18.01.2011, 13:36
Shahab3 schrieb:
Insofern: Ich sehe die Gefahr einer Machtübernahme durch Islamisten z. B. in Tunesien, Marokko oder in Jordanien nicht, weswegen ich nicht denke, es wird hier irgendeine Art der Einmischung oder einen Putsch oder innere Auseinandersetzungen à la Algerien geben. Was allerdings Ägypten angeht, so bin ich mir da nicht sicher. Würden die Muslimbrüder dort in einer demokratischen Wahl gewinnen, so könnte ich mir vorstellen, dass es Versuche gibt, dort einzuwirken, auch z. B. von Israel als direktem Nachbarn. Gleichwohl allerdings würde es auch innerhalb der ägyptischen Gesellschaft eine Zerreißprobe geben, weil nicht jeder Ägypter ein Muslimbruder ist oder deren Ansichten teilt, diese aber sehr repressiv gegenüber Andersdenkenden vorgehen würden (das zeigt zumindest deren Verhalten in der Vergangenheit, auch die Verstrickungen nach Gaza hinein). Was die Golfanrainer angeht, so muss man ganz klar sagen, dass es wenig wahrscheinlich ist, dass sich dort radikale Gruppen durchsetzen werden. Anschläge ja, eine Machtübernahme aber nicht. Der Wohlstand ist dann doch zu weit fortgeschritten. Insofern wäre das Spekulieren darüber derzeit zumindest ohne Grundlage.
Die anderen genannten Diktatoren, Batista und Co., sind einer anderen Zeit zuzuordnen, als es noch den Cold War gab, und es ist auch bezeichnend, dass bis auf den Shah und Saddam alle nicht aus dem Nahen Osten stammen. Man kann sie also nicht sonderlich passend im Falle Tunesiens oder des Maghreb als Bsp. für westliche Diktatorenhätscheleien heranziehen. Auch ist z. B. die Golfregion eine andere Ecke als der Maghreb.
Fazit: Ich stimme dir zu, wenn man Ägypten heranzieht, dass es dort durchaus zu Einmischungen kommen könnte, egal wie man dann dazu steht. Bei den anderen Ländern hingegen sehe ich eher ein Schreckgespenst der westlichen Geheimdienstmacht an die Wand gemalt, womit ich dir also widerspreche und weswegen ich auch von „Verallgemeinerung“ sprach. So viel Einfluss hat der Westen nun auch wieder nicht (mehr).
Hierzu auch:
Schneemann.
Zitat:Wie Du den Verschwörungs-Bogen zu Deinen heiss geliebten Muslimen wieder gespannt bekommst, ist mir schleierhaft. Ein kausaler Zusammenhang zwischen eines, in weiten Teilen der Region, wachsenden Unmuts gegen die von westlichen Regierungen eingesetzten Despoten und den antiwestlichen Ressentiments ist keineswegs so lapidar als "Verschwörungstheorie von Muslimen" abzutun. Wie die Regime des Nahen und Mittleren Ostens, Nordafrikas entstanden sind und "auf Kurs" gehalten wurden, ist ja als Bestandteil nachvollziehbarer Geschichte bekannt. Ebenso gut kann ich die jüngere Geschichte des zutiefst katholischen(!) Lateinamerika oder die Zeiten von Nasser bzw. des arabischen Nationalismus heran ziehen. So einfach lässt sich das also nicht abtun, wie Du das glaubst.Meiner Meinung nach wieder etwas zu verallgemeinernd. Es ist doch auch schon so gewesen, dass die muslimischen Länder selbst ihre inneren Probleme nicht zu lösen vermochten. Nehmen wir dein Bsp. Algerien: Dort hätte – nach westlicher Vorstellung auf korrekte Weise – die radikale islamische Heilsfront (FiS) in den 90ern die (demokratischen) Wahlen gewonnen. Nur was war denn die Folge? Die säkularen Staatsorgane wollten dies nicht hinnehmen. Es folgte ein Militärputsch (ohne CIA, Mossad und Co.) und ein extrem grausamer, jahrelanger Bürger- und Kleinkrieg, der über 100.000 Opfer forderte. Und dabei wurden z. B. Angehörige der ländlichen Bevölkerung, die oftmals staatsnah waren, von Angehörigen der FiS oder der frühen Form der „al-Qaida im Maghreb“ auf brutale Art und Weise umgebracht, geköpft und lebendig verbrannt. Es gab entsetzliche Verbrechen. Genauso ließ das Militär Verdächtige verschwinden und foltern. Man kann also am Bsp. Algerien sehen, was passieren könnte, wenn eine radikale Gruppe legal die Gewalt im Staate gewinnt.
Der Westen tut nach wie vor viel zu wenig dafür, sich vom gewählten Weg spätkolonialen Statthaltertums zu befreien. Wo bleibt denn die Distanzierung und Kritik an den Regimen in Saudi Arabien, Bahrain, der Wahlfarce in Ägypten, die den dort lebenden Menschen das Gefühl geben könnte, man interessiere sich hierzulande für ihre demokratischen Belange? Kein Wort von Menschenrechten beim Händchenhalten mit einem Abdullah. Auch den ägyptischen Botschafter hat man nach der getürkten Wahl nicht einbestellt. Stattdessen vornehm zurückhaltende Gratulation und allgemeine Erleichterung, dass die Muslimbrüder oder ein liberaler Patriot wie Baradei erfolgreich ausgeschaltet wurden. Kein Wort über massive Menschenrechtsverletzungen in Bahrain. Im Gegenteil, diese Regime standen und stehen unter dem Schutzschirm ihrer westlichen Geschäftspartner. Zu denen geschätzten und geschützten Despoten gehörten einst auch so illustre Gestalten, wie Saddam Hussein, Shah Pahlavi, Pinochet, Batista, Noriega, etc... Einige dieser zweifelhaften Verbündeten haben sich mit aktiver Hilfe des Westens gegen demokratisch gewählte Regierungen an die Macht geputscht. Der Linksruck in Lateinamerika und der heutige Islamismus sind absolut in einen kausalen Zusammenhang mit dieser verfehlten Politik einzuordnen.
Ich wiederhole mich da also gerne. Tunesien hat den ganz entscheidenden Vorteil, nur von begrenzt strategischem und wirtschaftlichen Interesse für die USA, Frankreich oder GB zu sein. Insofern stimmt das hoffnungsvoll für die Zukunft dieses Landes.
Insofern: Ich sehe die Gefahr einer Machtübernahme durch Islamisten z. B. in Tunesien, Marokko oder in Jordanien nicht, weswegen ich nicht denke, es wird hier irgendeine Art der Einmischung oder einen Putsch oder innere Auseinandersetzungen à la Algerien geben. Was allerdings Ägypten angeht, so bin ich mir da nicht sicher. Würden die Muslimbrüder dort in einer demokratischen Wahl gewinnen, so könnte ich mir vorstellen, dass es Versuche gibt, dort einzuwirken, auch z. B. von Israel als direktem Nachbarn. Gleichwohl allerdings würde es auch innerhalb der ägyptischen Gesellschaft eine Zerreißprobe geben, weil nicht jeder Ägypter ein Muslimbruder ist oder deren Ansichten teilt, diese aber sehr repressiv gegenüber Andersdenkenden vorgehen würden (das zeigt zumindest deren Verhalten in der Vergangenheit, auch die Verstrickungen nach Gaza hinein). Was die Golfanrainer angeht, so muss man ganz klar sagen, dass es wenig wahrscheinlich ist, dass sich dort radikale Gruppen durchsetzen werden. Anschläge ja, eine Machtübernahme aber nicht. Der Wohlstand ist dann doch zu weit fortgeschritten. Insofern wäre das Spekulieren darüber derzeit zumindest ohne Grundlage.
Die anderen genannten Diktatoren, Batista und Co., sind einer anderen Zeit zuzuordnen, als es noch den Cold War gab, und es ist auch bezeichnend, dass bis auf den Shah und Saddam alle nicht aus dem Nahen Osten stammen. Man kann sie also nicht sonderlich passend im Falle Tunesiens oder des Maghreb als Bsp. für westliche Diktatorenhätscheleien heranziehen. Auch ist z. B. die Golfregion eine andere Ecke als der Maghreb.
Fazit: Ich stimme dir zu, wenn man Ägypten heranzieht, dass es dort durchaus zu Einmischungen kommen könnte, egal wie man dann dazu steht. Bei den anderen Ländern hingegen sehe ich eher ein Schreckgespenst der westlichen Geheimdienstmacht an die Wand gemalt, womit ich dir also widerspreche und weswegen ich auch von „Verallgemeinerung“ sprach. So viel Einfluss hat der Westen nun auch wieder nicht (mehr).
Hierzu auch:
Zitat:USA begrüßen Reformen in Tunesien und setzen auf freie Wahlen<!-- m --><a class="postlink" href="http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEBEE70H01720110118">http://de.reuters.com/article/worldNews ... 1720110118</a><!-- m -->
Washington/Tunis (Reuters) - Die USA haben die Reformen in Tunesien begrüßt.
Es werde erwartet, dass die tunesische Regierung freie und faire Wahlen abhalte, um die Hoffnungen der Bevölkerung zu erfüllen, sagte Regierungssprecher Tommy Vietor am Montag nach der Vorstellung einer neuen tunesischen Einheitsregierung. "Wir mahnen Ruhe und ein Ende der Gewalt in Tunesien an", sagte Vietor.
Schneemann.