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Wir haben ja schon einen Thread hier: Entfremdung in der Nato - der große Graben
in dem die zunehmende Spaltung in der NATO zwischen US-Interessen und EU-Interessen (um es mal grob vereinfacht zu sagen) erörtert wird.
Jetzt steht die NATO-Tagung an - und mit ihr die Diskussion, ob die Ukraine und Georgien in die NATO aufgenommen werden sollen.
Wenn das kein Thema für eine Diskussion in unserem Forum ist?
Als Entree dazu erst einmal ein paar SPIEGEL-Statements:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,543966,00.html">http://www.spiegel.de/politik/ausland/0 ... 66,00.html</a><!-- m -->
Zitat: 28. März 2008
POLEN
Ganz eng an der Seite der USA
Von Jan Puhl
Polen zeigt sich als verlässlicher Partner der USA: Demnächst schickt Warschau 400 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan. Und auch bei der geplanten neuen Ost-Erweiterung der Nato steht Warschau an Washingtons Seite - Georgien und die Ukraine sollen in die Nato.
...
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,543887,00.html">http://www.spiegel.de/politik/ausland/0 ... 87,00.html</a><!-- m -->
Zitat: 28. März 2008
NATO-GIPFEL
Deutschland bremst Bushs Expansionsplan Ost
Von Gregor Peter Schmitz, Washington
US-Präsident Bush will auf dem bevorstehenden Nato-Gipfel neue osteuropäische Staaten ins Militärbündnis holen. Doch Deutschland macht ihm nun einen Strich durch die Rechnung: wegen Bedenken gegen die Ukraine und Georgien - und aus Rücksicht auf Russland.
...
und als Bonmont noch was von RIA Novosti:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://de.rian.ru/world/20080328/102438686.html">http://de.rian.ru/world/20080328/102438686.html</a><!-- m -->
Zitat:Acht Nato-Staaten gegen Aufnahme der Ukraine und Georgiens
12:59 | 28/ 03/ 2008
BRÜSSEL, 28. März (RIA Novosti). Acht Nato-Mitgliedsländer sind gegen einen Beitritt der Ukraine und Georgiens zum Aktionsplan für die Mitgliedschaft.
Wie RIA Novosti aus diplomatischen Kreisen in Brüssel erfuhr, sehen Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Portugal, die Niederlande, Belgien und Luxemburg darin die Gefahr einer Verschlechterung ihrer Beziehungen mit Russland, was sie vermeiden möchten.
Zugleich verwies der Gesprächspartner darauf, dass die USA auf eine Aufnahme der Ukraine und Georgiens in die Allianz hinarbeiten.
Kiew und Tiflis rechnen damit, dass sie beim Nato-Gipfel Anfang April in Bukarest den Status eines Nato-Beitrittskandidaten bekommen.
...
<!-- m --><a class="postlink" href="http://de.rian.ru/safety/20080328/102446336.html">http://de.rian.ru/safety/20080328/102446336.html</a><!-- m -->
Zitat:Nato-Erweiterung für Festigung der Sicherheit nicht förderlich - Außenminister Lawrow
14:28 | 28/ 03/ 2008
MOSKAU, 28. März (RIA Novosti). Eine Nato-Erweiterung trägt nicht zur Festigung der Sicherheit in Europa bei. Diese Meinung äußerte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Freitag vor Journalisten in Moskau. ....
und
<!-- m --><a class="postlink" href="http://de.rian.ru/world/20080328/102465720.html">http://de.rian.ru/world/20080328/102465720.html</a><!-- m -->
Zitat:NATO-Beitritt der Ukraine soll Beziehungen zu Russland nicht verschlechtern - Timoschenko
17:59 | 28/ 03/ 2008
...
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Für mich stellt sich die Frage, warum will die NATO größer werden? Um die Sicherheit der Mitglieder zu verbessern ja wohl nicht.
Wenn die NATO sich zu einer Plattform für westliche Demokratien entwickenl möchte, warum dann Albanien, das ja Demokratiedefizite und Probleme mit Korruption hat.
Wieso also dann? Damit man den Enfluss Russlands auf diese Länder begrenzt? Wir haben nicht mehr den kalten Krieg und Reagans Devise, mit jedem zusammenzuarbeiten, der von sich behauptet der Feind unseres Feindes zu sein.
Also, warum will sich die NATO erweitern? Um von den Problemen mit dem Afghanistaneinsatz abzulenken?
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@Erich
Ich habe mit "Nein" gestimmt.
Eine weitere Ostausdehnung der NATO würde sie nur entwerten.
Die Rivalitäten zwischen EU und USA würden sich innerhalb der NATO nur weiter verschärfen, bis eine Spaltung oder ein Zusammenbruch der NATO eine realistische Gefahr darstellen könnte.
Durch innere Stabilität zeichnen sich Georgien und die Ukraine auch nicht gerade aus. Georgien ist eine Diktatur, brutaler als in Russland, aus der sich bereits zwei de facto-Staaten, nämlich Abchasien und Südossetien, herausgebildet haben. Das Georgien seine Dauerfehde mit Russland weiter aufrechterhält - wohl um die eigene Bevölkerung von internen Problemen abzulenken - ist auch nicht gerade förderlich.
Die Ukraine ist da politisch stabiler, aber ihre Grenze zu Weissrussland ist noch immer nicht festgelegt. Eine mögliche Sezession der Krim oder eine Spaltung der Ukraine sind weitere potentielle Gefahren: Der Westen der Ukraine ist nach Osteuropa orientiert, der Osten der Ukraine nach Russland.
Schlimmer noch: Eine Aufnahme von Georgien und/oder der Ukraine würde die Gefahr eines möglichen Krieges mit Russland erhöhen.
@Yioun
Die NATO steckt im Grunde genommen in einer Krise. Mit dem Ende des Warschauer Paktes hat sie ihre ursprüngliche Aufgabe verloren. Und was macht ein System, das in einer Krise steckt? Es wird versuchten, sich auszudehnen.
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Grundsätzlich ja, aber die Ukraine und Georgien könnten wie bereits erwähnt Probleme mit Russland verursachen. Dazu kommt noch der Konflikt Georgiens mit seinen abtrünnigen Republiken und der „defekten Demokratie“, bei einer nächsten Erweiterung würde ich daher Georgien ausschließen. Die Ablehnung der Nato-Mitgliedschaft durch einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung in der Ukraine würde wahrscheinlich zu gewaltsamen Demonstrationen führen, an einen Bürgerkrieg oder sogar eine militärische Intervention Russlands glaube ich allerdings nicht. Das sind meiner Meinung nach die Hauptproblempunkte einer Erweiterung.
Die Probleme in den Balkanstaaten lassen sich da vergleichsweise einfach beheben.
Eine Spaltung zwischen USA und Europa in der Nato? Nein, selbst die europäischen Nato-Mitglieder sind geteilter Meinung.
Tja, die Frage nach der Zukunft der Nato ist schwer zu beantworten. Die Probleme in Afghanistan sind aber zum Teil auch von Staaten wie Deutschland hausgemacht (z. B. war Deutschland ja Führungsnation für den Polizeiaufbau und hat diesen gründlich in den Sand gesetzt).
PS: Ich sehe keine Gefahr für Russland in einer Nato-Erweiterung um die Ukraine, solange Putin nicht plant in Europa einzumarschieren
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Man sollte aber nicht die Sprengkraft unterschätzen, die der griechisch-mazedonische Sonderkonflikt für den NATO-Gipfel nächste Woche in Bukarest haben könnte. Hier stellen sich die Griechen scheinbar absolut quer und versuchen hier ihre Partikularinteressen ohne Rücksicht auf außenpolitische Verluste und Befindlichkeiten durchzudrücken. Schließlich braucht man für eine Erweiterung alle Stimmen der jetzigen Mitglieder und das griechische Veto im Falle das Namensstreites mit Mazedonien könnte als Sonderthema schnell die anderen, grundsätzlicheren Fragen überschatten.
Allerdings sollte sowohl der Beitritt Albaniens, als auch Kroatiens mehr oder minder Formsache sein.
Einige europäische Staaten sind wohl nicht gerade auf neue Mitglieder erpicht, aber angesichts des Schmusekurses, den selbst der traditionelle amerikanische Widerpart in der NATO, Frankreich, fährt, sollte da nichts schiefgehen.
Bleiben wir aber bei der Erweiterung: Ich würde parabellum darin zustimmen, Tigers Behauptung von der Spaltung der NATO zwischen USA und Europa nicht zuzustimmen. Dass Europa in allen Fragen mit einer Stimme spricht, ist weiter ein Traum. Gerade die Ostmitteleuropäer sind einer weiteren Erweiterung sehr aufgeschlossen, hier besonders die Polen. Das hat aber nicht sonderlich viel mit eine vorauseilenden Gehorsamkeit gegenüber den USA zu tun, sondern viel eher mit ihrer Feindschaft und ihren Interessen wider Russland. Im Fall der Ukraine hatte beispielsweise schon in den 90er Jahren Polen immer wieder darum geworben, sowohl atlantisch, als auch europäisch sich stärker um die Ukraine zu bemühen. Man darf eben dabei nicht vergessen, dass bis vor gut 240 Jahren die polnisch-russische Grenze quer durch die Ukraine ging beispielsweise und hier versucht wird, historische Geländegewinne Russlands in seinem politischen Einfluss wieder zurückzugewinnen, aber eben heute insgesamt für den Westen. Da steckt bei den Amerikanern, wie auch bei einigen Europäern eben ein anderes strategisches Verständnis hinter der Außenpolitik und der Erweiterungspolitik. Allerdings dürfte es angesichts der innenpolitischen Probleme in Georgien als auch in der Ukraine erstmal darum gehen, für diese Ländern gegen die zögernde Zurückhaltung der anderen Europäer (Deutschland, auch Frankreich) eine Perspektive zu öffnen.
Zur strategischen Ausrichtung der NATO dann mal später ein neuer Kommenatr von mir
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Sowohl bei der Ukraine wie auch bei Georgien habe ich Probleme.
Eine NATO-Erweiterung müsste nach meinem Verständnis zumindest zur höheren Sicherheit der Aufnahmeländer und für die bisherigen NATO-Mitglieder überwiegend von Vorteil sein. Zumindest müssten die Vorteile die damit einhergehenden Nachteile übersteigen.
Aus Sicherheitsgründen erscheint mir die Aufnahme der beiden Staaten nicht notwendig. Beide Staaten werden nicht unmittelbar von einem übermächtigen Gegner bedroht, der nur durch ein entsprechendes Bündnis von einem Angriff abgehalten werden könnte.
Ganz im Gegenteil:
Bei der Auflösung der Sowjetunion wurde den Russen signalisiert, dass dies nicht durch die NATO ausgenützt würde - kein NATO-Soldat östlich der Oder-Neisse-Linie, war damals wohl die (mündliche) Zusage.
Tatsächlich ist inzwischen die NATO weit nach Osten ausgedehnt - bis hin zu Kampfverbändenin von NATO-Staaten in Afghanistan.
Eine weitere Ausdehnung würde nicht die Sicherheit erhöhen sondern wegen des damit einhergehenden Vertrauensverlustes sogar ein Sicherheitsrisiko bedeuten.
Vorteile sehe ich für die NATO nicht - welcher Vorteil soll eine Osterweiterung in "unsicheres Gebiet" sein?
Die Ukraine ist (auch) in diesem Punkt ein "zerrissenes Land".
Ich kann mir nicht vorstellen, dass etwa die Marine-Soldaten aus Sewastopol, die mi ihren Schiffen direkt neben der russischen Schwarzmeerflotte liegen und jahrzehntelang mit den Russen gemeinsam die Kojen geteilt haben
plötzlich mit großer Freude in ein Militärbündnis ziehen, das auch als Gegenpol zur russischen Marine zu verstehen ist.
Letzendlich wird sich der "russisch geprägte Osten" des Landes (ob von Moskau initiiert und gesteuert oder nicht) einer solchen Trennung von Russland massiv widersetzen. Ob das - auch im Konfliktfall - dann ein "so guter Verbündeter" ist, wage ich zu bezweifeln.
Georgien hat dagegen zwei seperatistische Regionen, die von Russland mehr oder weniger indirekt nterstützt und gefördert werden. Ich befürchte, dass die NATO mit Georgien in den Kaukasus-Konflikt einbezogen wird. Und damit bin ich schon beim nächsten Punkt:
Dagegen überwiegen aus meiner Sicht auch die Nachteile für die NATO-Staaten.
Den "Vertrauensverlust", der letztendlich destabilisierend wirkt, habe ich schon genannt.
Aber es gibt auch ganz konkrete Bedenken.
Auch wenn man ins Kalkül zieht, dass Russland und die zentralasiatischen Staaten kein Interesse an einem Wiedererstarken der Taliban in Afghanistan haben - der "Nachschub" führt nunmal vor allem für die im Norden Afghanistans stationierten Verbände der NATO über Russland und die anderen SCO-Staaten (oder Iran oder das unsichere Pakistan), und diese Staaten haben es damit in der Hand, die Versorgung der NATO-Truppen zu behindern, Versorgungs- und Rettungsflüge zu verzögern und und und
- im schlimmsten Fall soweit, dass ein "Obsiegen der Taliban" gerade noch verhindert werden könnte, aber die NATO-Staaten in Afghanistan in einen lang dauernden Abnützungs- und Zermürbungskrieg verwickelt werden.
"Wenn zwei sich streiten ..." könnte Russland der lachende Dritte sein.
Ist es wirklich notwendig, das Risiko auf sich zu nehmen - und die Russen zu provozieren?
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Mal wieder eine Meldung der Tagesschau:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesschau.de/ausland/natogipfel6.html">http://www.tagesschau.de/ausland/natogipfel6.html</a><!-- m -->
Zitat:Gipfeltreffen in Bukarest
Georgien und die Ukraine spalten die Nato
Auf dem Nato-Gipfel werden die Mitgliedsstaaten vor allem über das Tempo und die Aspiranten einer Erweiterung streiten. Die USA machen sich weiter für eine schnelle Einbeziehung Georgiens und der Ukraine stark - und stoßen damit bei Angela Merkel auf wenig Gegenliebe.
...
und dazu ein ergänzendes Thema:
Zitat:Griechenland könnte Mazedonien-Beitritt verhindern
Bereits jetzt könnten drei Balkan-Länder eine Einladung in die Nato bekommen - Kroatien, Albanien und Mazedonien. An sich ist das unumstritten. Wenn es da nicht einen Streit zwischen Griechenland und Mazedonien gäbe, der auf alle anderen Beteiligten zunehmend absurd wirkt. Mazedonien darf nicht unter dem derzeitigen Namen in das Bündnis aufgenommen werden, sagen die Griechen, da bereits eine Region im Norden Griechenlands so genannt werde. Bisher scheinen die Griechen wild entschlossen, den Beitritt Mazedoniens zur Nato an dieser Frage platzen zu lassen.
....
Stand: 02.04.2008 18:37 Uhr
wie absurd kann man sein?
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Inzwischen haben die Politiker ja entschieden:
<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.tagesschau.de/ausland/natogipfel12.html">http://www.tagesschau.de/ausland/natogipfel12.html</a><!-- m -->
Zitat:Nato-Gipfel in Bukarest
Korb für Ukraine, Georgien und Mazedonien
Der Nato-Gipfel in Bukarest hat den Weg für eine Aufnahme Kroatiens und Albaniens freigemacht. Das Bündnis will nun eine Einladung an die beiden Länder aussprechen. Verschoben wurde eine Entscheidung über den Beitritt Mazedoniens. Auch Georgien und die Ukraine können so bald nicht mit einer Mitgliedschaft rechnen. ...
Stand: 03.04.2008 03:24 Uhr
daher besteht für diesen Thread wohl zunächst kein weiterer Bedarf mehr;
eine " Allgemeine Diskussion" können wir dann unter NATO fortführen
<!-- l --><a class="postlink-local" href="http://forum-sicherheitspolitik.org/viewtopic.php?t=608">viewtopic.php?t=608</a><!-- l -->
Eine speziele Diskussion, wie sich die Entscheidung auf das Verhältnis zwischen USA und EU auswirken wird, können wir hier:
Entfremdung in der Nato - der große Graben
<!-- l --><a class="postlink-local" href="http://forum-sicherheitspolitik.org/viewtopic.php?t=1623&start=75&postdays=0&postorder=asc&highlight=">viewtopic.php?t=1623&start=75&postdays=0&postorder=asc&highlight=</a><!-- l -->
fortführen.
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