lieber oben drauf als innen drin zu fahren um sich bei Beschuß umgehend vom Fahrzeug entfernen zu können und nicht drinnen gefangen zu sein.

Würde man auch leichter gepanzerte Fahrzeuge berücksichtigen, dann sollten diese kleiner sein, also halbe Absitzstärke oder weniger um den möglichen Schaden bei einem Treffer einzugrenzen.


RE: Mittlere Kräfte - Pmichael - 21.03.2022

Es gibt ja einige Nationen die auf Radgestützte Einheiten setzen als schnelle Eingreiftruppe, die halt das gut ausgebaute Infrastruktur nutzen können um auf erste Angriffe und Schwerpunktbildungen des Gegners zu reagieren. Gerade die große Ostflanke wäre halt perfekt für so etwas. Es ist halt keine so schlechte Idee aber man braucht halt die weiterhin die Schwere Kavallerie da die Infrastruktur sich stetig verschlechtert im Krieg und man halt die entsprechende Feuerkraft brauch.


RE: Mittlere Kräfte - Quintus Fabius - 21.03.2022

Pmichael:

Zitat:Gerade die große Ostflanke wäre halt perfekt für so etwas.

Die Frage ist, wo diese Ostflanke dann genau liegt. In weiten Teilen Osteuropas wäre es gerade eben nicht perfekt für -so etwas-. Das geben dort Gelände und verfügbare Infrastruktur nicht her.

Man müsste hier aber auch noch klarer definieren was -so etwas- den überhaupt sein soll. Da liegen himmelweite Unterschiede zwischen selbstständigen besonders kompakten Späh-Kompanien und deren autark agierenden Späh-Zügen auf solchen Fahrzeugen - oder einer ganzen Brigade mittlere Kräfte welche so Fahrzeuge verwendet.

Ob die Idee schlecht ist oder nicht, hängt zudem sehr stark von den Umständen und der genauen Zielsetzung ab. Die müsste man überhaupt erstmal klar definieren. Abgesehen von: wir verlegen ad hoc selbstständig ins Baltikum und betreiben dort Verzögerung ist da bisher von der BW nicht viel genannt worden. Das ist unzureichend.

Allgemein:

Da hier ja schon mehrfach das höhere Profil als Negativ-Punkt genannt wurde, bspw:

Zitat:der Boxer ist höher als der Puma, mit Turm noch höher.

Zitat:das höhere Profil macht den Boxer angreifbarer

das war früher mal für den Schutz eines Fahrzeuges sehr relevant, genau so wie möglichst abgeschrägte Flächen, hat heute aber angesichts der Möglichkeiten moderner Panzerabwehrmittel stark an Bedeutung verloren.

Signifikant ist es heute eigentlich nur noch für die Frage der Signatur, beispielsweise auf einem Gefechtsfeldradar.

Und ein höheres Fahrzeug kann zum Spähen auch Vorteilhaft sein, oder bei richtiger Nutzung des Geländes zur Bekämpfung des Feindes aus einer teilgedeckten Stellung usw.

Dessen ungeachtet hat Delbrück den Kern des ganzen meiner Meinung nach sehr gut zusammen gefasst. Für die eigentliche Kampftruppe ist der GTK in den meisten Verwendungen einfach nicht sinnvoll, und insbesondere nicht als IFV. Er ist auch TPz für die Jäger-Truppe denkbar ungeeignet und erzeugt für diese eigentlich nur mehr Probleme als Lösungen. Genau genommen ist er eine Anti-These zu dem was echte Leichte Infanterie ausmachen sollte.

Mittlere Kräfte sind wertvoll für IKM und irgendwelche Neo-Kolonial-Scharmützel, aber gerade mit der Zielrichtung LV/BV sollten wir bewusst auf diese verzichten. Das heißt nicht, dass mittlere Einheiten per se schlecht wären, man muss aber genau überlegen wo, in welchem Zusammenhang und auf welche Weise man sie einzieht und einsetzt.

Beispielsweise könnte ein verstärkter Zug GTK CRV für ein Jäger-Bataillon hochwertvoll sein, aber das ganze Jäger-Bataillon in GTK IFV zu stecken sich als grundfalsch erweisen.

Vor allem aber muss man die Sache ganzheitlicher sehen: je mehr neue Baustellen wir aufmachen, desto mehr verlieren wir den Fokus. Wir benötigen richtige schwere Kräfte und richtige leichte Kräfte, und haben wir beides, sind wir damit bereits sehr gut aufgestellt, zumal es in Europa bei unseren Verbündeten zunehmend ein Übermaß an mittleren Kräften gibt, was hingegen fehlt sind schwere Kräfte in ausreichender Menge und echte leichte Kräfte. Im gesamten Kontext sollten wir daher einen Schwerpunkt da setzen wo er notwendig ist und wo er am meisten für die Gesamtsache bringt. Und das ist definitiv nicht bei mittleren Kräften, völlig gleich ob diese in einem anderen Kontext sinnvoll sind oder nicht und völlig gleich wie leistungsfähig sie sind.