15.08.2009, 19:38
Zitat: Die Spirale von Gewalt und Verbrechen im Nordkaukasus dreht sich unaufhaltsam weiter. Die kontrollierte Instabilität, von der Militärs, Geheimdienste und Warlords profitierten, scheint allmählich der russischen Kontrolle zu entgleiten.
Nach jedem spektakulären Mord an einem Menschenrechtler oder Journalisten verspricht Präsident Medwedjew, das Verbrechen aufzudecken, und nimmt die Ermittlung unter seine Kontrolle. Zuletzt im Falle der am Dienstag verschleppten und erschossenen Leiterin eines unabhängigen Kinderhilfswerks und ihres Mannes. In der Tat werden in Russland kaum Auftragsmorde an Menschenrechtlern und Journalisten, aber auch an Unternehmern oder Beamten aufgedeckt.
Bestenfalls zerrt man ein paar kleine Fische vor Gericht, wie im Fall Politkowskaja, während offensichtlich mächtige Kräfte im Hintergrund die Ermittlungen systematisch zu verhindern wissen. Nicht ohne Grund vermutet man diese Kräfte im Sicherheitsapparat. Denn allein die inzwischen weitgehend privatisierten und korrumpierten Sicherheitsdienste sind imstande, die Auftragsgeber zu decken oder selbst als Auftragsgeber aufzutreten. Umso einfacher scheint es, ein „Problem“ im Kaukasus zu lösen, in dem Banditismus und Geschäft, Blutrache und Terrorismus ineinander übergehen. Und auch in anderen kaukasischen Republiken werden tagtäglich Unternehmer, Staatsbeamte und einfache Bürger verschleppt, gefoltert und ermordet.
Präsident Medwedjew erscheint hilflos
Diese Entwicklung ist zum großen Teil Folge der Moskauer Kaukasus-Politik unter Putin. Nach den blutigen Tschetschenienkriegen setzte sich im Kreml die Vorstellung durch, man sollte ethnische Konflikte „tschetschenisieren“. Wenn die regionalen Eliten auf Separatismus verzichten und Moskau ihre Loyalität zollen, dürfen sie in ihren Domänen wie mittelalterliche Despoten schalten und von Transfergeldern profitieren. Am üppigen Tribut sind auch die Moskauer Gönner der privilegierten kaukasischen Staatshalter beteiligt. Daher rührt die Straflosigkeit Kadyrows. Da er einen Teil der Subventionen in den Wiederaufbau der Republik investiert, bezeugen ihm sogar russische Liberale Respekt. Beobachter glauben inzwischen, dass der Kreml stärker von Kadyrow abhängig ist als umgekehrt: Der Schwanz wedelt mit dem Hund. Es wird kolportiert, dass Kadyrow sich nicht scheue, seine persönlichen Fehden auf den Moskauer Straßen auszutragen; seine lange Hand reiche bis nach Saudi-Arabien. Die Menschenrechtsorganisation Memorial machte Kadyrow für den Mord an Estemirowa direkt verantwortlich. Der Warlord hat das Opfer öffentlich als gewissenlos und wertlos geschmäht. Nun zieht der Beleidigte, der seine Menschenrechte verletzt sieht, vor Gericht, um Ehre, Würde und Geschäftsruf zu verteidigen.
Korruption, Willkür und bittere Armut bereiten im Nordkaukasus einen Nährboden für radikalen Islam und Terrorismus. Die Spirale von Gewalt und Verbrechen dreht sich unaufhaltsam weiter. Die kontrollierte Instabilität, von der Militärs, Geheimdienste und Warlords profitierten, scheint allmählich ihrer Kontrolle zu entgleiten. Der Flächenbrand im Nordkaukasus könnte die territoriale Integrität des Restimperiums erneut infrage stellen. Dass der Kreml vor diesem Hintergrund separatistische Regime in Georgien unterstützt, zeugt von einem gefährlichen Realitätsschwund. Und je häufiger Medwedjew seine Wangen aufbläst und seine staatsmännische Rhetorik bemüht, desto unwirklicher und hilfloser erscheint dieser gute Cop, der vom Westen als eine liberale Alternative zum Falken Putin herbeigeträumt wurde.
Quelle
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Ich bin mal gespannt wie lange Putin und seine Marionette Medwedew die Augen im Nordkaukasus noch verschließen (können)