(Land) Future Combat Systems
hunter1:

Ich möchte noch um etwas Nachsicht bitten. Meiner Ansicht nach hat die Frage der Militärkultur durchaus etwas mit dem FCS Programm zu tun, in einem höheren Kontext.

Waffensysteme stehen nicht allein im Luftleeren Raum, sie entwickeln sich eben nicht zuletzt aus der Frage der Militärkultur. Die Kultur des Krieges bestimmt die jeweilige Form der Waffensysteme und deren Weiterentwicklung ebenso wie die eigene Militärdoktrin. Aus den Unterschieden zwischen den beiden genannten Kulturen ergeben sich dann die Probleme, der Erfolg oder das Versagen des jeweiligen Systems.

Gerade die Differenz zwischen der Militärischen Kultur der USA und der auf den Schlachtfeldern real existierenden Kultur des Krieges zur Zeit ist insbesondere für die Frage des FCS Programms meiner Meinung nach von entscheidender Bedeutung.

Nightwatch:

Zitat:Sie sprechend von Hunderten abgefeuerter ATGMs von denen die allermeisten keine Wirkung erzielten


Von denen aber der größte Teil völlig veraltete Systeme waren. Die meisten der abgefeuerten PzAbwLfK hatten nicht mal Tandem-Hohlladungen, und eine einfache Hohlladung kommt eben oft nicht mehr durch.

Ich hatte das Wort Moderne vergessen, ich habe meinen Eintrag jetzt entsprechend ergänzt. Ich wollte daraus hinaus, daß die Masse der feindlichen Panzerabwehrwaffen im Libanon Krieg eben nicht modern war.

Zitat:In einem normalen Krieg verliert man halt mal ein paar hundert Panzer, ja und?
Deswegen nennt man es auch Krieg.


Vollste Zustimmung, so ist es.

Wir schreiben zudem ein wenig aneinander vorbei wie ich gerade gemerkt habe. Ich wollte nur darauf hinaus, daß meiner Meinung nach Aktive Abwehrsysteme in einem konventionellen Krieg versagen werden und selbst im Assymetrischen Krieg nur wenig bringen werden. Ich bin gegenüber aktiven Abwehrsystemen zutiefst skeptisch.

Die bloße passive Panzerung ist aber eben inzwischen auch unzureichend geworden. Sie kann von modernen Panzerabwehrwaffen der Infanterie inzwischen zu leicht durchschlagen werden.

Wie also soll man seine Panzer schützen?! Meiner Ansicht nach ist die einzige Möglichkeit, die eigenen Taktiken an die sich verbessernde Waffentechnologie anzupassen. Aber wenn ich dich richtig verstehe, sind wir da ja in Wahrheit der gleichen Meinung.

Tarond:

Zitat:Brutalität und Rücksichtslosigkeit ist NICHT der Schlüssel zum Sieg wie du das hier immer propagierst.


Ich finde es befremdlich, wenn man einerseits Krieg bejaht, andererseits aber Brutalität und Rücksichtslosigkeit im Krieg negieren möchte. Krieg ist beides allein seiner Natur nach in größtmöglicher Form.

Zitat:Aber wenn man das ganze nur danach beurteilt sollte man eher chemische Waffen nutzen da die eben am effektivsten sind: minimale Eigenverluste bei horrenden Verlusten der Gegenseite. Und die "störenden" Zivilisten sind gleich alle weg.


Massenvernichtung der Zivilisten ist immer eine Armutslösung, die nur von mangelndem Können zeugt.

Desweiteren sind chemische Waffen bei weitem nicht am effektivsten und sie lösen wie du es in Wahrheit ganz richtig erkennst das wirkliche Problem nicht. Du erkennst es eigentlich doch gleich selbst, nämlich daß die gegnerischen Streitkräfte beim Einsatz chemischer Waffen zu großen Teilen immer noch in ihren Stellungen sitzen werden. Bloße C Waffen zerstören weder Bunker noch gut ausgebaute feindliche Stellungen. Der Feind kann sich im militärischen Bereich an eine solche Kriegsführung nach kurzer Zeit anpassen.

Selbst die kurdischen Guerilla konnten sich gegen den Einsatz von C Waffen durch die Irakische Armee in kurzer Zeit anpassen, ebenso die Iraner im Krieg zuvor und so traf der Einsatz dieser Waffen vor allem Zivilisten. Du schreibst völlig richtig:

Was noch steht ist dann militärisch also feindlich: Perfekt. Oder?

Gerade eben nicht. Weil das Problem eben das ist, was noch steht, nicht der Zivilist.

Anbei: die USA haben im Irak beispielsweise Weißen Phosphor gezielt in Wohngegenden eingesetzt um die Zivilisten dort zu vertreiben und die dort verschanzten Gegner dadurch soweit zu stören das US Infanterie in dieser Viertel vorrücken konnte. Genau genommen war dies ein C Waffen Einsatz in der Art wie du ihn hier beschreibst. Und er hat versagt. Die US Infanterie konnte trotz des Einsatzes von Weißem Phosphor zunächst immer noch nicht vorrücken. Erst massive Luftangriffe auf bestimmte Stellungen ermöglichten dann den Vorstoß.

Zitat:Zum Glück denkt die überwiegende Mehrheit der Bevölkerungen und Entscheidungsträger anders



Ich werte nicht, ob dieser Umstand als Glück zu sehen ist oder nicht. Wenn eine Gesellschaft Werte hat, die ein solches Denken als Glück bzw Gut einstufen, dann kann das nützlich sein oder auch nicht.

Wenn man aber eben anders denkt, auf eine Weise ähnlich der deinen, dann stellt sich mir die Frage, ob ein solches Denken in Ländern wie dem Irak oder Afghanistan rein praktisch funktionieren kann?!

Daher meine Frage an dich Tarond: kann eine Gesellschaft wie beispielsweise die in Deutschland hier und heute in Ländern wie dem Irak und Afghanistan militärisch bestehen?! Können wir mit diesem Denken die Feinde dort besiegen?


Zitat:Und es hat gereicht, die Deutschen zu schlagen. Da nützte die Kriegskultur auch nix.


Diese äußerst grobe Darstellung der damaligen Ereignisse verkennt völlig das Geschehen, insbesondere die Rolle der Sowjetunion beim Sieg der Alliierten. Im weiteren zeigt der Zweite Weltkrieg auf, dass auch Demokratien äußerst Wehrhaft sein können, seien es England oder die USA und andere.

Das entscheidende aber ist etwas völlig anderes: nämlich das du hier einfach große Konventionelle Kriege gleichsetzt mit dem Assymetrischen Krieg, man möchte sagen den Kolonialkriegen die wir heute führen. Das sind völlig unterschiedliche, total verschiedene Formen von Kriegen. Den Zweiten Weltkrieg mit dem heutigen gleichzusetzen und daraus irgendwelche Schlußfolgerungen zu ziehen ist deshalb allein schon völlig falsch.

Noch darüber hinaus verstehst du meiner Ansicht nach gar nicht, was ich mit Kriegerkultur meine. Grundsätzlich ist eine Gesellschaft die stärker Militaristisch geprägt ist, dadurch im Krieg im Vorteil. Das kann man selbst heute noch und selbst im Vergleich der westlichen Staaten ganz klar sehen, allein der Vergleich zwischen den USA und der BRD zeigt klar auf, daß die stärkere Militarisierung in den USA diesen ermöglicht, auf einem ganz anderen Niveau zu kämpfen und im Vergleich viel größere Verluste zu ertragen.

Eine militarisierte Gesellschaft hat natürlich viele Nachteile, insbesondere in einem langfristigen Geschehen, aber im Krieg, im Kampf selbst ist der Militarismus zunächst mal ein Vorteil.

Die jeweilige Kriegskultur reicht aber über die bloße Frage der Wertung menschlichen Lebens und die Frage der Ausrichtung der Gesellschaft auf den Kampf weit hinaus. Sie kann ganz unterschiedliche Formen annehmen. Und diese Unterschiede in der Militärkultur beeinflussen dann wiederum die militärische Doktrin und um den Bogen damit zum FCS oder zur Frage der Diskussion: Panzerung versus Feuerkraft zurück zu biegen, beeinflusst die jeweilige Kultur eben auch die Weiterentwicklung der Waffensysteme und deren Formen.

Der zum Teil ins Überzogene reichende Offensivgeist der Sowjetunion brachte ebenso ganz spezifische Waffensysteme hervor wie umgekehrt die NATO Armeen sich beispielsweise im Bereich der Panzerabwehr enorm weiter entwickelten. Beides resultierte aber eben nicht allein aus dem Gegner und seiner Bewaffnung für sich allein, sondern wenn man einen Schritt weiter denkt aus der Militärkultur der jeweiligen Nationen.

Das FCS Programm resultierte nun aus einer ganz bestimmten Militärkultur und einer bestimmten Zeit und Denkweise. Und die Probleme dieses Programm resultierten ganz spezifisch aus den Widersprüchen zwischen dieser Militärkultur und der real in den derzeitigen Kriegen existierenden Kultur des Krieges.

Die ganze Problematik erhält dann eine weitere Dimension wenn man sich die Frage stellt, was die Kultur zukünftiger Krieg sein wird und ob die Waffensysteme die man gemäß der eigenen Militärkultur heute anschafft dann eben in diesen noch kommenden Kriegen Erfolg haben werden oder scheitern werden.
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