08.02.2014, 02:57
Shahab3:
Das wäre aber unabhängig von der Frage, ob man einen Elitenansatz verfolgt oder nicht.
Diese Formen von Eliten überschneiden sich um einen oft weitgehend, insbesondere in den Ländern in denen Partisanenkriege wahrscheinlicher sind. Zum anderen sind auch die anderen von dir genannten Eliten keineswegs so einfach und schnell austauschbar, es sei denn: man wendet extreme Formen der Gewalt gegen sie an (politisch für uns so nicht möglich) oder man kolonialisiert das Gebiet erst mal und übernimmt selbst die Herrschaft (ebenfalls nicht möglich).
Den Politiker, Industriellen usw einfach auszutauschen ist eine hübsche und naive Vorstellung. Die dafür notwendigen Maßnahmen sind für uns nicht ergreifbar, noch mal ganz abgesehen von den Fern- und Nebenwirkungen einer solchen Doktrin.
Es gibt gerade eben im Partisanenkrieg überhaupt keine Norm: Die Mission von Frankreich in Mali ist daher keine Norm, sondern einfach ein Beispiel für einen erfolgreichen Partisanenkrieg. Im weiteren stand man dort keinesweges rückhaltlosen Bandidos gegenüber, sondern Tuareg-Kriegern die in ihren Stammesgebieten einen eigenen Staat gründen wollten und Kriegserfahrung wie Waffen in erheblichem Umfang aus Libyen mitbrachten. Ohne das Eingreifen Frankreichs wäre Mali komplett von ihnen erobert worden.
So ist es: und genau das ist bei genauerer Analyse einer der primären Gründe für das Scheitern.
Sehr viele Partisanenkrieg sind deshalb verloren worden, weil man aus Kontrollwahn heraus die Schwachen gefördert hat, weil diese leichter kontrollierbar sind. Genau das ist der Fehler:
Eine der Grundlagen für einen Sieg im Partisanenkrieg ist, dass man weniger Kontrolle ausübt bzw zulassen kann, dass man die Verbündeten bzw Einheimischen Kräfte weniger kontrolliert.
Das die Intention oft darauf abzielt heißt aber eben nicht, dass dieser Ansatz richtig ist. Die Idee jene Siegen zu lassen, auf die man den größten Einfluss hat verunmöglicht im Gegenteil oft das Siegen! Gerade deshalb sollte man eben nicht jene etablieren die unfähig sind, selbst wenn dies bedeutet, dass man dadurch seinen Einfluss verliert bzw mindert.
Das ist aber mal eine reine These für die ich gerne etwas mehr Argumente und praktische Beispiele hätte. Es sind schon eine Menge Partisanenkriege mit einer Top-Down Strategie gewonnen worden, ebenso wie viele mit dieser Strategie verloren worden.
Ein genauerer Blick zeigt auf, dass der entscheidende Faktor war: ob man fähige Eliten auf seiner Seite hatte oder eben nicht. Und umgekehrt ebenso: es sind schon eine Menge Partisanenkrieg mit einer Bottom-Up Strategie verloren worden, ebenso wie viele gewonnen wurden. Und wieder war eher entscheidend, ob die Eliten die auf unserer Seite eingriffen fähig waren oder eben nicht und zwar selbst dann, wenn man diese gar nicht in seiner Doktrin berücksichtigt hatte, weil man alles dem "einfachen Volk" zuwandte.
Wodurch aber erhält man echten Rückhalt? Durch Arbeitsplätze, Brunnen, Landwirtschaft?
In den meisten Partisanenkriegen sind all diese Dinge ohne Sicherheit nicht ereichbar. In vielen Partisanenkriegen wünscht sich die Bevölkerung sogar völlig unabhängig davon am allerersten Sicherheit. Weil niemand Lust hat, ständig von Bomben in die Luft gesprengt zu werden.
Der Rückhalt ergibt sich also meistens erst aus den erfolgreichen Polizei/Milizstrukturen. Er bedingt diese nicht, sondern umgekehrt bedingen diese ihn. All die genannten Dinge erhält man aber nun wesentlich leichter, wenn man fähige einheimische Eliten daran beteiligt. Diese können viel eher und leichter all diese Dinge für das Volk schaffen, weil sie sich auskennen, bereits integriert sind und weil sie über die notwendigen Fähgkeiten und Insiderkenntnisse verfügen.
Und selbst das bringt was, nämlich dass der Stammesführer nicht auf der Seite des Feindes agiert bzw weniger auf der Seite des Feindes agiert. Und die Stammesangehörigen haben eine Beschäftigung und ein Einkommen mit denen sie ihr Gras finanzieren können und müssen deshalb nicht als Räuber die Straßen belauern.
Genau genommen nicht. Im Irak versuchte man sich im Gegenteil an einem sehr weitgehenden Austausch der vorherigen Eliten, mit einer völligen Veränderung der machtpolitischen Strukturen. Gerade im Irak führte die De-Baathisierung überhaupt erst dazu, dass der Aufstand so an Fahrt gewann.
In Afghanistan wandte man sich wiederum nur an einen kleinen Teil der Eliten, und zwar insbesondere an die Unfähigen - mit der Absicht, diese besser kontrollieren zu können. Afghanistan ist aber ohnehin ein Sonderfall der primär lehrt: dass es für bestimmte Probleme einfach grundsätzlich keine Lösung gibt. Deshalb finde ich es auch immer so hochamüsant, wenn sich alles auf Afghanistan konzentriert, wo doch gerade dieser Spezialfall ein Musterbeispiel für ein unlösbares Problem darstellt. Wobei der Mangel an fähigen Eliten auf unserer Seite selbst da eklatant auffällig ist.
Und in beiden Fällen setzte man (insbesondere auch anfangs) viel zu wenige Truppen ein und diese anfangs auch zu zurückhaltend, so dass der Gegner sich überhaupt erst etablieren konnte.
Zitat:Das Verhältnis zum Volk wäre vor allem ein anderes. Ungefiltert an Informationen zu gelangen oder zu verbreiten ist doch wesentlich spannender.
Das wäre aber unabhängig von der Frage, ob man einen Elitenansatz verfolgt oder nicht.
Zitat:Eliten außerhalb kulturell fest etablierter Strukturen sind austauschbar. Du kannst die Stammesführung schlecht aushebeln, den Drogenbaron, Politiker, Rebellenführer, Industriellen etc...aber sehr schnell.
Diese Formen von Eliten überschneiden sich um einen oft weitgehend, insbesondere in den Ländern in denen Partisanenkriege wahrscheinlicher sind. Zum anderen sind auch die anderen von dir genannten Eliten keineswegs so einfach und schnell austauschbar, es sei denn: man wendet extreme Formen der Gewalt gegen sie an (politisch für uns so nicht möglich) oder man kolonialisiert das Gebiet erst mal und übernimmt selbst die Herrschaft (ebenfalls nicht möglich).
Den Politiker, Industriellen usw einfach auszutauschen ist eine hübsche und naive Vorstellung. Die dafür notwendigen Maßnahmen sind für uns nicht ergreifbar, noch mal ganz abgesehen von den Fern- und Nebenwirkungen einer solchen Doktrin.
Zitat:Außerdem gehen wir hier von falschen Voraussetzungen aus. Frankreichs Mission gegen ein paar unfähige und weitestgehend Rückhaltlose Bandidos die plündernd über Mali herzogen ist doch nicht die Norm.
Es gibt gerade eben im Partisanenkrieg überhaupt keine Norm: Die Mission von Frankreich in Mali ist daher keine Norm, sondern einfach ein Beispiel für einen erfolgreichen Partisanenkrieg. Im weiteren stand man dort keinesweges rückhaltlosen Bandidos gegenüber, sondern Tuareg-Kriegern die in ihren Stammesgebieten einen eigenen Staat gründen wollten und Kriegserfahrung wie Waffen in erheblichem Umfang aus Libyen mitbrachten. Ohne das Eingreifen Frankreichs wäre Mali komplett von ihnen erobert worden.
Zitat:Es auch nicht überraschend, dass sich anderswo häufig gerade die Unfähigen durchsetzen, gerade weil äußere Kräfte sich sehr gezielt der Unfähigen bedienen.
So ist es: und genau das ist bei genauerer Analyse einer der primären Gründe für das Scheitern.
Sehr viele Partisanenkrieg sind deshalb verloren worden, weil man aus Kontrollwahn heraus die Schwachen gefördert hat, weil diese leichter kontrollierbar sind. Genau das ist der Fehler:
Eine der Grundlagen für einen Sieg im Partisanenkrieg ist, dass man weniger Kontrolle ausübt bzw zulassen kann, dass man die Verbündeten bzw Einheimischen Kräfte weniger kontrolliert.
Zitat:Die Intention einer äußeren Macht zielt im Partisanenkrieg doch darauf ab Einfluss zu nehmen und jene Siegen zu lassen auf die man nach dem Konflikt noch den größten Einfluss nehmen kann, also gerade jene zu etablieren die unfähig sind
Das die Intention oft darauf abzielt heißt aber eben nicht, dass dieser Ansatz richtig ist. Die Idee jene Siegen zu lassen, auf die man den größten Einfluss hat verunmöglicht im Gegenteil oft das Siegen! Gerade deshalb sollte man eben nicht jene etablieren die unfähig sind, selbst wenn dies bedeutet, dass man dadurch seinen Einfluss verliert bzw mindert.
Zitat:Mit einer top-down Strategie verliert man jeden handfesten Partisanenkrieg. Es sei denn die gewählte Elite geht in einer recht frühen Phase extrem brutal und abschreckend gegen die Opposition vor, so dass die Partisanen den für sie notwendigen Rückhalt in der Bevölkerung aus purer Furcht vor Repressalien verlieren.
Das ist aber mal eine reine These für die ich gerne etwas mehr Argumente und praktische Beispiele hätte. Es sind schon eine Menge Partisanenkriege mit einer Top-Down Strategie gewonnen worden, ebenso wie viele mit dieser Strategie verloren worden.
Ein genauerer Blick zeigt auf, dass der entscheidende Faktor war: ob man fähige Eliten auf seiner Seite hatte oder eben nicht. Und umgekehrt ebenso: es sind schon eine Menge Partisanenkrieg mit einer Bottom-Up Strategie verloren worden, ebenso wie viele gewonnen wurden. Und wieder war eher entscheidend, ob die Eliten die auf unserer Seite eingriffen fähig waren oder eben nicht und zwar selbst dann, wenn man diese gar nicht in seiner Doktrin berücksichtigt hatte, weil man alles dem "einfachen Volk" zuwandte.
Zitat:Um wirklich erfolgreich Polizei/Milizstrukturen aufzubauen, um Partisanen den Rückhalt beim Volk zu entziehen, muss man es schaffen viel mehr echten Rückhalt beim Volk zu erlangen, wie die Partisanen.
Wodurch aber erhält man echten Rückhalt? Durch Arbeitsplätze, Brunnen, Landwirtschaft?
In den meisten Partisanenkriegen sind all diese Dinge ohne Sicherheit nicht ereichbar. In vielen Partisanenkriegen wünscht sich die Bevölkerung sogar völlig unabhängig davon am allerersten Sicherheit. Weil niemand Lust hat, ständig von Bomben in die Luft gesprengt zu werden.
Der Rückhalt ergibt sich also meistens erst aus den erfolgreichen Polizei/Milizstrukturen. Er bedingt diese nicht, sondern umgekehrt bedingen diese ihn. All die genannten Dinge erhält man aber nun wesentlich leichter, wenn man fähige einheimische Eliten daran beteiligt. Diese können viel eher und leichter all diese Dinge für das Volk schaffen, weil sie sich auskennen, bereits integriert sind und weil sie über die notwendigen Fähgkeiten und Insiderkenntnisse verfügen.
Zitat:Es bringt nämlich überhaupt nichts, mit einem cleveren Stammesführer einen Deal auszhandeln und dann seine völlig unmotivierten Leute bekifft in der Bedienung von Waffen zu unterrichten.
Und selbst das bringt was, nämlich dass der Stammesführer nicht auf der Seite des Feindes agiert bzw weniger auf der Seite des Feindes agiert. Und die Stammesangehörigen haben eine Beschäftigung und ein Einkommen mit denen sie ihr Gras finanzieren können und müssen deshalb nicht als Räuber die Straßen belauern.
Zitat:Das für den Irak und Afghanistan gewählte Konzept war exakt Deines. Man sucht sich Eliten und die werden es schon richten.
Genau genommen nicht. Im Irak versuchte man sich im Gegenteil an einem sehr weitgehenden Austausch der vorherigen Eliten, mit einer völligen Veränderung der machtpolitischen Strukturen. Gerade im Irak führte die De-Baathisierung überhaupt erst dazu, dass der Aufstand so an Fahrt gewann.
In Afghanistan wandte man sich wiederum nur an einen kleinen Teil der Eliten, und zwar insbesondere an die Unfähigen - mit der Absicht, diese besser kontrollieren zu können. Afghanistan ist aber ohnehin ein Sonderfall der primär lehrt: dass es für bestimmte Probleme einfach grundsätzlich keine Lösung gibt. Deshalb finde ich es auch immer so hochamüsant, wenn sich alles auf Afghanistan konzentriert, wo doch gerade dieser Spezialfall ein Musterbeispiel für ein unlösbares Problem darstellt. Wobei der Mangel an fähigen Eliten auf unserer Seite selbst da eklatant auffällig ist.
Und in beiden Fällen setzte man (insbesondere auch anfangs) viel zu wenige Truppen ein und diese anfangs auch zu zurückhaltend, so dass der Gegner sich überhaupt erst etablieren konnte.