Aufstands- und Partisanenbekämpfung (COIN)
Ein interessanter Artikel über 3 Krieger welche in Afghanistan aufeinander trafen:

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Der deutsche Fallschirmjäger:

Zitat:Am meisten erinnert sich Mutschke an die Stille. Warum huschen die Bauern hinter Mauern, als wollten sie sich in Stellung bringen? Und warum zum Teufel steht er wie zum Abschuss frei auf diesem ungeschützten Feld? Nur etwa 80 Meter entfernt legten die Taliban ihre Kalaschnikows an.

Der Afghane:

Zitat:Wie stümperhaft diese Deutschen doch sind, dachte sich Habib. Stellen sich wie Freiwild ins Feld. Sie haben vielleicht die beste Ausrüstung, kennen aber die Gegend nicht. Sie haben High­tech-Drohnen, finden aber ihre Feinde auf 80 Metern nicht.

Zitat:Nach wenigen Minuten traf ein Schuss Commander Habib in den Unterschenkel. Ein brennender Schmerz, aber die Hauptschlagader war unversehrt, stellte er fest, nichts, was ihn vom Weiterkämpfen abhielt. Er brauchte keine Operation, er bekam – anders als die Deutschen – auch keine Therapien oder Orden.

Der deutsche Fallschirmjäger:

Zitat:Mutschke ist umgeben von zwei Presseoffizieren und dem «Beauftragten für Einsatzgeschädigte der Luftlandebrigade 31».
Haben Sie getroffen?, frage ich ihn.
«Weiss nicht. Du schiesst halt. Du siehst ja nicht alles.»
Wie ist der Moment, in dem man schiesst, um zu töten?
«Man macht halt seinen Job. Man versucht, nicht gross nachzudenken.»

Der Afghane:

Zitat:Fragt man Habib, ob er die Deutschen getötet hat, sagt er: «Darum geht es. Ich habe keine Skrupel zu töten.»
Wie viele haben Sie in Ihrem Leben getötet?
«Bestimmt 200», sagt er.

Der Ami:

Zitat:LaCrosse, der Pilot, sagt: «Bei all unseren Einsätzen beseitigten wir über 100 Feinde. Sie haben es nicht anders verdient.»

Der Deutsche und der Afghane:

Zitat:Ihre Angaben sind nicht überprüfbar. Die Taliban neigen zur Übertreibung, die Deutschen zur Verniedlichung. Der eine hat den Krieg immer nur simuliert. Der andere stets gelebt.

Der deutsche Fallschirmjäger:

Zitat:Und so rannte Mutschke ballernd los. 110 Kilo Körpergewicht plus 30 Kilo Ausrüstung, das G3 in Hüfthöhe, mitten in die Feindstellung hinein, 300 lange Meter über das stoppelige Weizenfeld.
Es ist der Moment, für den man nicht trainieren kann, in dem Menschen versagen oder über sich hinauswachsen. Mut­schke sagt heute: «In dem Moment hatte ich keine Angst vorm Sterben, nur unbändigen Willen. Du denkst: Mich trifft es nicht. Wenn ich heute realisiere, was ich gemacht habe, denke ich: Wahnsinn. Was wäre passiert, wenn ich nicht angekommen wäre? Dann hätte ich massakriert im Propagandavideo gehangen.»
Mutschke erreichte die Männer des Hauptzuges, sie holten den verletzten Adebahr und die anderen raus. Später erhält Mutschke dafür das Ehrenkreuz für Tapferkeit und eine Gefechtsmedaille.

Der Ami:

Zitat:Nach einem weiteren Wortgefecht bekam LaCrosse endlich das Okay für den Flug. Binnen sieben Minuten war er in der Luft, gemeinsam mit seinem Sanitäter Travis Brown und einem zweiten Blackhawk, der ihm den Weg freischiessen sollte. Doch da erhielt er einen Funkspruch: Sofort umkehren. Die Mission ist zu gefährlich.
«Ich habe kurz nachgedacht», erzählt LaCrosse. «Befehl verweigern geht nicht. Verletzte im Stich lassen auch nicht. Ich sagte also: Ich versteh nichts.
Hab Probleme mit der Funkverbindung.»
Aber das ist doch Befehlsverweigerung? LaCrosse grinst.

Zitat:«Wir fliegen also rein. 13 Uhr. Wollen landen. Doch überall Schüsse. Popp. Popp. Wie Popcorn. Eine Rakete explodiert unter uns. Zwei Schüsse durchschlagen den Rotor. Aber Blackhawks sind robust. Wir brechen die erste Landung ab. Fliegen schneller an. Ich bekomme die Ansage: Touchdown unmöglich. Landezone zu heiss. Ich antworte: Für mich ist sie kalt genug. Mein Attack Bird schiesst mir einige Taliban aus dem Weg. Dann landen wir. Nehmen die beiden Verletzten an Bord. Sind auf dem Rückflug.

Der deutsche Fallschirmjäger:

Zitat:Auch Maik Mutschke wurde schwer getroffen, die Bombe zerfetzte sein Gesicht und den linken Arm. Er sagt es so: «Du konntest vom offenen Hals bis in den Kiefer sehen. Da war bei mir Dienstschluss.»
Da lag Mutschke im Staub von Isa Khel und schien dem Tod geweiht. Ein Sanitäter war bei ihm. Für den Fall der Fälle hatte Mutschke seinem Schwager einen Song in die Hand gedrückt. Er möge ihn auf der Beerdigung spielen, «Geboren, um zu leben» von der Gruppe Unheilig. «Man denkt schon über das Sterben nach», gibt Mutschke zu. «Darüber, dass man vielleicht nie mehr nach Hause kommt.»
Über den Anschlag sagt Mutschke zunächst: «Das war feige und hinterhältig.»

Der Afghane:

Zitat:Habib erwidert: «Sprengfallen sind nicht meine Sache, aber sie schaffen Gleichheit im Gefecht. Die Deutschen haben Drohnen, Flugzeuge und Panzer. Es gibt eine Aufgabenteilung bei den Taliban: die Klerikalen, die Bombenbauer und die Krieger. Ich bin Krieger. Ich finde direktes Töten ehrlicher.»

Der Ami:

Zitat:Viermal flogen die Blackhawks hin und her, sie sammelten Verwundete und Tote ein, sie bekämpften die Taliban aus der Luft und signalisierten den Deutschen, wo sich der Feind befand. Sie brachten die Wende, gibt Habib zähneknirschend zu.
Keine Angst vorm Sterben?, frage ich auch LaCrosse. «Beschossen zu werden, macht mir nichts aus. Ich liebe das Adrenalin.»

Alle drei zusammen:

Zitat:Wer gewann? Glaubt man Mutschke, so endete das Gefecht unentschieden. «Die werden tierisch gekotzt haben, dass sie nur so wenige getötet haben.»
LaCrosse sagt, ganz der Analytiker: «Eigentlich die Deutschen. Sie haben sich gegen einen zahlenmässig überlegenen Gegner behauptet. »
Habib sieht einen klaren Sieg der Taliban, den Beleg, dass eine Gruppe Krieger in Sandalen eine hochgerüstete High­tech-Armee in die Knie zwingen kann.

Bezeichnend dass der Deutsche Fallschirmjäger keinen Sieg seiner Sache ausmachen kann....

Der deutsche Fallschirmjäger:

Zitat:Maik Mutschke wird dreimal wiederbelebt und noch am selben Tag nach Deutschland geflogen. Keine 24 Stunden später wird er in Koblenz operiert, es ist die erste von zwölf Operationen. Die Ärzte haben es mit Nierenversagen zu tun, inneren Verbrennungen, einem zersprengten Gesicht.

Zitat:Sechs Monate verbringt er im Krankenhaus, es folgen Reha, Therapien, ein Glasauge, «eine neue Schulterorthese zum Preis eines Gebrauchtwagens». Er bekommt eine Einmalzahlung von 150 000 Euro, eine Versehrtenrente, sogar eine Ausbildung zum Skilehrer wird ihm bezahlt.

Der Afghane:

Zitat:Auch das ist ein Unterschied zwischen den Kriegern. Mutschke wehrt sich gegen den Tod. Habib dagegen sehnt ihn fast herbei. Er hat, aus seiner Sicht, abgeräumt für Allah. Er hat sein Planziel übererfüllt.

Zitat:Für Habib und seine Einheit gibt es eine Pauschale: 100 000 Afghani im Monat, 1600 Euro. Davon bezahlt er Motorräder, Benzin, Essen, Kleidung. Darüber hinaus gilt das Leistungsprinzip. Habib wird an der Zahl der Opfer gemessen. Der Karfreitag 2010 war sein bester Zahltag.

Zitat:Habib kämpfte schon mit 14 gegen die Russen. Er war das jüngste von zehn Kindern, kann weder lesen noch schreiben. So wie andere in die Pubertät treten, trat er in den Krieg. Wie viele Taliban ist er nicht so ideologisch wie oft dargestellt. Es geht ihm weniger um den Tod der Ungläubigen als um Geld und Macht. In der Sprache des Westens: um die berufliche Perspektive.

Der Ami:

Zitat:Schwieriger ist die Rückkehr für Jason LaCrosse. Nach seinem sechsten Auslandseinsatz freute er sich auf sein beschauliches Dorf, aber nun kann er mit ihm nichts anfangen. Tagsüber geht er auf riskante Mountainbike-Touren.

Zitat:Sie waren doch der Held!, halte ich ihm entgegen. «Ich habe versagt», kontert er. «Hartert war noch am Leben. Wären wir eher losgeflogen, könnte er jetzt hier sitzen.»
Sie haben sieben andere gerettet! «Aber einen verloren. Das macht mich fertig.»

Der deutsche Fallschirmjäger:

Zitat:Mutschke ist zunächst enttäuscht von seinen Vorgesetzten. Sie haben ihn allein gelassen, erst im Krieg und dann in seinem Krieg danach. Er soll zum Materialbewirtschaftungssoldaten ausgebildet werden. «Ich werde nicht mehr zum Schiessen eingesetzt, sondern zum Schleppen von Batterien.»
Auf der Strasse starren ihn die Menschen an. Sie sehen ein Gesicht, das sie nur aus Horrorfilmen kennen. Wenn Passanten höflich nach der Ursache fragen, erklärt er es ihnen. Wenn sie glotzen, glotzt er zurück. Einmal erklärte ihm einer, dass es ihm recht geschehe. Das macht Mutschke am meisten zu schaffen: Die Deutschen müssen Krieg ja nicht mögen, aber sie könnten mit ihren verwundeten Soldaten mitfühlen.

Der Afghane:

Zitat:Habib dagegen erntet Bewunderung für sein Aussehen. «Je grausamer, desto besser», sagt er. Seine Wunden erzählen die Geschichte eines Kriegers. Für Mutschke mögen Narben ein Zeichen der Versehrtheit sein. Für ihn sind sie eines der Vollkommenheit.

Der deutsche Fallschirmjäger:

Zitat:«Ich rede auch mit den Taliban», sage ich zu Mutschke, «mit Menschen, die auf Sie schossen.» Mutschke zögert mit einer Antwort. Schliesslich sagt er: «Warum nicht?»
Würde er selbst mit ihnen reden? – «Dafür ist die Zeit nicht reif. Sie haben meine Kameraden getötet. Aber ich will schon wissen, was sie denken.»

Der Afghane:

Zitat:Habib sagt über eine Begegnung: «Jederzeit. Wenn sie angemeldet in mein Dorf kommen, würde ich ihnen ein Schaf schlachten.

Der Ami:

Zitat:LaCrosse ist voller Elan. Er befindet sich endlich wieder in einem Kampf, diesmal allerdings mit der eigenen Armee. Sie wollen ihn für ein Jahr nach Südkorea abschieben, ein Schreibtischjob. Da reicht er impulsiv seine Kündigung ein, zehn Tage bevor er zum Major befördert werden sollte. Nach 21 Jahren Army, nach 700 Gefechtsstunden. Er will ein neues Leben beginnen, in seiner Heimat im US-Bundesstaat Maine. Schon sein Vater kämpfte in Vietnam. Sein Grossvater landete im Zweiten Weltkrieg in der Normandie.

In den USA:

Zitat:Es sind heisse Tage in Camp Pendleton, der Boden staubig, die Pflanzen trocken, fast wie in Afghanistan. Aber Erinnerungen kommen bei ihm nicht hoch. Mutschke geht in ein Shoppingcenter, da hört er: «Thank you for your service.» Im Bus: «Thank you for your service.» – «Der helle Wahnsinn», findet er, «die Amis lieben Soldaten.» Mutschke ist wie verwandelt. Er ist umgeben von Menschen, die ähnlich aussehen wie er selbst. Amputierte, Vernarbte, Brandopfer. Und Tausende jubeln ihnen zu.

In Deutschland:

Zitat:Auf der Strasse starren ihn die Menschen an. Sie sehen ein Gesicht, das sie nur aus Horrorfilmen kennen. Einmal erklärte ihm einer, dass es ihm recht geschehe. Das macht Mutschke am meisten zu schaffen: Die Deutschen müssen Krieg ja nicht mögen, aber sie könnten mit ihren verwundeten Soldaten mitfühlen.

In Afghanistan:

Zitat:Für Habib dagegen wird die Lage mit den Jahren schlechter. Er beobachtet jetzt Brücken, Strassen, Gräben, sagt: «Ich war ein Führer. Jeder respektierte mich, weil ich ein guter Krieger war.» Ihm geht es wie LaCrosse und vor ihm Mutschke: Er fühlt sich nutzlos.

Zitat:«Ich müsste etwas Grosses machen.»
Was kann das sein? – Da grinst er. «Etwas Grosses. Darunter fallen: Mord des Gouverneurs, Angriff auf Nato-Soldaten, Entführungen von Westlern.»
Es ist das letzte Gespräch mit Habib. Danach ist sein Telefon abgemeldet. Der Krieg in Afghanistan geht ins 37. Jahr.

Der Ami:

Zitat:LaCrosse blickt hinaus auf den See. «Mit wem soll ich Sport machen?», klagt er. «Ich habe hier keine Freunde. Auch meine Ehe stand am Abgrund.» Woran liegt das? – «Vor allem vermisse ich die Army.» Es gebe noch eine Chance für eine Rückkehr, sagt LaCrosse zum Abschied. «Wenn es gegen den IS richtig losgeht. Dann lass ich meine Brüder und Schwestern nicht im Stich.» Es klingt nicht so sehr wie eine Möglichkeit denn wie eine Hoffnung. Eine Rettung.
Endlich wieder im Einsatz.

In Deutschland:

Zitat:Am frühen Abend sitzt Mutschke unter einer Palme, auf dem Trainingsanzug der Bundesadler. Nie in den fünf Jahren schien er so glücklich. Er sagt: «Ich habe ein neues Ziel. Ich will zu den Paralympics.«
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[Kein Betreff] - von Holger - 23.01.2004, 11:13

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