21.07.2008, 21:17
Ich wäre vorsichtig, alle historisch entwickelten Unterschiede per se als "kulturell" zu bezeichnen und vor allem in Wirtschaftsfragen kann man andere Bezeichnungen verwenden, sprich man kann genauer erklären, was die Unterschiede sind. Kulturell als Attribut bedeutet immer alles und nichts, Kultur als Begriff ist sehr schwammig und daher verwende ich diesen Begriff nicht so so gern so häufig. Vor allem denke ich aber, dass die hier zu Tage tretenden Politikansätze und Strategien nicht unbedingt eine Frage der Kultur sind, sondern und vor allem eine Frage von Macht, institutionellem Design, Geschichte und Leitsätzen.
Gerade wenn man sich anschaut, welche Policy, sprich welcher Politikansatz von einer Zentralbank verfolgt werden soll, kann man nicht ohne weiteres eine klare Trennung zwischen den USA und Europa ziehen.
Die eher restriktive Politik der EZB erklärt sich vor allem dadurch, dass die Grundlinien deutscher Geldpolitik, die bei der Deutschen Bundesbank in Stein gemeiselt waren, auch auf die EZB übertragen wurden. Dies war sozusagen die conditio sine qua non, die Grundbedingung des damaligen dtsch. Kanzlers Kohl für die Aufgabe der DM und die Einführung des Euro. Die EZB musste sich an der in Deutschland historisch enorm als wichtig erachteten Geldwertstabilität orientieren (da bezieht sich der Artikel ganz richtig auf die traumatisch empfundenen Hyperinflationen 1923 und nach 1945). Die EZB erhielt als erste, primäre Aufgabe die Niederhaltung der Inflation und die Geldwertstabilität in die europäischen Verträge zu ihrer Gründung hineingeschrieben.
Daher muss die EZB allein schon rechtlich diese restriktive Politik fahren, allerdings ist diese eben in Europa nicht unumstritten. Fast alle Jahre wieder kommen insbesondere aus Frankreich, aber auch von Mister Europa, Herrn Juncker, immer wieder Versuche bzw. Vorschläge und Forderungen, diese restriktive Geldpolitik zu torpedieren und aufzugeben und die EZB auch mehr Verantwortung für wirtschaftliches Wachstum tragen zu lassen.
In meinen Augen sind daher diese Unterschiede nicht einfach kulturell, sondern sie sind komplexer Ausdruck unterschiedlicher politischer und wirtschaftlicher Gegebenheiten.
Allerdings reicht auch diese Erklärung nicht wirklich aus. Daher muss man sich noch zwei Dinge in Erinnerung rufen:
1.) In Europa ist die Finanzbranche und die dort zirkulierenden Summen nicht so groß wie in den USA.
und
2.) Die USA weisen eine ganz andere "Struktur und Ausrichtung der Finanzströme" als die USA.
Und mit dem zweiten Punkt komme ich auch schon auf deine Einwände zu sprechen.
Ich möchte dabei auch übrigens mein Argument präzisieren: Ich sage nicht, dass der Irakkrieg unbedeutend war für die Probleme am Finanzmarkt, aber der Irakkrieg war eben nur eine Ursache unter vielen bzw. machte nur 20 oder 30% letztlich aus (so auch Studien aus den USA). Wichtig ist vor allem, dass du bedenkst, dass die USA nicht nur ein Defizit hatte - nicht nur das Haushaltsdefizit erhöht die Nachfrage nach Krediten und damit den Druck im Finanzsystem bei zu niedrig bemessenen Zinsen. Die USA haben und hatten vor allem in den Hohenflügen der Wirtschaft ein riesiges Handelsdefizit, dass sich in den letzten Jahren des Booms noch weiter verschärft hatte. Die USA sind der Konsumtempel der Erde, sie sind der Markt für die Produkte aus Europa und Asien und die Amerikaner konsumieren eben diese Produkte.
Doch woher stammt das Kapital für diese riesigen Konsumquoten und Konsumausgaben?
Sie stammen aus Krediten, aus billigen Krediten, die sich über Spekulationsblasen verschiedenster Herkunft finanzieren. Zudem fließt ja auch immer wieder neues ausländisches Kapital in die US-Wirtschaft aufgrund der stetig stiegenden Kurse (Grund: Zins und Kurse sind "disproportional"). Daher wurde immer neues Kapital in den Markt gepumpt, immer neues Kapital wurde "erschaffen". Die Blase musste platzen und die Folgen wären letztlich immer dieselben gewesen. Das ganze war schon seit den Tagen besiegelt, an denen die FED neues Kapital in den Markt pumpte mit niedrigen Zinsen, um die Anfang des Jahrzehnts geplatzte "new economy" und "Neuer Markt"-Blase zu "reparieren". Schon da wurde der Grundstein gelegt für das jetzige Desaster. Nimmt man dann noch den horrenden Spekulationswahn im US-Finanzsystem, den "Konsumwahn" der Amerikaner und die damit verbundenen sich verschärfenden Ungleichgewichte, so musste das bittere Ende früher oder später kommen. Die horrenden Kosten des Irakkrieges waren da letztlich nur ein Posten unter mehreren horrenden Problemen. Sicher kein unwichtiger, aber sicher nicht der entscheidende, so zumindest mein Eindruck und ich hab immer wieder zu diesen Themen Spon gelesen, hin und wieder aber auch Krugman bei der New York Times...
Gerade wenn man sich anschaut, welche Policy, sprich welcher Politikansatz von einer Zentralbank verfolgt werden soll, kann man nicht ohne weiteres eine klare Trennung zwischen den USA und Europa ziehen.
Die eher restriktive Politik der EZB erklärt sich vor allem dadurch, dass die Grundlinien deutscher Geldpolitik, die bei der Deutschen Bundesbank in Stein gemeiselt waren, auch auf die EZB übertragen wurden. Dies war sozusagen die conditio sine qua non, die Grundbedingung des damaligen dtsch. Kanzlers Kohl für die Aufgabe der DM und die Einführung des Euro. Die EZB musste sich an der in Deutschland historisch enorm als wichtig erachteten Geldwertstabilität orientieren (da bezieht sich der Artikel ganz richtig auf die traumatisch empfundenen Hyperinflationen 1923 und nach 1945). Die EZB erhielt als erste, primäre Aufgabe die Niederhaltung der Inflation und die Geldwertstabilität in die europäischen Verträge zu ihrer Gründung hineingeschrieben.
Daher muss die EZB allein schon rechtlich diese restriktive Politik fahren, allerdings ist diese eben in Europa nicht unumstritten. Fast alle Jahre wieder kommen insbesondere aus Frankreich, aber auch von Mister Europa, Herrn Juncker, immer wieder Versuche bzw. Vorschläge und Forderungen, diese restriktive Geldpolitik zu torpedieren und aufzugeben und die EZB auch mehr Verantwortung für wirtschaftliches Wachstum tragen zu lassen.
In meinen Augen sind daher diese Unterschiede nicht einfach kulturell, sondern sie sind komplexer Ausdruck unterschiedlicher politischer und wirtschaftlicher Gegebenheiten.
Allerdings reicht auch diese Erklärung nicht wirklich aus. Daher muss man sich noch zwei Dinge in Erinnerung rufen:
1.) In Europa ist die Finanzbranche und die dort zirkulierenden Summen nicht so groß wie in den USA.
und
2.) Die USA weisen eine ganz andere "Struktur und Ausrichtung der Finanzströme" als die USA.
Und mit dem zweiten Punkt komme ich auch schon auf deine Einwände zu sprechen.
Ich möchte dabei auch übrigens mein Argument präzisieren: Ich sage nicht, dass der Irakkrieg unbedeutend war für die Probleme am Finanzmarkt, aber der Irakkrieg war eben nur eine Ursache unter vielen bzw. machte nur 20 oder 30% letztlich aus (so auch Studien aus den USA). Wichtig ist vor allem, dass du bedenkst, dass die USA nicht nur ein Defizit hatte - nicht nur das Haushaltsdefizit erhöht die Nachfrage nach Krediten und damit den Druck im Finanzsystem bei zu niedrig bemessenen Zinsen. Die USA haben und hatten vor allem in den Hohenflügen der Wirtschaft ein riesiges Handelsdefizit, dass sich in den letzten Jahren des Booms noch weiter verschärft hatte. Die USA sind der Konsumtempel der Erde, sie sind der Markt für die Produkte aus Europa und Asien und die Amerikaner konsumieren eben diese Produkte.
Doch woher stammt das Kapital für diese riesigen Konsumquoten und Konsumausgaben?
Sie stammen aus Krediten, aus billigen Krediten, die sich über Spekulationsblasen verschiedenster Herkunft finanzieren. Zudem fließt ja auch immer wieder neues ausländisches Kapital in die US-Wirtschaft aufgrund der stetig stiegenden Kurse (Grund: Zins und Kurse sind "disproportional"). Daher wurde immer neues Kapital in den Markt gepumpt, immer neues Kapital wurde "erschaffen". Die Blase musste platzen und die Folgen wären letztlich immer dieselben gewesen. Das ganze war schon seit den Tagen besiegelt, an denen die FED neues Kapital in den Markt pumpte mit niedrigen Zinsen, um die Anfang des Jahrzehnts geplatzte "new economy" und "Neuer Markt"-Blase zu "reparieren". Schon da wurde der Grundstein gelegt für das jetzige Desaster. Nimmt man dann noch den horrenden Spekulationswahn im US-Finanzsystem, den "Konsumwahn" der Amerikaner und die damit verbundenen sich verschärfenden Ungleichgewichte, so musste das bittere Ende früher oder später kommen. Die horrenden Kosten des Irakkrieges waren da letztlich nur ein Posten unter mehreren horrenden Problemen. Sicher kein unwichtiger, aber sicher nicht der entscheidende, so zumindest mein Eindruck und ich hab immer wieder zu diesen Themen Spon gelesen, hin und wieder aber auch Krugman bei der New York Times...