02.03.2014, 21:53
Was mir bei diesem ganzen Drama um die Krim ein wenig zu kurz kommt, ist die Rolle der Krimtataren. Man hört und liest immer wieder, dass es ein Konflikt zwischen Russen bzw. russischorientierten und Ukrainern bzw. nach der Westukraine hin orientierten Kreisen sei. Der Faktor der Religion kommt indessen kaum zu Wort. Dabei werden die (sunnitischen) Krimtataren, die bislang noch weitestgehend stillgehalten haben, irgendwie oftmals ausgeblendet. Diese islamische Minderheit, die nach zwei blutigen Ausrottungskampagnen Moskaus (1919 bis 1921/22 & 1944) sich in der Ablehnung des Einflusses Russlands wohl recht einig ist und die nachvollziehbarer Weise lieber nach Kiew schaut, könnte für die Russen noch zum Problem werden. Einerseits werden derzeit anscheinend die ersten Tataren auf der Krim Opfer von Ausgrenzung und Diffamierung, und andererseits sind sie offenkundig auch notfalls zum offenen Widerstand bereit. Wenn die Russen hier nicht aufpassen und versuchen, diese ihnen zugleich auch suspekte und von ihnen fast dämonisierte Minderheit weitblickend und diplomatisch klug einzubinden oder zumindest in Frieden leben zu lassen, dann könnte diese militärische Aktion derzeit auf der Krim der Auftakt zu einem erbitterten, von Terror und Gegenterror geprägten Kleinkrieg werden, der Russland wohl mehr kosten könnte (auf Dauer gesehen) als dieser jetzige Streit mit Kiew. Ein "Protektorat Krim" mit dagestanischen Zuständen braucht man in Moskau sicher nicht auch noch...
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Schneemann.
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Zitat:Krimtataren<!-- m --><a class="postlink" href="http://www.zeit.de/politik/2014-03/krimtataren-russland-krieg">http://www.zeit.de/politik/2014-03/krim ... land-krieg</a><!-- m -->
Nationale Verräter? Bitte nicht schon wieder
Seit der Kriegsdrohung Russlands haben die Krimtataren Angst vor Plünderungen und Übergriffen. Sie fürchten, wie schon nach dem Zweiten Weltkrieg als Verräter zu gelten. [...] Der Fernseher in Remzi Kafadars Haus läuft ohne Pause und mit voller Lautstärke. Im Wohnzimmer des unverputzten Hauses sitzen der 31-Jährige, seine Frau, seine beiden Töchter, Vater, Mutter und Großmutter. Sie verfolgen gebannt die Nachrichten aus der Krim-Hauptstadt Simferopol, aus Kiew und Moskau. Es sind keine guten Neuigkeiten: Russland droht mit einem militärischen Angriff in der Ukraine – und die Konfrontation könnte auf der Krim stattfinden, in der Heimat der Familie Kafadar.
Kafadar und die anderen 125 Familien in Fontany fühlen sich im Stich gelassen. "Die Regierung in Kiew unternimmt nichts", sagt er. "Und wir sind hier in der Minderheit." Sie fürchten Übergriffe der russischen Mehrheitsbevölkerung. Denn die Tataren gelten als Verbündete Kiews. [...] Die Krimtataren sorgen sich, einmal mehr als "nationale Verräter" zu gelten. Per Twitter machten am Samstag Berichte die Runde, wonach Türen von krimtartarischen Häusern von prorussischen Milizen gekennzeichnet wurden. Eine unabhängige Bestätigung dafür gibt es nicht. Doch die Angst vor Übergriffen und Plünderungen steigt. [...]
Jetzt, nach Russlands Drohung mit Krieg, wächst die Angst der Tataren – aber auch das Bewusstsein, ihre Existenz auf der Krim verteidigen zu müssen. "Wir gehen nie mehr von der Krim weg", sagt Kafadar...
Schneemann.