Mal wieder ein wenig Futter:
Fehler in der Julikrise:
Österreich sollte als Agent Provokateur eingesetzt werden ohne daß Österreich dazu in der Lage wäre die Anforderungen zu erfüllen
Annahme des Ultimatums durch Serbien
Bewußte Verschärfung der Situation bis die militärischen Zwänge das politische Kalkül beiseite fegten
Das Bremsmanöver Bethmann Hollwegs (28.07.1914)
• Halt in Belgrad: Österreich solle sich mit der Besetzung Belgrads als eines Faustpfandes zufrieden geben
• Empfehlung, schnellstens Verhandlungen mit Rußland aufzunehmen
• Um den italienischen Dreibundpartner bei der Stange zu halten, der sofort erklärt hatte, daß er das Vorgehen Wiens gegenüber Serbien mißbillige, schlug er Wien vergeblich vor, die italienischen Irredentabestrebungen durch die Abtretung Südtirols zu befriedigen
• Die Weltbrandtelegramme (30.7.) nach Wien: Wir sind zwar bereit unsere Bündnispflicht zu erfüllen, müssen es aber ablehnen uns von Wien leichtfertig und ohne Beachtung unserer Ratschläge in einen Weltbrand hineinziehen zu lassen. Auch in italienischer Frage scheint Wien unserer Ratschläge zu mißachten.
Die militärischen Zwänge wischen politische Hoffnungen beiseite, Hollweg sagt: Der Stein ist ins Rollen gekommen. Der Eisenbahnknotenpunkt von Lüttich muß intakt in Deutsche Hände fallen. Moltke bestellt den Militärattaché Österreichs zu sich und sagt Hollwegs „Halt in Belgrad“ sei hinfällig. Man werde voll Mobilmachen sobald Wien gegen Rußland mobil macht. Er rät auch sich auf keinerlei Vermittlungsversuche einzulassen. In Wien kommt es zu dem Kommentar: „Wer regiert in Berlin? Hollweg oder Moltke?“
Der ungarische Ministerpräsident ??? erteilt Hollwegs Vorschlägen eine Absage und vertritt die Ansicht sich nicht nur mit dem Faustpfand Belgrad zufrieden zu geben. Am Abend des 30. Juli gibt Hollweg seinen Widerstand gegen die Militärs auf. Die russische Mobilmachung ist offensichtlich keine Teilmobilmachung sondern eine Generalmobilmachung. Noch am 30. Juli einigen sich Moltke, Hollweg und Falkenheim darauf ungeachtet genauer Informationen den Status drohender Kriegsgefahr zu proklamieren und damit die Generalmobilmachung zu verfügen. Hollweg hofft währenddessen daß die inoffiziellen Angaben über eine Generalmobilmachung sich bestätigen werden damit er es an die Presse weitergeben kann. Vor Mitternacht kommt von der deutschen Botschaft in St. Petersburg die Nachricht daß schon vor einem Tag Rußland die Generalmobilmachung verfügt habe. Damit ist nicht Deutschland schuld. Hollweg gibt ein auf 12 Stunden befristetes Ultimatum an Rußland aus die Mobilmachung rückgängig zu machen, ansonsten betrachte man sich als im Kriegszustand. Da keine Antwort erfolgt, erfolgt die Kriegserklärung an Rußland am Abend des 1. August.
AN Frankreich wurde schon am 31. Juli die Anfrage gestellt wie es sich bei einem Krieg mit Rußland verhalten würde. Frankreichs Antwort ist nichtssagend: Man würde sich gemäß den eigenen Interessen verhandeln. Der deutsche Botschafter wird angewiesen die Zwei Festungen von Verdun und Tour zu verlangen. Da die Ablehnung Frankreichs erwartet wird kann somit der Schlieffenplan anlaufen. Am 3. August erfolgt dann auch die Kriegserklärung an Frankreich. Schon am 1. August sollten deutsche Truppen in Luxemburg einmarschieren um sich die dortige Eisenbahnen zu sichern. In einem Telegramm aus London am 1. August steht, daß England neutral bleiben wird und auch die Neutralität Frankreichs wenn Deutschland von einem Angriff auf Frankreich absehe. Der Kaiser stürzte sich auf diesen Freibrief auf einen Einfrontenkrieg. Moltke hingegen sagt, daß dies nicht möglich sei und schafft es den Kaiser umzustimmen. Die Einnahme des Eisenbahnknotenpunkts in Luxemburg, dessen Neutralität garantiert war sollte somit aufgehalten werden.
In der Folge wird ein Antworttelegramm an Landon geschickt, das besagt daß die Mobilisierung gegen Frankreich nicht mehr aufgehalten werden kann.
Einmarsch Deutscher Truppen am 3. August ins neutrale Belgien. Schon am 1. August machte England seine ganze Flotte Mobil. Nach der Flottenkonvention würde England den Schutz der französischen Küste garantieren. Erst die Verletzung der belgischen Neutralität macht es Grey möglich die Widerstände gegen einen Kriegseintritt zu überwinden. Am 4. August überreicht Bethmann Hollweg ein auf 24 Stunden befristetes Ultimatum mit dem Inhalt der Achtung der belgischen Neutralität und dem Rückzug aus Belgien. Hollweg sagt bei der Überreichung des Ultimatums daß seine Politik wie ein Kartenhaus zusammengebrochen sei, die Verletzung der belgischen Neutralität jedoch nur ein Fetzen Papier sei. Dies wird zur Basis der Kriegsschuld.
Von den Bundesgenossen Deutschlands bleiben 2 Neutral: Italien und Rumänien Italien erklärt Österreich sei der Angreifer, womit der Bündnisfall nicht gegeben sei. Immerhin gelingt es die Türkei am 2. August 1914 ins Bündnis zu holen. Auch Bulgarien wird am 6. September mit Territorialversprechen auf Kostens Rumäniens und Serbiens auf die Seite der Mittelmächte. Montenegro tritt auf Serbischer Seite in den Krieg ein.
Hätte der Krieg verhindert werden können?
Hollweg spricht von einem Fatum größer als Menschenmacht:
Es sprechen jedoch Vier Punkte gegen ein unabwendbares Schicksal:
1. Es führt kein Weg daran vorbei, daß die Deutsche Risikopolitik die Krise angestoßen und verschärft hat. Die anderen Mächte Österreich-Ungarn, Frankreich und Rußland haben dafür gesorgt daß die Deutsche Kriegslokomotive unter Dampf blieb. Die Deutsche Verantwortung liegt im fahrlässigen Handeln ohne Kontrolle über das Ergebnis die Dinge laufen zu lassen bis es zu spät war. Man spielte damit wissentlich mit dem Feuer
2. Der stellvertretenden französische Außenminister sagte gegenüber dem deutschen Botschafter am 28. Juli folgenden Satz: „Das beste Mittel zur Verhinderung eines allgemeinen Krieges ist die Verhinderung eines lokalen Krieges“. Das bedeutet Österreich muß auf den Krieg gegen Serbien verzichten zu dem es von Deutschland gedrängt wurde. Ansonsten könnte Rußland ohne Gesichtverlust nicht mehr zurückstecken. Deutschland war jedoch nicht zu einem Zurückweichen bereit. Dieser Preis wäre allerdings zu hoch gewesen für die Deutsche Politik. Wenn die Politik jedoch so verfahren ist, dann liegt die Wurzel weit vorher, bei den Nachfolgern Bismarcks. Das billige Inkaufnehmen des Krieges durch Deutschland war der entscheidende Fehler. Die Versuchung den gordischen Knoten mit Gewalt zu zerschlagen war der Fehler
3. Man ist sich durchaus von vornherein darüber im klaren auf welch riskantes Spiel man sich einläßt. Der Direktor der Deutschen Bank unterhält sich mit Admiral von Kapelle Ende August 1914: „In Berlin hat man planmäßig darauf hingearbeitet Österreich zu engagieren um sich sicher zu sein. Man wollte mit Rußland wie in der bosnischen Krise verfahren und hat sich dabei geirrt.“ Den Weltkrieg wie einen Platzregen zu sehen ist kindisch, man habe ihn selbst herbeigeführt. Man war sich darüber klar daß der Krieg kommen würde, man war jedoch jetzt in einer besseren Situation als man es in Zwei Jahren gewesen wäre. Hollweg bestätigt gegenüber einem Abgeordneten daß der Krieg ein Präventivkrieg gewesen sei. Nun sei er noch möglich gewesen ohne zu unterliegen, in zwei Jahren jedoch nicht mehr. Es waren also keine Dilettanten am Werk.
4. Das Problem gewinnt eine viel tiefere Dimension wenn man die Frage nicht nach der Verantwortung für den Krieg sondern nach der Friedenswilligkeit stellt. Es verzichtete keine einzige Macht auf eskalierende Schritte. Keine Macht wirkte besänftigend auf seine Bundesgenossen. Keine Macht wagte den Schritt sich von den Bündnissen frei zu machen und die eigenen Ziele zu vertreten um den Frieden zu sichern.
Augusterlebnis:
Mit Beginn des Weltkrieges verbindet sich ja beis heute die Vorstellung eines Nationalen Erweckungserlebnisses. Dafür sprechen die Photographien der jubelnden Menschen. Dafür sprechen auch 260.000 Freiwillige, die hymnischen Lobpreisungen durch die Dichter und die allgemeine Erwartung man sei wieder zu Hause bevor das erste Herbstlaub fällt.
Bei näherem Hinsehen zeigt sich, daß dieses Bild einer allgemeinen Kriegsbegeisterung nicht stimmig und richtig ist. Die Reaktion fiel je nach gesellschaftlicher Schicht ganz unterschiedlich aus. Die allgemeine Kriegsbegeisterung wie wir sie kennen ist im Bildungsbürgertum, bei den Intellektuellen und Schriftstellern zu finden. Bei dieser Schicht kommt viel zusammen: Die Unzufriedenheit mit der Verkrustung der Wilhelminischen Gesellschaft, die Sattouriertheit mit der bürgerlichen Zufriedenheit und der langen Friedenszeit sowie die Wunsch nach der Reinigung der Gesellschaft durch den Krieg.
Eine weiter Schicht die sich der Begeisterung hingibt sind die deutschen Juden. Sie hoffen sich mit dem bedingungslosen Einsatz als volle Deutsche qualifizieren zu können.
Ganz anders wird der Kriegsausbruch in den ländlichen Gegenden und bei den Arbeitern aufgefaßt. Hier ist keine Begeisterung zu spüren. Für die meisten Bauern und Landarbeiter war der Kriegsbeginn ein Schritt in eine ungewisse Zukunft und ein Schritt in eine gemeinsame Zukunft. Auch in der Arbeiterschaft gibt es keine Begeisterung für den Krieg. Von einer allgemeinen Kriegsbegeisterung kann also keine Rede sein, es herrschen Resignation, Niedergeschlagenheit und Verzweiflung.
Erst nach der Zustimmung der SPD Reichstagsfraktion am 4. August und angesichts der Siegesmeldungen im Westen schlägt die Stimmung um. Anfang September als der Deutsche Vormarsch unwiderstehlich scheint berichtet der Berliner Polizeichef von einer Begeisterung der Leute, die kurz zuvor noch die Internationale gesungen haben
Massenhysterie:
„Spionitis“ Jeder der sich seltsam verhält oder fremd aussieht gerät in den Verdacht ein feindlicher Spion zu sein. Nicht selten werden harmlose Passanten von aufgebrachten Bürgern krankenhausreif geschlagen.
Hassgesänge und Spottgesänge auf allen Seiten: Gesinnungsterror der all jene trifft die es wagen eine andere als die offizielle Meinung zu vertreten.
Der Innere Burgfriede:
4. August: In einer Sitzung des Reichstags wird der innere Burgfriede förmlich beschlossen. Alle Parteien bekunden ungeachtet aller Differenzen in dem Deutschland aufgezwungenen Krieges zusammen zu stehen. Das ist die Reaktion auf Wilhelm II. Ansprache, nach der er nur noch Deutsche, keine Parteien mehr kenne. Schon am 3. August gibt es in der Reichstagsfraktion mit 78 gegen 14 Stimmen wonach die SPD für die Kriegskredite stimmt. In der Erklärung des Parteivorsitzenden Hugo Hase steht, daß man in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich lasse. Der Führer der Parteirechten notiert von dem ungeheuren Jubel im Reichstag, als sich die SPD zur Zustimmung erhebt.
Gründe für die Zustimmung der SPD:
1. Der historische Positionswechsel der SPD zeichnete sich schon lange vor dem Kriegsbeginn ab. Sie ist spätestens seit der Jahrhundertwende in das gesellschaftliche System des Kaiserreichs hineingewachsen und hat eine Loyalität zum Kaiserstaat entwickelt.
2. Es besteht in der Partei breiter Konsens daß man sich im Verteidigungsfall nicht verweigern darf um endlich aus dem Geruch der Vaterlandslosen Gesellen herauszukommen. Nur so kann man die politische und gesellschaftliche Anerkennung erlangen.
3. Es geht gegen das verhaßte zaristische Rußland, einem Hort von Reaktion und Barbarei in den Augen der SPD.