Zukünftige Kriegführung in Küsten- und Randmeergebieten
#13
spooky:

Die Frage, warum ich überhaupt an eine Küste heran will ist eine sehr gute. Ich bin ebenfalls der Überzeugung, dass "Landungen" von Truppen gegen feindliche Küsten besser von Luftlandetruppen bzw Luftbeweglichen Einheiten durchgeführt werden oder paralell entlang der Küste durch Bodentruppen erfolgen sollten und nicht durch Marineinfanterie in klassischer Weise weil das heute fast nirgends mehr anwendbar wäre (von ein paar Schlauchbootpiratennestern abgesehen). Amphibische Landungen von Truppen können nur abseits des Feindes außer dessen Reichweite durchgeführt werden.

Warum also an die Küste? Warum spezielle Einheiten dafür? Weil meiner Meinung nach der Krieg auf See in Zukunft immer mehr ein assymetrischer sein wird, der Feind also zu "Guerilla" Methoden in der Seekriegsführung greifen wird. Und damit der Feind dies kann, muß er entlang von Küsten bzw in Küstengewässern kämpfen. Die Seekriegsführung wird sich daher immer mehr weg von der hohen See, immer näher an die Küste heran bewegen, weil der Feind im Schutz der Küste seine assymetriche Kriegsführung gegen unsere Einheiten betreiben wird. Der Iran und die Ausrichtung seiner Marine sind ein Musterbeispiel hierfür. Zudem wird es notwendig, von Schiffen aus auf Landziele zu wirken und das werden Träger in Zukunft nur noch mit ständig steigendem Risiko tun können, da die Reichweite der Flugzeuge im Verhältnis zur Reichweite der landgestützten Systeme zu gering ist und weil die Signatur der bisherigen Großschiffe viel zu groß ist. Dadurch sind diese immer mehr gefährdet.

Der Schutz von Schiffen in der Kriegsführung auf See wird in Zukunft meiner Meinung nach immer schwieriger werden. Das zur Zeit die Raketenabwehr immer besser wird, zwingt umgekehrt bessere Raketen herbei, gegen deren Reichweite und Geschwindigkeit bei einem koordinierten Angriff dann eine Abwehr nur noch schwer möglich sein wird. Um gegen solche Systeme an Land von Schiffen angehen zu können gibt es nur zwei Möglichkeiten: Marschflugkörper bzw Raketen und diese müssen von Schiffen aus gestartet werden. In einem Großkrieg müssen diese Schiffe aber unentdeckt bleiben und sie müssen sich so schnell annähern können, dass der Feind durch die Geschwindigkeit und durch die Frage wo das Schiff sich annähert überfordert wird.

Die zunehmende Bedeutung assymetrischer Kriegsführung in der Zukunft erstreckt sich zudem auch auf die Frage von Einsätzen von Sondereinheiten gegen Piraten, Terroristen oder andere Nicht-Staatliche Gruppen. Auch hier ist eine möglichst hohe Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit immens wichtig um überraschend und möglichst schnell zuschlagen zu können.

Zitat:ich denke auch nicht, das konzepte fehlen, das problem ist ehr das man im moment auf das falsche setzt (-> lcs). statt geschwindigkeit braucht man mehr/bessere sensoren und effektoren.

Ich will man konkreter meine Ideen hierzu beschreiben: Meiner Überzeugung nach sind Geschwindigkeit und bessere Sensoren kein Widerspruch. Ein Schiff für die Küstenkriegsführung braucht meiner Meinung nach ein Multifunktionsradar, dass jedoch nicht auf den Luftraum- oder wie bei der F 124 auf den Verbandsschutz hin optimiert ist, sondern im besonderen Maße auf eine ausgewogene Mehrzweckfähigkeit setzt. Dazu sollte das Radar in einem einzigen Mastmodul fest eingebaut sein, so dass auf rotierende Antennen bewusst verzichtet wird. Dies ermöglicht es neben der Luftraumüberwachung gezielt bestimmte Sektoren mit einer viel höheren Wiederholungsrate nach Kleinzielen abzusuchen. Zudem wird die eigene Radarsignatur reduziert. Dazu kommen noch elektro-optische Sensoren, sowie weitere Systeme für die Elektronische Kriegsführung, Aufklärung, Laserdetektion usw

Warum sollte sich eine Menge guter Sensoren aber mit hoher Geschwindigkeit beißen? Bei einem WIG ist die Geschwindigkeit so oder so sehr hoch. Im Gegensatz zu einem Schiff, dass aufgrund des Wasserkontaktes hier immer physikalische Grenzen hat, kann gerade eben ein WIG eine Menge hochmoderner Sensoren tragen und trotzdem sehr schnell sein.

Um die Frage der Aufklärung aber noch weiter zu greifen: Jedes Schiff (oder WIG) muß in Zukunft mehrere eigene Drohnen haben, und zwar sowohl Systeme die in der Luft agieren als auch solche die Unterwasser agieren.

Nun zur Frage der Bewaffnung: Meiner Meinung nach sollte die Bewaffnung auf Flugkörper setzen. Kanonen bzw andere Rohrwaffen dienen dann nur dem Kampf gegen Kleinziele oder dem Eigenschutz/Nahbereichsluftabwehr. Hierzu reichen RAM und 27mm Marineleichtgeschütze. Ansonsten würde die Bewaffnung vor allem aus Flugkörpern verschiedener Größe und Reichweite, insbesondere auch Marschflugkörpern bestehen. Die jeweils einsetzbare Mischbewaffnung könnte dann an die jeweilige Mission angepasst werden.

Und wieder beißt sich dass hier eben keineswegs mit der hohen Geschwindigkeit oder dem nicht vorhandenen Tiefgang. Die LCS oder andere solche Schiffe wie Schnellboote haben eine zu geringe Bewaffnung (Musterbeispiel Skjold Klasse). Ein WIG aber kann eine Menge Waffen tragen. Die von dir genannten russischen Ekranoplane konnten 544 Tonnen tragen, davon 280 Tonnen Nutzlast. Das sollte mehr als ausreichend sein um eine Menge Waffen zu tragen. Und das war eben in den 1970er Jahren. Heutige WIG könnten viel mehr tragen. Damals stand das ganze ja noch völlig am Anfang.

Der Entwurf von Boeing hat eine Zuladung von 1400 Tonnen Nutzlast bei einer Geschwindigkeit von ungefähr 400 km/h. Das zeigt klar auf, was hier möglich wäre. Eine so große Nutzlast bzw ein so großes WIG sind aber gar nicht notwendig. Der Entwurf von Boeing ist zudem ein Hybrid aus Flugzeug und WIG und kann daher auch richtig fliegen (dann allerdings mit deutlich reduzierter Nutzlast und viel weniger Reichweite). Ein konsequentes WIG könnte bei geringeren Abmessungen, insbesondere viel kleineren Flügeln, heute leicht eine Nutzlast von um die 1000 Tonnen tragen, bei einer Reichweite von um die 10 000 km. Das ganze wäre dann nicht größer als ein Kriegsschiff, aber viel schneller, ohne Tiefgang und mit der Möglichkeit auch über Land zu agieren.

Und vor allem anderen: Ein WIG kann im Wasser landen, dazu muß man nur den Rumpf entsprechend gestalten. Damit stehen dann alle Seeflächen zur Landung zur Verfügung und dass wäre ein immenser Vorteil gegenüber einem Flugzeug! Reguläre Versorgerschiffe können dann überall solche WIG versorgen. Diese sind dann eben nicht auf Flughäfen angewiesen.

Zitat:jetzt fordert man auf einmal (wen wundert es) mehr feuerkraft und reibt sich die augen weil schon die integration eines eines nur leicht größeren geschützes (76 mm statt 57 mm) quasi nicht möglich ist. ....du stellst dir also ein wig vor, das eine sensor und effektorausstattung vergleichbar zu einem vollwertigen kriegsschiff hat, das dann mit 400 km/h quasi beliebig über land fliegt und allen hindernissen ausweicht? sorry aber das ist einfach zu weit von den wig's weg die es bisher gab und immer noch viel zu weit von den entwürfen, die nie realisiert wurden als das ich mir das vorstellen könnte

Die Sensoren sehe ich nicht als Problem an. Ein WIG kann problemlos genug Gewicht tragen, um eine volle Ausstattung mit den besten Sensoren zu haben. Zum Radar habe ich oben ja schon etwas geschrieben. Noch mal zur Frage der Waffen: die sowjetische Lun-Klasse war als Raketenträger angedacht. Wenn man bewusst auf größere Geschütze verzichtet (nur RAM und allenfalls Leichtgeschütze) und auf Raketen setzt, sollte man sehen, dass die im Vergleich zu anderen WIG kleinere LUN Klasse bereits 6 relativ große Raketen und 4 23mm Kanonen trug. Es handelt sich also nicht um Entwürfe, die nie realisiert wurden, sondern um realt existierende Raketenträger. Und damit du dir das vorstellen kannst:

<!-- m --><a class="postlink" href="http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a6/Lun-class_ekranoplan_1.jpg">http://upload.wikimedia.org/wikipedia/c ... plan_1.jpg</a><!-- m -->

Zitat:in meinen augen braucht ein überlebensfähiger schiffsentwurf aber z.b. min. ein aus 2 layern bestehendes luftabwehrsystem (z.b. essm + ram) und die dazu gehörende sensorausstattung modernster art.

Und wo sollte das Problem sein dies bei einem WIG zu realisieren? Wieviel wiegt den das Luftabwehrsystem und die Sensorausstattung? WIG können mehrere Hunderte Tonnen Nutzlast tragen. Kann ein Luftabwehrsystem und die Sensorausstattung mehrere Hunderte Tonnen wiegen? Niemals. Die wiegen zusammen viel weniger.

Zitat: nach dem du ja schon selbst von risiko und dem verlust des ekranoplanes wegen seegang gesprochen hast müßtest du schon den beweis antreten, das man wigs tatsächlich auch bei hohem seegang starten und landen kann

Du musst doch mal bedenken, dass dieser Verlust sich 1980 ereignete und dies nach dem das WIG schon 1966 gebaut worden war und die Technik der Steuerung seitdem nicht verbessert wurde. Überleg mal wie groß die damaligen Rechnerkapazitäten waren! Heute hat jeder Aldi Taschenrechner mehr. Ich vesuch dir noch mal das Problem zu erklären:

Das Problem eines WIG ist die Luftwalze unter dem WIG. Ändert sich nun ständig die Entfernung zwischen Boden und dem WIG, wie beispielsweise bei hohem Seegang (oder beim Überfliegen kleiner Häuser oder Baumgruppen etc) dann gibt das fast immer einen Strömungsabriss. Das heißt, die Wirbelschleppen von den Tragflächen treffen sich noch vor dem Rumpfende. Dadurch geht dann das Heck schlagartig nach unten. Trotz verschiedener konstruktiver Lösungen konnten die Sowjets dieses Kernproblem nie nachhaltig lösen, weil man dem Strömungsabriss gezielt entgegen steuern muß. Und dazu müsste man ihn zum einen immer rechtzeitig bemerken und zum zweiten extrem schnell reagieren und dies auch noch die ganze Zeit. Das kann kein Mensch leisten.

Aber ein Rechner könnte dies.

Zitat:das aus moderner rechnerkapazität eine deutlich verbesserte manövrierfähigkeit resultiert würde ich auch gerne mal verstehen. natürlich macht das dem piloten die steuerung einfacher und erhöht damit die sicherheit aber wo kommt da die manövrierfähigkeit her?

Ein WIG ist bei sich ständig änderndem Untergrund wie bspw hohem Seegang nur sehr schwer zu steuern. Das meinte ich mit Manövrierfähigkeit. Der Rechner übernimmt die Steuerung des WIG in Bezug auf die Walze unter dem WIG. Damit verhindert der Rechner den Strömungsabriss indem er jeweils gezielt dagegen steuert. Bei jedem Wechsel des Bodens wird ein WIG instabil im Flug, und muß daher durch Steuerungsmaßnahmen stabilisiert werden. Das überfordert selbst die besten Piloten, aber einen Computer überfordert diese Instabilität eben nicht. Er kann jeweils ausreichend schnell und automatisch gegen steuern.

Und das war in den 1970er Jahren eben noch nicht möglich, weil es die Rechner dafür nicht gab. Deshalb fliegen moderne kleine WIG heute eben auch so gut, sie haben dieses Problem dass die sowjetischen WIG hatten nicht mehr. Sie können nach belieben auch bei hohen Wellen oder über kleine Häuser, Baumgruppen etc fliegen, weil Rechner den Flug dann durch ständiges Gegensteuern stabilisieren.

Zitat:natürlich brauchen schiffe auch irgendwann mal einen hafen aber schiffe sind seefest, haben eine seeausdauer und sind auf see nachversorgbar.

WIG können, und das ist der wesentliche Punkt: auf dem Wasser landen. Daher kann man WIG ganz genau so auf See nachversorgen. Damit sind WIG im Gegensatz zu Flugzeugen nicht auf eine Flughafen/Träger- Infrastruktur angewiesen und können daher wie Schiffe überall auf See versorgt werden wo ein Versorger hinkommt. Man müsste die Versorgerschiffe dafür nicht mal groß umbauen.

Zudem könnten WIG im Gegensatz zu Flugzeugen global viel leichter verlegt werden, weil sie im Zielgebiet keine Flughafen/Trägerinfrastruktur brauchen und auf dem Wasser landen können wo sie von Versorgerschiffen dann wieder mit Treibstoff versehen werden.

Die große Geschwindigkeit macht WIG dann auch für den Truppentransport interessant. Man könnte mit einem großen WIG eine Menge Truppen global sehr schnell verlegen, viel schneller als dies mit einem Schiff möglich wäre, umgekehrt viel mehr auf einmal als dies mit einem Flugzeug möglich wäre. Und wieder greift der Vorteil, dass WIG dann keine Flughäfen brauchen und große Wasserflächen genügen, weshalb man vor Ort für die Anlandung der Truppen eben keinen Flughafen braucht.
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