Aufstands- und Partisanenbekämpfung (COIN)
phantom:

Zitat:Ich glaub in Zeiten vom freien Netz/Internet nimmt die Bedeutung der Eliten dramatisch ab. Die Masse/Demokratie bestimmt immer mehr die Richtung.

So wie in Afghanistan? So wie im Irak? So wie in Libyen, Ägypten oder Syrien? In keinem dieser Länder hat die Masse irgend etwas zu sagen gehabt, nicht mal in Libyen war der Aufstand eine Entscheidung der Masse.

Gerade das Internet ist zudem ein Kaleidoskop, in dem die Menschen zunehmend nicht freie Informationen finden, sondern nur einen Spiegel ihrer selbst und ihrer schon bestehenden Ansichten (bestimmte Suchmaschinen fördern das ja sogar bereits technisch). Aber das reicht noch weiter: wenn die Ideologie nur stark genug ist, dann hat das menschliche Gehirn in seiner Datenverarbeitung einen starken sogenannten Bestätigungsfehler.

Alle Informationen werden daher so eingeordnet, dass sie zum schon bestehenden passen, ad extremum bis hin zur völligen Verkehrung einer objektiven Wahrheit ins Gegenteil. Beispielsweise wissen deshalb hundert Millionen Muslime aufwärts, dass die Juden dass World Trade Center angegriffen haben und diese Information haben sie aus dem Internet.

Das Kaleidoskop des Internet erschwert zunehmend die Informationsbeschaffung und Verarbeitung und ermöglicht gigantische Möglichkeiten der Manipulation und Verdrehung die früher so gar nicht vorhanden waren. In Kombination mit dem Bestätigungsfehler als wesentlichem Grundproblem menschlicher Informationsverarbeitung kann das Internet sogar die Informationsbeschaffung behindern, statt sie zu befördern. Entsprechend nimmt die Qualität der Informationen auch ab.

Das Internet kann daher die Masse/Demokratie nicht nur befördern, es kann ihr ebenso auch schaden. Ich sehe daher das Internet als etwas Janusköpfiges an, dass die Herrschaft der Eliten in Wahrheit befördern könnte, wenn auch diese Herrschaft auf eine andere Weise ausfallen würde als früher, versteckter, indirekter, verschlagener. So wie es heute in Deutschland bereits der Fall ist, wo mir meinen frei zu sein und in Wahrheit in einer plutokratischen Oligarchie leben.

Zitat:Das kann man doch in vielen weitestgehend gewaltfreien Ablösungen von Regierungen in letzter Zeit verfolgen.

Wo dies gewaltfrei möglich war, kam es natürlich auch zu keinem Partisanenkrieg, item sind diese Beispiele für die Frage der Bekämpfung von Aufständen bzw Partisanen irrelevant.

Zitat:Wir haben mehr Geld, also könnten wir doch auch grad den Endkunden erreichen und für uns gewinnen.

Ich will mal bei Afghanistan als Musterbeispiel bleiben: in keinem einzigen Krieg bisher wurde so dermaßen versucht, den "Endkunden" für uns einzunehmen, und tatsächlich waren wir dahin gehend erfolgreich, dass sogar so ca. die Hälfte der Afghanen uns selbst heute noch gar nicht feindselig gegenüber steht. Und was hats gebracht?

Wer soll denn den "Endkunden" irgendwann regieren? Den Staat der Endkunden führen, die Fabriken leiten, die Landwirtschaft organisieren? Du wirst allein aufgrund der Besitzverhältnisse immer in irgendeiner Form Eliten haben. Da kannst du dich dann um den Endkunden bemühen wie du willst, die Frage bleibt, wer denn die Führung von uns übernehmen soll?

Dein Ansatz würde also nur funktionieren, wenn wir selbst dort die Herrschaft in Form einer Kolonie übernehmen würden, und keinem Einheimischen diese übergeben. Womit du vielleicht mehr zufriedene Endkunden hättest, aber zugleich alle einheimischen Eliten auf der Gegenseite.

Ein Konzept übrigens, dass die USA beim Partisanenkrieg auf den Phillipinen erfolgreich angewendet haben: die haben sich primär um die Endkunden gekümmert und die Eliten nieder gekämpft. Das Ergebnis war eine US-Kolonie auf den Phillipinen. Ein erfolgreicher Partisanenkrieg also, der belegt, dass deine Methode durchaus funktioniert, aber:

1 sie führt zwingend dazu, dass das entsprechende Gebiet eine Kolonie von uns werden müsste (und wie willst du das in der heutigen Zeit verkaufen? durchsetzen?

2 das erfordert erhebliche Mittel, deutlich mehr als andere Ansätze

Zitat:Aus meiner Sicht ist es einer der Hauptgründe wieso es nicht klappt, dass man diese meist korrupte, verfressene Elite für sich zu gewinnen versucht.

Nicht alle Teile der Elite sind korrupt und verfressen. Von denen die so sind, ist der größte Teil auf unserer Seite. Von denen die nicht korrupt und verfressen sind, ist der größte Teil auf der Seite der Feinde. Gerade deshalb verlieren wir. Du hast also insofern recht, dass der Hauptgrund warum es nicht klappt darin zu finden ist, dass wir keine fähigen Einheimischen Eliten für uns gewinnen konnten.

Das heißt aber nicht, dass es solche nicht gäbe. Wo es aber (Einzelfall) gar keine gibt, da wird man zur höheren Wahrscheinlichkeit immer scheitern, es sei denn man folgt dem Beispiel der USA auf den Phillipinen und kolonisiert das Gebiet dauerhaft und regiert es gleich selbst.

Zitat:Die Hilfe müsste immer direkt bei der Bevölkerung ankommen, dann besteht auch viel weniger die Gefahr, dass die Gelder/Güter missbraucht werden.

Praktisches Beispiel Afghanistan: Da wurde in bestimmten Fällen die dirket der Bevölkerung zugeteilte Hilfe unmittelbar nachdem wir der Sache den Rücken zukehrten von den einheimischen Eliten gleich wieder eingesammelt. Der Idealfall wäre natürlich, dass man sowohl über die Eliten Mittel fließen lässt als auch zusätzlich Mittel direkt der Bevölkerung zukommen lässt.

Die Frage ist natürlich: will man überhaupt so viel dafür aufwenden? Bestimmte Partisanenkriege wie beispielsweise der in Afghanistan wären mit einem erheblich höheren Mitteleinsatz durchaus zu gewinnen gewesen. Aber niemand hat je diese Mittel dafür aufgewendet und es war von Anfang an klar, dass man sie niemand sie dafür aufbringen würde.

Die Frage ist also: wie kann ich einen Partisanenkrieg mit dem möglichst kleinsten Aufwand führen und wie kann ich vermeiden, dauerhaft in eine Region hinein gezogen zu werden?!

Wenn man nicht bereit ist, dass zu tun was notwendig wäre um zu gewinnen, sollte man es natürlich bleiben lassen oder sich eben auf begrenzte Ziele beschränken. Auch Teilziele oder ganz geringe Erfolge zu erreichen (bei geringem Mitteleinsatz) kann besser sein, als sich massivst in etwas zu involvieren, was einen unsicheren Ausgang hat. Dazu müsste man natürlich über seinen Schatten springen und rechtzeitig das Feld räumen, wie Shahab3 es ja für Afghanistan beispielhaft beschrieben hat.
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[Kein Betreff] - von Holger - 23.01.2004, 11:13

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