15.10.2008, 14:05
Zitat:Könntest Du diesen letzten Satz näher erläutern?
Ich interpretiere etwa den Georgienkonflikt so,
= dass die USA "im Spiel" letztendlich durch unverantwortliche verbale Signale wie eine "NATO-Aufnahme" oder das "nicht im Stich lassen von Freunden" und die entsprechende materielle Aufrüstung den Konflikt erst geschürt und gefördert haben
= während der Einsatz der EU mit Sarkozy den Georgien noch den Hintern gerettet hat.
Wer hätte also wo versagt?
So würde ich das ganze nicht sehen.
Der zugrunde liegende Konflikt, bzw. präziser formuliert, die beiden sich überschneidenden Konflikte Georgien versus Russland und Georgien versus sezessionsbestrebte Abchasien/Südossetien existieren so oder so. Und beide Konfliktmuster, intensiviert durch ihre Kopplung haben schon allein für genügend Problemstoff und Eskalationspotenzial gesorgt. Abchasen und Osseten fühlten sich erdrückt und in ihrer Existenz von den Georgiern bedroht, während insbesondere im Falle Abchasiens 200.000 georgische Flüchtlinge für die georgische Seite einen Reizpunkt darstellten.
Probleme gab es an den umstrittenen Grenzen mehr oder minder immer. Und die Bestrebung Saakaschwilis, Georgien wieder zu "einen" bestand auch nicht erst seit dem NATO Gipfel von Bukarest im Frühjahr. Er war 2003 dezidiert mit dieser Agenda angetreten und hatte 2004 im Falle Adchariens (einer weiteren separatistischen Provinz) aber schon für klare Verhältnisse gesorgt durch Einsatz des Militärs. Denn dort im Süden standen keine russische Truppen, dort konnte Saakaschwili seine politische Agenda auch durchsetzen. Und man sollte bei all dem letztlich nicht vergessen, dass territoriale Integrität und deren Verteidigung immer noch in der weltpolitischen Praxis der Normalfall ist.
Grundlegend bestand der Konflikt also schon, es fehlte also nur die auslösende Dynamik und damit der explosionstrebende Auslöser. Und jener war eben exogen, kam also von außen, durch die verschlechternden russ.-westlich(amerikanischen) Beziehungen. Hier kommt nun erst die von dir Erich hervorgehobene weltpolitische Ebene zum Tragen. Aber auch hier war es ein Zirkel, ein Sich-gegenseitig-aufschaukeln, dass nur im Rückgriff auf die sowieso bestehenden Spannungen in der Region wirkmächtig werden konnte. Putin verstärkte Truppen und Unterstützung für die Separististen und verstärkte damit den Druck auf Saakaschwili im Nachgang zur westlichen Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo und zum Bukarester NATO-Gipfel. Die Georgier ließen sich provozieren, wobei die Rolle der USA bestenfalls ambivalent war. Zum einen gab es offizielle Rückendeckung, zum anderen machte insbesondere Rice der georgischen Regierung immer wieder vertraulich deutlich, dass sie Ruhe bewahren muss und sich mäßigen muss. Dies machte die NYT in der Berichterstattung mehrfach deutlich. Die US-Regierung hat also unter der Hand Georgien durchaus zur Zurückhaltung aufgefordert, auch wenn einzelne in der Regierung (Cheney) hier sicherlich aus der Reihe fielen und mitprovozierten. Im Ganzen aber kann ich da keine sonderliche US-Neigung an und für einen Konflikt identifizieren. Neben den offiziellen, pro-forma Unterstützungen für Georgien gab es keine ernthafte Aufstachelung (von Cheney und seinen Getreuen mal abgesehen). Die USA hatte also bestenfalls einen widersprüchlichen Einfluß auf eine so oder so angespannte Situation in Georgien, bei der man die innenpolitischen Probleme auch bedenken muss. Saakschwili war alles andere als unumstritten, der verstärkte russische Druck, Grenzprobleme, Schierßereien usw. konnte er in seiner geschwächten und gereizten innenpolitischen Lage nicht tatenlos und unbeantwortet geschehen lassen, zumindest war das seine Einschätzung. Alles in allem sorgte wohl der verstärkte russische Druck in meinen Augen dafür, dass die Spannungen auf allen Seiten sich hochschraubten und dann letztlich sich in einem militärischen Showdown entluden.
Die Europäer haben bei allem nur desinteressiert zugeschaut; das war und ist mein Hauptvorwurf. Dieser "frozen conflict" sollte doch bitte schön auch weiter gefroren bleiben und die außenpolitische Agenda Europas ggeenüber Russlands bitte doch nicht komplizieren bei der ganzen Geschäftemacherei. Man wußte um die Probleme, ignorierte sie aber nur viel zu gerne (zumindest Deutsche, Franzosen usw...) und schwob die Georgier mit ihren für sie kaum lösbaren Probleme einfach weg. Positiv war dann, wenn auch zu spät, dass Europa im Konfliktfall handelte. Den Arsch retten die Europäer allerdings den Georgiern nicht, dafür war Europas Intervention auf diplomatischem Parkett zu zaghaft, zu zurückhaltend. Letztlich aber war das Grundproblem, dass (wie in so vielen anderen Fällen) an die latente Krise übersah und erst dann beim offenen Ausbruch dann erschrocken und zaghaft zu handeln begann (das kenn ich doch irgendwo her.... )
Die Amerikaner verhileten sich widersprüchlich und ebenso zaghaft, planlos und ob der auszehrenden Kämpfe in anderen Weltteilen auch kraftlos. Alles in allem keine gescheite Vorstellung, die die Risse und Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Administration über Russland (Rice versus Cheney) abbildete.
Die Russen verstärkten den Druck zur "passenden Zeit" und konnten so den lange schon vor sich hinschwelenden Konflikt neu intensivieren und mit neuem Leben füllen.
Die georgische Regieurng, bei all ihren Schwächen und verfehlten Agendaansetzungen ließ sich bereitwillig von der russischen Herausforderung zu einem Husarenstück hinreißen, der im Fiasko endete.
So sehe ich das.