Entfremdung in der Nato - der große Graben
Meiner Ansicht nach war die amerikanisch-polnische Einigung schon abzusehen, bevor der Georgien-Konflikt begann (auch wenn die beschleunigte Abwicklung sicher dem Krieg zuzuschreiben ist). Die polnischen Forderungen, gerade auch nach Patriot-Systemen, wurden in Washington zwar teils mit Unwillen quittiert, aber letztlich war es abzusehen, dass es zu dieser Einigung kommt, auch weil die Stationierung für das Raketenabwehrsystem einfach notwendig ist und die Amerikaner sicher nicht an einigen Patriot-Raketen das ganze, milliardenschwere Abwehrprogramm herumschaukeln wollten. Der Krieg in Georgien hat den Abschluss der Verhandlungen insofern höchstens beschleunigt.

Der letzte Satz ist tatsächlich interessant. Er zeigt aber zugleich auch die polnische Urangst vor den Machthabern im Kreml und ist – historisch betrachtet – verständlich.

Thomas Wach schrieb:
Zitat: Und was übrigens die Zerstrittenheit der NATO angeht: Nun, die wird bleiben, ganz einfach. Solange die einzelnen Fraktionen auf ihrer Sicht beharren wird das eben nichts. Und die Positionen zu Russland sind eben sehr unterschiedlich. Wie dies sich entwickeln wird, weiß ich nicht. Aber dies hängt, wie gesagt, stark an Russland...
Ich bin mir gar nicht so sicher, ob sie bleiben wird. Wenn sich in Russland die derzeitigen Tendenzen in Richtung einer Wiederherstellung des alten Imperiums manifestieren, so könnte es auch sein, dass es gerade Russland ist, das die Zerstrittenheit innerhalb der NATO abklingen lässt und die NATO-Staaten wieder eint – angesichts eines bedrohlich wirkenden, skrupellosen Staates im Osten. Und das wäre dann genau das Gegenteil von dem, was sich die Russen wünschen würden. Dann gäbe es vielleicht kein Frankreich und kein Deutschland mehr, die z. B. bei der NATO-Option für Georgien eine ablehnende Haltung eingenommen hätten. Dann kann es gut sein, dass die NATO geschlossen zustimmt.

Erich schrieb:
Zitat: Danach ist Georgien deutlich "übermilitarisiert". [...]Georgien hat im Verhältnis zu seiner Wirtschaftskraft zu viel in das Militär investiert.
Mag sein. Nur muss man auch fragen, weshalb dies so ist. Hätte Georgien keinen polternden Nachbarn Russland, der die georgischen Grenzen de facto kaum geachtet hat (sowohl bei Luftraumverletzungen als auch bei der Ausgabe von Reisepässen an die Bevölkerung in den abtrünnigen Provinzen), und keine bewaffneten, von Russland unterstützten Separatisten in eben jenen Provinzen, so würde der Militärhaushalt sicher niedriger sein. Aber einem Land mit einer demokratischen Regierung (zumindest weitestgehend, auch wenn es sicher grenzwertige innenpolitische Auseinandersetzungen gegeben hat), das von seinem weit überlegenen, autokratisch regierten und – in Machtfragen - skrupellosen Nachbarn im Norden ständig gegängelt wird, einen zu hohen Militärhaushalt vorzuhalten, ist meiner Meinung nach nicht ganz angebracht.
Zitat: Warum also das Aufrüstungsprogramm und der Selbstmordangriff auf Südossetien?
Im SPIEGEL von dieser Woche steht eine recht interessante Vorgeschichte zu dem Krieg. Im Grunde kann man sagen, dass von den Georgiern – in Unterschätzung des Gegners – geplant war, in einem 15-Stunden-Vormarsch Süd-Ossetien zu erobern und den Roki-Tunnel zu sperren. Warum die Georgier so übermütig waren und weshalb die Russen innerhalb von wenigen Stunden reagieren konnten, darüber steht mehr im Artikel. Interessant ist jedenfalls, wie gerade kurz nach der Kosovo-Anerkennung die Spannungen in Georgien rapide zugenommen haben. Es scheint, als wenn Russland gezielt provoziert und genügend eigene Streitkräfte in der Region zusammengezogen hat, um eine Situation – wie sie jetzt vorherrscht – herbeizuführen und um die Georgier in eine Falle laufen zu lassen/zum Angriff zu reizen, um dann a) dem Westen die Kosovo-Politik vorzuhalten (was auch gelungen ist, einige selbst im Forum hier bringen ja den Vgl. an) und b) in Georgien im Rahmen einer Erneuerung des eigenen Machtbereichs Fakten zu schaffen und c) den hitzköpfigen und ungeliebten Saakaschwili vorerst einmal abzuservieren.

Schneemann.
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