"Organisation" von Rebellenarmeen\ Entstehung von Revolution
#4
Zitat:a) wie es dazu kam ("ein langsames "Hochschaukeln" der Unzufriedenheit der Bevölkerung) welches aufgrund eines Schlüsselerlebnis dann eskalierte und zum Aufstand führte

b) Organisiation, Struktur, (und die Evolution) der Aufständischen... (sprich, gibt es geschichtliche Beispiele, wie "Zivilisten", "Bürger" von sich aus gegen "die Staatsmacht" militarisch Widerstand leisteten?
Wie wurde dieser Widerstand organisiert (oder waren es kleinere Gruppen die unkoordiniert Sabotage verübten).
(und wie finanzieren sich diese Widerständler??? ... von südamerikanischen, afrikanischen "Guerillas" hört man gelegentlich von Entführungen und Lösegelforderungen, Drogenhandeln (südamerika) oder Bodenschätze ("Blutdiamanten" in Afrika) als Finanzierungsbasis....
Halten sich die "syrischen Rebellen" (nennen wir sie einfach mal so) nur durch finanzielle Unterstützung von aussen?
Hallo,

derartige Rebellionen haben von Land zu Land andere Ursachen. Man muss bedenken, dass es, bezogen auf Nahost, dort keine richtigen zivilstaatlichen Strukturen gab. Viele der Regime dort, vor dem "arabischen Frühling", waren zudem eher säkular (Baath, Militärregierungen), der religiöse Aspekt, von vorgeschobenen Argumenten des jeweiligen Herrschers abgesehen, blieb unterdrückt. Während des Kalten Krieges haben sowohl der Westen als auch der Osten ihre eigenen "Verbündeten" hochgerüstet und unterstützt. Ägypten etwa wurde zunächst von den Sowjets, dann vom Westen unterstützt (weswegen auch die T-54 zu M-60 „wurden“). Syrien war seit jeher ein von Russland/der Sowjetunion unterstütztes Land. Der Iran wurde bis 1979 von den Amerikanern hofiert (der Schah), nach der Machtübernahme der Mullahs wurde er bekämpft und boykottiert. Noch wirrer war es im Irak. Nachdem sich in blutigen Machtkämpfen in den 1970ern der junge Saddam durchgesetzt hatte, erhielt er von den Sowjets, aber auch vom Westen Geld, Waffen und Informationen. Während des Iran-Irak-Krieges in den 1980ern füllten die Russen regelmäßig Saddams Waffenarsenal auf, während der Westen Logistik und Informationen lieferte, um den Iran klein zu halten. Gewissermaßen war es reines Kalkül. Die Liste der hofierten und unterstützten Diktatoren in Nahost ist arg lang, wobei sich weder Ost noch West besonders rühmlich verhalten haben...

Aber zu deinen Fragen:

Zu a.): Es ist i. d. T. so, dass es große Unzufriedenheiten in den Bevölkerungen gibt. Es greifen hier 1.) die Raffgierigkeit mancher Kleptokraten, 2.) die Perspektivlosigkeit und Armut großer Teile der Bevölkerungen dort und 3.) der Sachverhalt, dass es in Nahost um sehr „junge“ Bevölkerungen handelt (d. h. die Masse ist unter 30 Jahre alt) ineinander. Aus dieser Mischung entstehen dann die Rebellionen, wobei es zudem eine Hinwendung zum Religiösen gibt, bzw. dies zu beobachten ist. Was nun den Beginn der Revolten angeht: In Tunesien etwa begann der Umsturz nach der Selbstverbrennung eines Mannes, wobei dann die ganze Unzufriedenheit der Bevölkerung zum Ausbruch kam, in Ägypten war der Tod von Demonstranten die Initialzündung. In Syrien verliefen die Proteste zunächst friedlich, nachdem aber von Seiten des Regimes massive Gewalt ausgeübt wurde, wurde der Protest zum bewaffneten Aufstand.

Zu b.): Es kommt auf die jeweilige Rebellion an. Manche Länder, in denen es Umstürze gab oder gibt, sind wichtig bzw. gehören zur Einflusszone mancher Länder (oder werden also solche angesehen), manch andere wiederum nicht. In Libyen etwa gab es keine sonderlich großen Interessen (mehr), auch Russland hat Gaddafi mehr oder minder „fallen gelassen“, weswegen letztlich der Umsturz gelang, obgleich noch unklar sein wird, was folgen wird. Ähnlich war es in Tunesien, wobei sich dort eine islamistische Partei durchsetzen konnte (zumindest bislang). Auch in Ägypten lief es ähnlich.

In Syrien indessen sieht die Sache anders aus. Dort gibt es massive Interessen des Auslandes. Der Westen will Assad stürzen sehen, Saudi-Arabien und manche Golfemirate ihren/seinen wahhabitischen Einflussbereich ausbauen. Zugleich will der Iran seinen alawitischen Verbündeten Assad aber um jeden Preis halten. Die Russen wollen Assad ebenso weiterhin an der Macht sehen, einerseits weil er der letzte wichtige, strategische Verbündete Moskaus in der Region ist und andererseits weil er auch ein treuer Waffenabnehmer ist. Und diese Mischung hat dazu geführt, dass der Syrienkonflikt nun schon beinahe zwei Jahre dauert. Das Problem ist ferner, dass die eigentliche Revolte der Syrer gegen Assad, die zunächst friedlich verlief, nun zunehmend zu einer Art „Bürger-Stellvertreterkrieg“ der beteiligten Mächte wird, der alle Arten von ausländischen Söldnern und auch Fanatiker anzieht. Dabei wird auch in erheblichem Maße und zunehmend ein erbitterter Propagandakrieg von beiden Seiten aus geführt, wobei entweder die Regierung Assad dämonisiert wird oder die Rebellen alle als Terroristen bezeichnet werden. Da (vermutlich) keine von beiden Seiten zurückstecken wird, kann man davon ausgehen, dass sowohl der Westen und die Saudis als auch Iraner und Russen diesen "Bürgerkrieg" bis zum letzten Syrer führen werden - leider...

Schneemann.
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