18.04.2013, 11:26
Nightwatch:
Wir schreiben nur scheinbar aneinander vorbei. Unsere unterschiedlichen Ansichten der gleichen Dinge bedingen sich naturgemäß daraus, dass ich dem Titel dieses Stranges entsprechend über zukünftige Konzeptionen kriegswissenschaftliche Überlegungen anstelle, während du dich mehr mit dem Status Quo und aus diesem abgeleiteten, strukturextrapolierten Zuständen beschäftigst. Deshalb ist dein Anwurf, ich würde hier mehr mich mit der Theorie beschäftigen als du an der Sache vorbei, da schon die ganze Intention meiner Ausführungen eine andere ist als deine. Dies geht auch sehr schön aus deiner Antwort einige Beiträge früher auf meine Frage nach deinen zukünftigen Konzeptionen für Panzer hervor.
Abgesehen aber noch von dem grundverschiedenen Kriegsbild (zukünftige Konzeptionen versus Status Quo) fehlt es dir meiner Meinung nach an Vorstellungskraft in Bezug auf die Möglichkeiten. Dieser Fehler von dir ergibt sich meiner Meinung nach zwingend aus deiner größeren Gewichtung des Status Quo in Bezug auf die Frage zukünftiger Kriegsbilder und daraus resultierend der struktruextrapolierten Gefahren die du für die Zukunft annimmst. Du schreibst es ja selbst immer wieder: dass der Krieg der näheren Zukunft deiner Vorstellung nach weiter primär gegen assymetrische Gegner, Zitat: gegen Dritt und Viertklassige Mächte stattfinden wird.
Darüber hinaus konzentrierst du dich meiner Meinung nach zu sehr auf die Hisbollah als Sonderfall und leitest deine Vorstellungen und Definitionen sogar primär vom Krieg 2006 im Libanon her ab. Aufbauend auf dem Kriegsbild von 2006 strukturextrapolierst du dann zukünftige Kriegsbilder. Meine Kritik daran ist primär, dass deine Gegenüberstellung und Gewichtung des Kampfes von Infanterie gegen Mechanisierte Verbände durch dieses Kriegsbild verfälscht wird. Warum?
Weil hier eben nicht eine Infanterie mit modernen Waffen gegen einen mechanisierten Verband antrat, sondern eine Miliz (zwar hochmotiviert und opferbereit) mit einem bunten Sammelsurium alter und/oder qualitativ schlechterer Waffen gegen eine Armee die mit dem gesamten Waffenspektrum gegen sie antrat. Darüber hinaus war die Hisbollah in Bezug auf die tatsächlich kämpfende Infanterie zu keinem Zeitpunkt stärker als ein Bataillon.
Wir sprechen also hier von einem Bataillon reiner leichter Infanterie in der Form einer Miliz gegen das eine komplette Armee im Gefecht der verbundenen Waffen vorging. Wir sprechen hier von einigen Kompanien reiner leichter Infanterie, gegen die ganze Brigaden mit Artillerie und Luftnahunterstützung und Drohnen und Aufklärungsmitteln jenseits jeder Möglichkeiten der Miliz aufgefahren wurde.
Ein paar hundert Miliz Kämpfer mit einem bunten Sammelsurium an Panzerabwehrwaffen gegen Zehntausende israelische Soldaten mit einem kompletten Arsenal an Waffen, Wirkmitteln und Sensoren. Aufbauend auf diesem Kriegsbild extrapolierst du dann zukünftige Kriegsbilder und beschränkst daher deine Vorstellungen und auch deine Forderungen bezüglich der Rüstungs- und Waffentechnologie auf den wahrscheinlichen Gegner. Du hast es ja selbst schon geschrieben: dass man die eigene Bewaffnung am Gegner ausrichten sollte. Und gerade deshalb schreiben wir aneinander vorbei, weil die Gegner die ich sehe, nicht die sind, die du siehst.
Deshalb schreibe ich über eine neue Doktrin und Konzeption von Panzertypen, über Leichtgaskanonen, Flüssigtreibstoffe für Raketen, Feuerleitsysteme für Panzerabwehrhandwaffen und Hardkillsysteme die gebündelte Energiestrahlen verwenden. Und du schreibst über RPG-7, TOW, Milizen, Main Battle Tanks und Trophy.
Nun will ich mich mal im weiteren darauf einlassen und mehr auf dein Kriegsbild eingehen. Dass du dir die von mir skizzierte Leistungsfähigkeit der panzerabwehrenden Infanterie durch Koordination nicht vorstellen kannst, sie nicht sehen kannst, bedeutet eben nicht, dass eine solche Koordination auch ganz ohne moderne Technik möglich wäre. Sie ist möglich. Du magst das Softair-Beispiel belächeln, aber ich habe es nur dafür aufgeführt, zu welch immenser Koordination geübte und diesbezüglich ausgebildete Menschen fähig sind. Ich hätte auch eine Großküche, ein Fußballspiel oder das Vorgehen von Sondereinheiten bei der Erstürmung von Räumen nennen können. Innerhalb der gleichen Zeit, mit dem gleichen Aufwand wie jetzt könnte man durch geeignete Ausbildung das erforderliche Ausmaß an Koordination leicht erreichen. Ganz ohne Hochtechnologie, ganz ohne weitere Belastung der Truppen durch weitere Ausrüstungsgegenstände. Nur durch Können. Dass die Bundeswehr-Infanterie dies in weiten Teilen nicht kann, und dass auch andere westliche Infanterieeinheiten es nicht können, heißt eben nicht:
Das unsere Feinde von Morgen es nicht können werden. Das ist der wesentliche Unterschied zwischen uns: ich gehe davon aus, dass unsere Feind von Morgen dieses Maß an Koordination erreichen können und werden. Weil sie es müssen und weil es möglich ist.
Nun betonst du im weiteren regelmäßig, dass trotz dieser Koordination (durch bloßes militärisches Können) immer noch ein großer Aufwand notwendig ist (du nennst hier meist die Zahl Fünf - das fünffache an Aufwand zu was?!)
Das verkennt meiner Überzeugung nach, dass auch schon vor Hardkillsytemen ein großer Aufwand für eine erfolgreiche Panzerabwehr notwendig war und Hardkillsysteme daran rein gar nichts ändern. Ein Bataillon reiner leichter Infanterie konnte noch nie einen Angriff eines größeren mechanisierten Verbandes abwehren. Noch nie in der gesamten Kriegsgeschichte. Die Hisbollah hätte bspw den Angriff einer israelischen Panzerkompanie abschlagen können, mehr aber auch nicht. Ihre Mittel, das Vermögen von reiner leichter Infanterie allein reichten noch nie in der Kriegsgeschichte für mehr. Hardkillsysteme ändern das nun vielleicht in das Verhältnis, dass nur noch ein Panzerzug abgeschlagen werden kann, anstelle einer Kompanie. Im gesamten Kampfgeschehen ändert sich rein gar nichts:
Erfolgreiche Panzerabwehr durch reine leichte Infanterie setzte schon immer deutliche zahlenmässige Überlegenheit voraus und erheblichen Raum (schon der Raum war im Südlibanon eigentlich zu klein für eine erfolgreiche Panzerabwehr) und die Anwendung hochkoordinierter Angriffe.
Die Rechnung ging in Taktischer Sicht seit dem Auftauchen von Panzern auf den Gefechtsfeldern immer nur dann auf, wenn diese Begebenheiten gegeben waren. Deine Vorstellung, dass Zitat: „fünf Mann auf fünf Panzer feuern“ war noch nie Realität.
Nun zu deiner Einschätzung der Abstandsaktiven Schutzmaßnahmen als „Game Changer“: hier schreiben wir aneinander vorbei, weil wir unterschiedliche Definitionen haben. Da meiner Ansicht nach reine leichte Infanterie noch nie einen gleich großen Mechanisierten Verband abschlagen konnte, ändern Hardkillsysteme eben nichts am „Game“, am Kriegsgeschehen. Sondern sie erhalten das Kriegsgeschehen, so wie es war und ist. Auch vor Hardkillsytemen konnte keine reine leichte Infanterie einen mechanisierten Verband gleicher Größe abschlagen. (bspw Bataillon gegen Bataillon).
Deshalb sehe ich Hardkillsysteme eben nicht als Game Changer, sondern als konservierende Systeme. Sie erhalten das Kriegsbild zumindest kurzfristig weiter aufrecht, so wie es seit jeher war. Ohne Hardkillsysteme wären eben moderne PALR echte Game Changer. Nun aber werden diese durch die Existenz der Hardkillsysteme so weit abgeschwächt, dass das Kriegsbild sich gerade eben nicht ändert, sondern gleich bleibt. Es ändert sich also durch Hardkillsysteme nichts, sondern es bleibt zumindest kurzfristig in den nächsten Jahren alles so wie es seit jeher war. Deshalb lehne ich die Bezeichnung Game Changer für Hardkillsysteme ab. Weil sie eben nichts ändern, sondern den Status Quo noch einige Zeit weiter konservieren werden.
Da der Status Quo damit erhalten bleibt, wird Infanterie eben nicht überhaupt keine Möglichkeit mehr zur Panzerabwehr haben – wie du schreibst, sondern ihre Möglichkeiten bleiben unverändert, so wie sie seit jeher waren.
Nun aber zurück zum zukünftigen Kriegsbild: sollten Hardkillsysteme sich als derart effektiv heraus stellen, wie du sie siehst, dann kann man damit nicht nur Panzer schützen, man könnte damit auch Stellungssysteme gegen Panzerangriffe schützen. Auch Infanterie könnte sich damit schützen (und komm mir bitte nicht wieder mit der Behauptung, dass würde die Infanterie immobiliseren: reine leichte Infanterie ist immobil per se, sie kämpft in diesem Szenario immer aus vorbereiteten Stellungssystemen heraus und eben nicht mobil).
Darüber hinaus wird auch der Gegner in einigen Jahren diese Systeme für seine Panzer zur Verfügung haben. Länder wie der Iran, potentielle Kriegsgegner also, werden Hardkillsysteme vom Niveau her wie Trophy haben (Splitterbasiert). Dass heißt, dass unsere Bodengestützten Waffen die gegen Panzer wirken sollen damit deutlich abgeschwächt werden. Sollten gar KE Penetratoren damit abfangbar sein, gilt dies noch um so mehr. Und nur aus der Luft wird man eine Armee wie die des Iran nicht ausreichend zerstören können.
Gerade deshalb, weil ich unseren Feinden sowohl die Befähigung zur notwendigen Koordinierung der Infanterie (ganz ohne Technik, nur durch Können) als auch die Technologie von Hardkillsystemen in zukünftigen Kriegen zugestehe, also davon ausgehe, dass feindliche Infanterie sich Koordinieren werden kann und dass der Feind auch Hardkillsyteme haben wird, gerade deshalb stelle ich hier Überlegungen über die nächste Generation von Panzerabwehrwaffen an, und ebenso über eine neue Konzeption und Doktrin für die Panzer selbst.
Du hingegen siehst die Gegner von morgen anders als ich. Sie sind für dich anscheinend auch morgen die gleichen wie heute. Desweiteren überschätzt du meiner Meinung nach die Möglichkeiten der Luftwaffe fehlende Fähigkeiten am Boden zu kompensieren. Ich bin daher der Überzeugung, dass wir nicht vom Status Quo für die Zukunft rüsten sollten, sondern von einem anspruchsvolleren Gegner aus, und dass wir auch am Boden die notwendige nächste Generation von Waffen brauchen, mit denen wir Hardkillsysteme kontern können. Schlicht und einfach, weil unsere Feinde binnem kurzen ebenfalls über Hardkillsysteme verfügen werden.
Des weiteren wäre es meiner Überzeugung nach zwingend erforderlich, eine deutlich bessere Koordination, ein deutlich größeres handwerkliches Können der Infanterie in Bezug auf notwendige Anforderungen der Zukunft in Betracht zu ziehen. Sich hier auf den Status Quo und das Trauerspiel der Gegenwart überzukonzentrieren, dieses in Bezug auf die Extrapolierung zukünftiger Kriege zu stark zu gewichten, könnte meiner Meinung nach einer schwerwiegender strategischer Fehler sein. Um hier beschließend den Bogen zur Hisbollah zurück zu spannen:
Die völlig unnötigen, vermeidbaren Verluste der Israelis 2006 resultierten nicht zuletzt aus einer Haltung und Einstellung der israelischen Armee die deckungsgleich mit deiner ist. Man unterschätzte nämlich den Feind heillos und extrapolierte vom Status Quo früherer Kämpfe die Fähigkeiten des Gegners. Nur deshalb erlitt die israelische Armee diese unnötigen Verluste. Weil man den Status Quo der Vergangenheit bei der Extrapolierung zukünftiger Gefahren zu hoch gewichtete.
Strukturextrapolierung des Status Quo ist der typische Fehler des Militärs an sich. Insbesondere aber der typische Fehler des scheinbar pragmatischen Praktikers.
Wir schreiben nur scheinbar aneinander vorbei. Unsere unterschiedlichen Ansichten der gleichen Dinge bedingen sich naturgemäß daraus, dass ich dem Titel dieses Stranges entsprechend über zukünftige Konzeptionen kriegswissenschaftliche Überlegungen anstelle, während du dich mehr mit dem Status Quo und aus diesem abgeleiteten, strukturextrapolierten Zuständen beschäftigst. Deshalb ist dein Anwurf, ich würde hier mehr mich mit der Theorie beschäftigen als du an der Sache vorbei, da schon die ganze Intention meiner Ausführungen eine andere ist als deine. Dies geht auch sehr schön aus deiner Antwort einige Beiträge früher auf meine Frage nach deinen zukünftigen Konzeptionen für Panzer hervor.
Abgesehen aber noch von dem grundverschiedenen Kriegsbild (zukünftige Konzeptionen versus Status Quo) fehlt es dir meiner Meinung nach an Vorstellungskraft in Bezug auf die Möglichkeiten. Dieser Fehler von dir ergibt sich meiner Meinung nach zwingend aus deiner größeren Gewichtung des Status Quo in Bezug auf die Frage zukünftiger Kriegsbilder und daraus resultierend der struktruextrapolierten Gefahren die du für die Zukunft annimmst. Du schreibst es ja selbst immer wieder: dass der Krieg der näheren Zukunft deiner Vorstellung nach weiter primär gegen assymetrische Gegner, Zitat: gegen Dritt und Viertklassige Mächte stattfinden wird.
Darüber hinaus konzentrierst du dich meiner Meinung nach zu sehr auf die Hisbollah als Sonderfall und leitest deine Vorstellungen und Definitionen sogar primär vom Krieg 2006 im Libanon her ab. Aufbauend auf dem Kriegsbild von 2006 strukturextrapolierst du dann zukünftige Kriegsbilder. Meine Kritik daran ist primär, dass deine Gegenüberstellung und Gewichtung des Kampfes von Infanterie gegen Mechanisierte Verbände durch dieses Kriegsbild verfälscht wird. Warum?
Weil hier eben nicht eine Infanterie mit modernen Waffen gegen einen mechanisierten Verband antrat, sondern eine Miliz (zwar hochmotiviert und opferbereit) mit einem bunten Sammelsurium alter und/oder qualitativ schlechterer Waffen gegen eine Armee die mit dem gesamten Waffenspektrum gegen sie antrat. Darüber hinaus war die Hisbollah in Bezug auf die tatsächlich kämpfende Infanterie zu keinem Zeitpunkt stärker als ein Bataillon.
Wir sprechen also hier von einem Bataillon reiner leichter Infanterie in der Form einer Miliz gegen das eine komplette Armee im Gefecht der verbundenen Waffen vorging. Wir sprechen hier von einigen Kompanien reiner leichter Infanterie, gegen die ganze Brigaden mit Artillerie und Luftnahunterstützung und Drohnen und Aufklärungsmitteln jenseits jeder Möglichkeiten der Miliz aufgefahren wurde.
Ein paar hundert Miliz Kämpfer mit einem bunten Sammelsurium an Panzerabwehrwaffen gegen Zehntausende israelische Soldaten mit einem kompletten Arsenal an Waffen, Wirkmitteln und Sensoren. Aufbauend auf diesem Kriegsbild extrapolierst du dann zukünftige Kriegsbilder und beschränkst daher deine Vorstellungen und auch deine Forderungen bezüglich der Rüstungs- und Waffentechnologie auf den wahrscheinlichen Gegner. Du hast es ja selbst schon geschrieben: dass man die eigene Bewaffnung am Gegner ausrichten sollte. Und gerade deshalb schreiben wir aneinander vorbei, weil die Gegner die ich sehe, nicht die sind, die du siehst.
Deshalb schreibe ich über eine neue Doktrin und Konzeption von Panzertypen, über Leichtgaskanonen, Flüssigtreibstoffe für Raketen, Feuerleitsysteme für Panzerabwehrhandwaffen und Hardkillsysteme die gebündelte Energiestrahlen verwenden. Und du schreibst über RPG-7, TOW, Milizen, Main Battle Tanks und Trophy.
Nun will ich mich mal im weiteren darauf einlassen und mehr auf dein Kriegsbild eingehen. Dass du dir die von mir skizzierte Leistungsfähigkeit der panzerabwehrenden Infanterie durch Koordination nicht vorstellen kannst, sie nicht sehen kannst, bedeutet eben nicht, dass eine solche Koordination auch ganz ohne moderne Technik möglich wäre. Sie ist möglich. Du magst das Softair-Beispiel belächeln, aber ich habe es nur dafür aufgeführt, zu welch immenser Koordination geübte und diesbezüglich ausgebildete Menschen fähig sind. Ich hätte auch eine Großküche, ein Fußballspiel oder das Vorgehen von Sondereinheiten bei der Erstürmung von Räumen nennen können. Innerhalb der gleichen Zeit, mit dem gleichen Aufwand wie jetzt könnte man durch geeignete Ausbildung das erforderliche Ausmaß an Koordination leicht erreichen. Ganz ohne Hochtechnologie, ganz ohne weitere Belastung der Truppen durch weitere Ausrüstungsgegenstände. Nur durch Können. Dass die Bundeswehr-Infanterie dies in weiten Teilen nicht kann, und dass auch andere westliche Infanterieeinheiten es nicht können, heißt eben nicht:
Das unsere Feinde von Morgen es nicht können werden. Das ist der wesentliche Unterschied zwischen uns: ich gehe davon aus, dass unsere Feind von Morgen dieses Maß an Koordination erreichen können und werden. Weil sie es müssen und weil es möglich ist.
Nun betonst du im weiteren regelmäßig, dass trotz dieser Koordination (durch bloßes militärisches Können) immer noch ein großer Aufwand notwendig ist (du nennst hier meist die Zahl Fünf - das fünffache an Aufwand zu was?!)
Das verkennt meiner Überzeugung nach, dass auch schon vor Hardkillsytemen ein großer Aufwand für eine erfolgreiche Panzerabwehr notwendig war und Hardkillsysteme daran rein gar nichts ändern. Ein Bataillon reiner leichter Infanterie konnte noch nie einen Angriff eines größeren mechanisierten Verbandes abwehren. Noch nie in der gesamten Kriegsgeschichte. Die Hisbollah hätte bspw den Angriff einer israelischen Panzerkompanie abschlagen können, mehr aber auch nicht. Ihre Mittel, das Vermögen von reiner leichter Infanterie allein reichten noch nie in der Kriegsgeschichte für mehr. Hardkillsysteme ändern das nun vielleicht in das Verhältnis, dass nur noch ein Panzerzug abgeschlagen werden kann, anstelle einer Kompanie. Im gesamten Kampfgeschehen ändert sich rein gar nichts:
Erfolgreiche Panzerabwehr durch reine leichte Infanterie setzte schon immer deutliche zahlenmässige Überlegenheit voraus und erheblichen Raum (schon der Raum war im Südlibanon eigentlich zu klein für eine erfolgreiche Panzerabwehr) und die Anwendung hochkoordinierter Angriffe.
Die Rechnung ging in Taktischer Sicht seit dem Auftauchen von Panzern auf den Gefechtsfeldern immer nur dann auf, wenn diese Begebenheiten gegeben waren. Deine Vorstellung, dass Zitat: „fünf Mann auf fünf Panzer feuern“ war noch nie Realität.
Nun zu deiner Einschätzung der Abstandsaktiven Schutzmaßnahmen als „Game Changer“: hier schreiben wir aneinander vorbei, weil wir unterschiedliche Definitionen haben. Da meiner Ansicht nach reine leichte Infanterie noch nie einen gleich großen Mechanisierten Verband abschlagen konnte, ändern Hardkillsysteme eben nichts am „Game“, am Kriegsgeschehen. Sondern sie erhalten das Kriegsgeschehen, so wie es war und ist. Auch vor Hardkillsytemen konnte keine reine leichte Infanterie einen mechanisierten Verband gleicher Größe abschlagen. (bspw Bataillon gegen Bataillon).
Deshalb sehe ich Hardkillsysteme eben nicht als Game Changer, sondern als konservierende Systeme. Sie erhalten das Kriegsbild zumindest kurzfristig weiter aufrecht, so wie es seit jeher war. Ohne Hardkillsysteme wären eben moderne PALR echte Game Changer. Nun aber werden diese durch die Existenz der Hardkillsysteme so weit abgeschwächt, dass das Kriegsbild sich gerade eben nicht ändert, sondern gleich bleibt. Es ändert sich also durch Hardkillsysteme nichts, sondern es bleibt zumindest kurzfristig in den nächsten Jahren alles so wie es seit jeher war. Deshalb lehne ich die Bezeichnung Game Changer für Hardkillsysteme ab. Weil sie eben nichts ändern, sondern den Status Quo noch einige Zeit weiter konservieren werden.
Da der Status Quo damit erhalten bleibt, wird Infanterie eben nicht überhaupt keine Möglichkeit mehr zur Panzerabwehr haben – wie du schreibst, sondern ihre Möglichkeiten bleiben unverändert, so wie sie seit jeher waren.
Nun aber zurück zum zukünftigen Kriegsbild: sollten Hardkillsysteme sich als derart effektiv heraus stellen, wie du sie siehst, dann kann man damit nicht nur Panzer schützen, man könnte damit auch Stellungssysteme gegen Panzerangriffe schützen. Auch Infanterie könnte sich damit schützen (und komm mir bitte nicht wieder mit der Behauptung, dass würde die Infanterie immobiliseren: reine leichte Infanterie ist immobil per se, sie kämpft in diesem Szenario immer aus vorbereiteten Stellungssystemen heraus und eben nicht mobil).
Darüber hinaus wird auch der Gegner in einigen Jahren diese Systeme für seine Panzer zur Verfügung haben. Länder wie der Iran, potentielle Kriegsgegner also, werden Hardkillsysteme vom Niveau her wie Trophy haben (Splitterbasiert). Dass heißt, dass unsere Bodengestützten Waffen die gegen Panzer wirken sollen damit deutlich abgeschwächt werden. Sollten gar KE Penetratoren damit abfangbar sein, gilt dies noch um so mehr. Und nur aus der Luft wird man eine Armee wie die des Iran nicht ausreichend zerstören können.
Gerade deshalb, weil ich unseren Feinden sowohl die Befähigung zur notwendigen Koordinierung der Infanterie (ganz ohne Technik, nur durch Können) als auch die Technologie von Hardkillsystemen in zukünftigen Kriegen zugestehe, also davon ausgehe, dass feindliche Infanterie sich Koordinieren werden kann und dass der Feind auch Hardkillsyteme haben wird, gerade deshalb stelle ich hier Überlegungen über die nächste Generation von Panzerabwehrwaffen an, und ebenso über eine neue Konzeption und Doktrin für die Panzer selbst.
Du hingegen siehst die Gegner von morgen anders als ich. Sie sind für dich anscheinend auch morgen die gleichen wie heute. Desweiteren überschätzt du meiner Meinung nach die Möglichkeiten der Luftwaffe fehlende Fähigkeiten am Boden zu kompensieren. Ich bin daher der Überzeugung, dass wir nicht vom Status Quo für die Zukunft rüsten sollten, sondern von einem anspruchsvolleren Gegner aus, und dass wir auch am Boden die notwendige nächste Generation von Waffen brauchen, mit denen wir Hardkillsysteme kontern können. Schlicht und einfach, weil unsere Feinde binnem kurzen ebenfalls über Hardkillsysteme verfügen werden.
Des weiteren wäre es meiner Überzeugung nach zwingend erforderlich, eine deutlich bessere Koordination, ein deutlich größeres handwerkliches Können der Infanterie in Bezug auf notwendige Anforderungen der Zukunft in Betracht zu ziehen. Sich hier auf den Status Quo und das Trauerspiel der Gegenwart überzukonzentrieren, dieses in Bezug auf die Extrapolierung zukünftiger Kriege zu stark zu gewichten, könnte meiner Meinung nach einer schwerwiegender strategischer Fehler sein. Um hier beschließend den Bogen zur Hisbollah zurück zu spannen:
Die völlig unnötigen, vermeidbaren Verluste der Israelis 2006 resultierten nicht zuletzt aus einer Haltung und Einstellung der israelischen Armee die deckungsgleich mit deiner ist. Man unterschätzte nämlich den Feind heillos und extrapolierte vom Status Quo früherer Kämpfe die Fähigkeiten des Gegners. Nur deshalb erlitt die israelische Armee diese unnötigen Verluste. Weil man den Status Quo der Vergangenheit bei der Extrapolierung zukünftiger Gefahren zu hoch gewichtete.
Strukturextrapolierung des Status Quo ist der typische Fehler des Militärs an sich. Insbesondere aber der typische Fehler des scheinbar pragmatischen Praktikers.