17.03.2021, 09:48
Fortführung aus Schützenwaffen des 21 Jahrhunderts
Nelson:
Vielen Dank für deine Darstellung, so verstehe ich besser wo die Unterschiede sind bzw. wie du es dir hier vorstellst. Wir haben eben nicht das gleiche Kriegsbild hier. Stau und Brücke, dass zeigt klar auf, dass du hier eine völlig andere Vorgehensweise andenkst.
Echte Leichte Infanterie steht nie in einem Stau, da sie keine Straßen benutzt. Sie benutzt allenfalls einen Stau von Zivilisten wenn sie selber in Zivil diesen zur Fuß für eine gedeckte Bewegung verwenden wollte (so geschehen im Libanon). Leichte Infanterie steht schon deshalb nicht im Stau, weil sie keine Fahrzeuge hat und benötigt daher auch keine Brücken.
In meiner Vorstellung stirbt unser Infanterist inmitten eines dichten Waldes in einem Gebüsch durch massives Artilleriefeuer nachdem eine Drohne trotz der Überdeckung eine Themalsignatur aufdecken konnte, wenigstens einen Kilometer von jedem feindlichen Soldaten entfernt (so geschehen in Berg-Karrabach).
Das Sterben wird aber nicht nur die Infanterie betreffen, es wird in allen Truppengattungen erheblich sein und überall größtenteils außer der Sichtweite des Gegners stattfinden. Das ist einfach völlig normal. Tatsächlich würde echte leichte Infanterie hier weniger gefährdet sein als Panzerbesatzungen und anderes Großgerät welches von der Abschusspriorität höher gewichtet wird und viel leichter aufzuspüren ist.
Exakt so ist es. Und das führt zu der Frage, wie man mit den Mitteln welche real verfügbar sind eine möglichst große Kampfkraft bereit stellen kann. Dies kann aufgrund der Begrenzung der Möglichkeiten nur mit einem Primat auf der Defensive sein und mit einem Primat auf kosteneffizienten Lösungen. Für den Preis nur einer einzigen neuen Fregatte könnte man immense Mengen an Schützenwaffen, Minen und Sprengstoff beschaffen und eine erhebliche Zahl leichter Infanteristen auf ein sehr hohes Niveau hin ausbilden. Gleichzeitig bedroht eine solche Rüstung viel weniger als andere Ansätze (mechanisierte Verbände) und wirkt daher friedensstabilisierend, sie wird zudem unterschätzt und darüber hinaus kann sie auch in vielen anderen Szenarien, insbesondere in einem assymetrischen Geschehen viel besser eingesetzt werden als das was jetzt ist.
Allgemein geht heute die Tendenz hin zu einer Einheits-Infanterie, die de facto Panzergrenadiere sind. Die heutige Jägertruppe mit den GTK Boxer (selbst Gebirgsjäger erhalten GTK Boxer) ist ebenso in Wahrheit eigentlich eine Panzergrenadiertruppe wie das überall in den westlichen Streitkräften der Fall ist. Auch die Franzosen, Briten und andere rüsten ihre Infanterie mit immer stärkere gepanzerten Fahrzeugen aus und vereinheitlichen ihre Infanterie zu de facto Panzergrenadieren. Die Rolle leichter Infanterie fällt damit immer mehr an Spezialkräfte, welche aber quantitativ zu unzureichend sind. Es ist daher hier eine Lücke entstanden die man nicht nur besonders leicht und sehr kostengünstig schließen könnte, sondern deren Schließung darüber hinaus auch noch ein erheblicher militärischer Vorteil wäre.
Allgemein bin ich kein Freund einer Einheits-Infanterie, da zwingend das Gelände eine Spezialisierung erforderlich macht. Wir haben ja auch in allen anderen Bereichen spezialisierte Truppen, weil sie notwendig sind. Will man aber (aus Effizienz-Gründen etc) so weitgehend wie möglich vereinheitlichen, so sollte man eine echte leichte Einheits-Infanterie schaffen und eben nicht eine de facto mechanisierte Einheits-Infanterie. Da man Panzergrenadiere zwingend weiter benötigt so hat man schlussendlich zumindest zwei Typen von Infanterie (wobei ich Panzergrenadiere beispielsweise nicht mal als Infanterie sehe). Will man also aus kriegswirtschaftlichen Gründen vereinheitlichen, macht es am ehesten Sinn Truppen wie die Fallschirmjäger oder Gebirgsjäger abzuschaffen, dafür aber eben die Jäger-Truppe als leichte Einheits-Infanterie tatsächlich so aufzustellen, dass diese leichter strukturiert wird als dies heute selbst bei den Gebirgsjägern der Fall ist, also ohne Fahrzeuge, mit einer auf Nachschubunabhängigkeit spezialsierten Doktrin, Struktur, Bewaffnung und Ausrüstung.
Damit wird eine solche leichte Einheits-Infanterie zugleich uneingeschränkt Luftsturmtauglich.
Solange wir die dortigen Militärs fast dazu nötigen ebenfalls mechanisierte Einheiten aufzustellen und ihnen GTK Boxer verkaufen (aus Gewinngier und nicht aus militärischer Sinnhaftigkeit) kann ich dir nur zustimmen. Tatsächlich aber wäre das Baltikum durchaus in der Art verteidigbar, dass die Russen erheblich länger brauchen würden es zu besetzen und dafür erheblich mehr Truppen benötigen würden.
Das Baltikum könnte Wochen und in Teilen sogar Monatelang Kampfplatz sein und erhebliche Zahlen russischer Einheiten binden, wenn man dort nur sinnvoll rüsten würde. Es wäre leicht möglich mit ganz anderen militärischen Konzepten das Baltikum in ein Gebiet zu verwandeln, dass schon im ersten Auftakt den russischen Streitkräften horrende Verluste zufügt und einen Gros der real vorhandenen russischen Militärkapazität bindet. Nur dadurch würden dann Alternativen zu Aufgeben oder mühsamer Rückeroberung aus weiter Ferne überhaupt erst möglich werden.
Rein persönlich war ich immer von der Armee der Schweiz fast am meisten begeistert, aber auch in der Schweiz hat der Niedergang eingesetzt und man entfernt sich immer mehr von dem was in Kalter Krieg Zeiten noch da war.
Die Frage ist, was diese Bundeswehr so wie sie heute aufgestellt ist überhaupt leisten könnte. Das reicht ja weit über die Frage der Infanterie hinaus. De facto ist diese Bundeswehr hier und heute Kriegsunfähig. Verbleibt die Frage, wie man überhaupt zumindest in Bezug auf die Landesverteidigung und die Frage von assymetrischen Einsätzen im Inneren dieser Bundesrepublik eine ausreichende Kampfkraft an sich wieder herstellen soll. Man müsste zunächst erstmal hier die Defensiven Fähigkeiten stärken, von einer Offensivkraft sind wir aktuell derart weit entfernt, dass es eigentlich ohnehin ausgeschlossen ist, dass wir irgendwo in einem ernsthaften Krieg ernsthaft offensiv vorgehen könnten. Gerade deshalb mein Primat darauf, zuerst mal eine ausreichend große leichte Infanterie aufzustellen und dann erst mit anderen Dingen fortzufahren. Das reicht zudem wie geschrieben weit über die Frage eines großen konventionellen Krieges hinaus hin zur in den nächsten Jahrzehnten höchstwahrscheinlich zwingend notwendig werdenden Einsatz im Inneren hin zu sozialkulturellen Fragen.
Rein offensiv aber ist der Einsatz solcher Infanterie durchaus auch möglich. Heute hat die Kriegsführung aufgrund der immens gesteigerten Waffenwirkung in ihrer Geschwindigkeit abgenommen, Verbände stoßen nicht mehr so schnell vor weil dies gar nicht mehr möglich ist ohne inakzeptable Risiken. Die notwendige Dislozierung und das schwierige Zusammenführen der dislozierten Kräfte, die Notwendigkeit der Tarnung und das ebenfalls zwingend notwendige und stark beanspruchende ständige Verlegen auf taktischer Ebene ohne dass man dabei operativ voran käme – haben heute zwingend zur Folge, dass selbst vollmechanisierte Verbände operativ immer langsamer werden (Buchempfehlung in diesem Kontext: Military Power von Stephen Biddle). Das interessante ist, dass heute Infanterie zu Fuß ohne jede Fahrzeuge tatsächlich vom operativen Tempo mit mechanisierten Verbänden in etlichen Fällen mithalten könnte – das hängt aber natürlich wiederum stark vom Gelände ab.
Amüsant dass du hier Lützow nennst, da die Schwarzen Jäger seit Jahrzehnten ein Thema sind welches mich begeistert und inspiriert hat. Tatsächlich war der Anteil der Jäger in seiner Einheit gar nicht so groß, aber gerade in dem Jäger-Detachment war der Anteil von Studenten besonders groß und gerade die Jäger machten den Gros der militärischen Leistung dieser Einheit aus.
Interessant und sehr aufschlußreich sind hier die Desertionsquoten: während allgemein im Freikorps fast jeder Vierte desertiert, waren es bei den von Studenten geprägten eigentlichen Jägern gerade mal nur jeder hundertste. Bereits die schwarzen Jäger zeigen auf, dass man gerade für die Infanterie die beste personelle Auswahl benötigt und hier das beste Menschenmaterial sammeln muss, statt wie es bei dieser Bundeswehr heute ist genau das Gegenteil zu tun.
Wie aber manövriert heute leichte Infanterie offensiv in den gegnerischen Raum hinein? Wenn die Umstände es gestatten (Flüchtlingsbewegungen, Gelände, Kriegslage, Abnutzung gegnerischer Großsysteme etc) schlicht und einfach zur Fuß. Wenn man 30 Kilometer am Tag zurück legt, ist man nicht viel langsamer als ein mechanisierter Verband heutzutage und hat man in einer Woche bereits 210 km zurück gelegt. Nach zwei Wochen 420 Kilometer und in der Zeitdauer des Berg-Karrabach Konfliktes beispielsweise (ca 4 Monate) könnte man ad extremum bereits 3360 Kilometer zurück legen. Das sind natürlich nur rein theoretische Werte, sie sollen lediglich aufzeigen, dass man heute die unspektakuläre Bewegung zur Fuß drastisch unterschätzt und die operative Geschwindigkeit mechanisierter Verbände drastisch überschätzt.
Noch darüber hinaus ist eine solche von allen eigenen Fahrzeugen befreite Infanterie jederzeit dazu in der Lage sich zivile Fahrzeuge in Feindesland zu requirieren, ebenso wie sie zivile Fahrzeuge in der Heimat requirieren könnte. Mit ensprechenden landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen kann man teilweise besser querfeldein agieren als dies heute mit vielen militärischen Radpanzern möglich ist.
Noch darüber hinaus ist eine solche leichte Infanterie vollumfänglich und ohne Einschränkung der Kampfkraft lufsturmtauglich. In dem Ausmaß in dem nach relativ kurzer Zeit die feindliche Luftraumverteidigung Lücken aufweist und schließlich zumindest in bestimmten Räumen bzw. temporär zusammen bricht, werden aufgrund der Räume mit sehr geringer Truppendichte in Osteuropa Luftsturmoperationen möglich, welche beispielsweise genau die Achillesferse der russischen Armee, nämlich ihre Versorgungslinien und rückwärtigen Dienste bedrohen. Gerade weil die Russen sehr weitgehend auf Mechanisierung und Artillerie setzen und zugleich unterentwickelte und anfälligere Strukturen für die Versorgung derselben haben, sind diese selbst für relativ schwache Verbände sehr verwundbar. So könnte hier eine verstärkte Kompanie bereits ausreichen wenn sie an der richtigen Stelle angesetzt wird eine ganze russische Brigade weitgehend in ihrer Kampfkraft einzuschränken. Dazu treten dann noch weiter in die Tiefe reichende Angriffe auf die feindliche Infrastruktur (womit die Russen übrigens rechnen weshalb sie gerade eben einen so starken Wert auf die Schwimmfähigkeit ihrer Fahrzeuge legen und so große Truppenstärken bei Kräften der Inneren Sicherheit (Innenministerium, Grenzschutz, geschlossene Einheiten der Polizei, paramilitärische Verbände) aufgestellt haben.
Da sich mit dem Vordringen eine immer stärkere Dislozierung ergibt, ändern sich dabei auch die Ziele. Der Auftrag wechselt dann immer mehr vom Kampf gegen feindliche Einheiten hin zum Angriff auf rückwärtige Dienste des Feindes sowie dessen Infrastruktur und schließlich hin zur Aufklärung. Vor allem aber bindet selbst die Präsenz recht schwacher eigener Kräfte hier erhebliche Truppenzahlen des Feindes, welche dieser dann nicht an der Front zu einem Schwerpunkt gegen uns zusammen fassen kann und zieht automatisch die feindlichen Streitkräfte auseinander in deren eigenes Hinterland. Der Feind kann gar nicht anders als dann die an der Front befindlichen Gebiete noch weiter auszudünnen, da sonst seine Versorgungslinien zwingend beeinträchtigt werden würden und dadurch seine Kampfkraft „an der Front“ deutlich vermindert würde.
Nelson:
Zitat:In meiner Vorstellung stirbt unser Infanterist während eines Großkrieges übrigens nicht in einem Schützenloch, sondern in einem Stau vor einer zerstörten Brücke, wenigstens dreißig Kilometer von jedem feindlichen Soldaten entfernt.
Vielen Dank für deine Darstellung, so verstehe ich besser wo die Unterschiede sind bzw. wie du es dir hier vorstellst. Wir haben eben nicht das gleiche Kriegsbild hier. Stau und Brücke, dass zeigt klar auf, dass du hier eine völlig andere Vorgehensweise andenkst.
Echte Leichte Infanterie steht nie in einem Stau, da sie keine Straßen benutzt. Sie benutzt allenfalls einen Stau von Zivilisten wenn sie selber in Zivil diesen zur Fuß für eine gedeckte Bewegung verwenden wollte (so geschehen im Libanon). Leichte Infanterie steht schon deshalb nicht im Stau, weil sie keine Fahrzeuge hat und benötigt daher auch keine Brücken.
In meiner Vorstellung stirbt unser Infanterist inmitten eines dichten Waldes in einem Gebüsch durch massives Artilleriefeuer nachdem eine Drohne trotz der Überdeckung eine Themalsignatur aufdecken konnte, wenigstens einen Kilometer von jedem feindlichen Soldaten entfernt (so geschehen in Berg-Karrabach).
Das Sterben wird aber nicht nur die Infanterie betreffen, es wird in allen Truppengattungen erheblich sein und überall größtenteils außer der Sichtweite des Gegners stattfinden. Das ist einfach völlig normal. Tatsächlich würde echte leichte Infanterie hier weniger gefährdet sein als Panzerbesatzungen und anderes Großgerät welches von der Abschusspriorität höher gewichtet wird und viel leichter aufzuspüren ist.
Zitat: In Europa sind die Truppenstärken zurückgegangen. In Europa ist allerdings auch alles andere zurückgegangen, was eine Kriegsführung ermöglicht.
Exakt so ist es. Und das führt zu der Frage, wie man mit den Mitteln welche real verfügbar sind eine möglichst große Kampfkraft bereit stellen kann. Dies kann aufgrund der Begrenzung der Möglichkeiten nur mit einem Primat auf der Defensive sein und mit einem Primat auf kosteneffizienten Lösungen. Für den Preis nur einer einzigen neuen Fregatte könnte man immense Mengen an Schützenwaffen, Minen und Sprengstoff beschaffen und eine erhebliche Zahl leichter Infanteristen auf ein sehr hohes Niveau hin ausbilden. Gleichzeitig bedroht eine solche Rüstung viel weniger als andere Ansätze (mechanisierte Verbände) und wirkt daher friedensstabilisierend, sie wird zudem unterschätzt und darüber hinaus kann sie auch in vielen anderen Szenarien, insbesondere in einem assymetrischen Geschehen viel besser eingesetzt werden als das was jetzt ist.
Allgemein geht heute die Tendenz hin zu einer Einheits-Infanterie, die de facto Panzergrenadiere sind. Die heutige Jägertruppe mit den GTK Boxer (selbst Gebirgsjäger erhalten GTK Boxer) ist ebenso in Wahrheit eigentlich eine Panzergrenadiertruppe wie das überall in den westlichen Streitkräften der Fall ist. Auch die Franzosen, Briten und andere rüsten ihre Infanterie mit immer stärkere gepanzerten Fahrzeugen aus und vereinheitlichen ihre Infanterie zu de facto Panzergrenadieren. Die Rolle leichter Infanterie fällt damit immer mehr an Spezialkräfte, welche aber quantitativ zu unzureichend sind. Es ist daher hier eine Lücke entstanden die man nicht nur besonders leicht und sehr kostengünstig schließen könnte, sondern deren Schließung darüber hinaus auch noch ein erheblicher militärischer Vorteil wäre.
Allgemein bin ich kein Freund einer Einheits-Infanterie, da zwingend das Gelände eine Spezialisierung erforderlich macht. Wir haben ja auch in allen anderen Bereichen spezialisierte Truppen, weil sie notwendig sind. Will man aber (aus Effizienz-Gründen etc) so weitgehend wie möglich vereinheitlichen, so sollte man eine echte leichte Einheits-Infanterie schaffen und eben nicht eine de facto mechanisierte Einheits-Infanterie. Da man Panzergrenadiere zwingend weiter benötigt so hat man schlussendlich zumindest zwei Typen von Infanterie (wobei ich Panzergrenadiere beispielsweise nicht mal als Infanterie sehe). Will man also aus kriegswirtschaftlichen Gründen vereinheitlichen, macht es am ehesten Sinn Truppen wie die Fallschirmjäger oder Gebirgsjäger abzuschaffen, dafür aber eben die Jäger-Truppe als leichte Einheits-Infanterie tatsächlich so aufzustellen, dass diese leichter strukturiert wird als dies heute selbst bei den Gebirgsjägern der Fall ist, also ohne Fahrzeuge, mit einer auf Nachschubunabhängigkeit spezialsierten Doktrin, Struktur, Bewaffnung und Ausrüstung.
Damit wird eine solche leichte Einheits-Infanterie zugleich uneingeschränkt Luftsturmtauglich.
Zitat:Derweil ist das Missverhältnis zwischen eigenen Kräften und Feindkräften im Baltikum so groß, dass es dort schlichtweg keinen Krieg geben wird. Entweder, die Russen marschieren ein - dann gibt es zwei bis drei Tage Lang Kämpfe um bestimmte militärische Anlagen und (falls die jeweiligen Regierungen dies riskieren wollen) die Hauptstädte. Derweil stehen unsere Truppen gleich welcher Art vor zerbombten Brücken und alle Augen richten sich auf Washington. Entweder, Washington gibt das Baltikum auf, oder es setzt Atombomben ein, oder wir sammeln einige Monate lang alle Kräfte, um dann Ostpreußen und die Suwalik-Enge anzugreifen. Am Wahrscheinlichsten ist Szenario A.
Solange wir die dortigen Militärs fast dazu nötigen ebenfalls mechanisierte Einheiten aufzustellen und ihnen GTK Boxer verkaufen (aus Gewinngier und nicht aus militärischer Sinnhaftigkeit) kann ich dir nur zustimmen. Tatsächlich aber wäre das Baltikum durchaus in der Art verteidigbar, dass die Russen erheblich länger brauchen würden es zu besetzen und dafür erheblich mehr Truppen benötigen würden.
Das Baltikum könnte Wochen und in Teilen sogar Monatelang Kampfplatz sein und erhebliche Zahlen russischer Einheiten binden, wenn man dort nur sinnvoll rüsten würde. Es wäre leicht möglich mit ganz anderen militärischen Konzepten das Baltikum in ein Gebiet zu verwandeln, dass schon im ersten Auftakt den russischen Streitkräften horrende Verluste zufügt und einen Gros der real vorhandenen russischen Militärkapazität bindet. Nur dadurch würden dann Alternativen zu Aufgeben oder mühsamer Rückeroberung aus weiter Ferne überhaupt erst möglich werden.
Zitat:Die Armee, die dem beschriebenen Ideal gerade am nächsten kommen dürfte, ist die Zahal.
Rein persönlich war ich immer von der Armee der Schweiz fast am meisten begeistert, aber auch in der Schweiz hat der Niedergang eingesetzt und man entfernt sich immer mehr von dem was in Kalter Krieg Zeiten noch da war.
Zitat:Ich verstehe deinen Ansatz, glaube aber nicht, dass er in größeren Maßstäben offensiv für die Bundeswehr umsetzbar ist.
Die Frage ist, was diese Bundeswehr so wie sie heute aufgestellt ist überhaupt leisten könnte. Das reicht ja weit über die Frage der Infanterie hinaus. De facto ist diese Bundeswehr hier und heute Kriegsunfähig. Verbleibt die Frage, wie man überhaupt zumindest in Bezug auf die Landesverteidigung und die Frage von assymetrischen Einsätzen im Inneren dieser Bundesrepublik eine ausreichende Kampfkraft an sich wieder herstellen soll. Man müsste zunächst erstmal hier die Defensiven Fähigkeiten stärken, von einer Offensivkraft sind wir aktuell derart weit entfernt, dass es eigentlich ohnehin ausgeschlossen ist, dass wir irgendwo in einem ernsthaften Krieg ernsthaft offensiv vorgehen könnten. Gerade deshalb mein Primat darauf, zuerst mal eine ausreichend große leichte Infanterie aufzustellen und dann erst mit anderen Dingen fortzufahren. Das reicht zudem wie geschrieben weit über die Frage eines großen konventionellen Krieges hinaus hin zur in den nächsten Jahrzehnten höchstwahrscheinlich zwingend notwendig werdenden Einsatz im Inneren hin zu sozialkulturellen Fragen.
Rein offensiv aber ist der Einsatz solcher Infanterie durchaus auch möglich. Heute hat die Kriegsführung aufgrund der immens gesteigerten Waffenwirkung in ihrer Geschwindigkeit abgenommen, Verbände stoßen nicht mehr so schnell vor weil dies gar nicht mehr möglich ist ohne inakzeptable Risiken. Die notwendige Dislozierung und das schwierige Zusammenführen der dislozierten Kräfte, die Notwendigkeit der Tarnung und das ebenfalls zwingend notwendige und stark beanspruchende ständige Verlegen auf taktischer Ebene ohne dass man dabei operativ voran käme – haben heute zwingend zur Folge, dass selbst vollmechanisierte Verbände operativ immer langsamer werden (Buchempfehlung in diesem Kontext: Military Power von Stephen Biddle). Das interessante ist, dass heute Infanterie zu Fuß ohne jede Fahrzeuge tatsächlich vom operativen Tempo mit mechanisierten Verbänden in etlichen Fällen mithalten könnte – das hängt aber natürlich wiederum stark vom Gelände ab.
Zitat: Aber bei offensiven Maßnahmen stellt sich doch die Frage: Wie manövrieren deine leichten Infanteristen den Gegner erst einmal so sehr aus, dass sie überhaupt nennenswert in die Tiefe des Raumes kommen? Und wenn sie in der Tiefe sind, wie versorgst du sie? …...die lützowschen Schaaren und ihre Zeitgenossen sind so ziemlich der letzte deutsche Verband, der meines Wissens nach in einem Großkrieg ansatzweise so operiert hat, wie Du es planst.
Amüsant dass du hier Lützow nennst, da die Schwarzen Jäger seit Jahrzehnten ein Thema sind welches mich begeistert und inspiriert hat. Tatsächlich war der Anteil der Jäger in seiner Einheit gar nicht so groß, aber gerade in dem Jäger-Detachment war der Anteil von Studenten besonders groß und gerade die Jäger machten den Gros der militärischen Leistung dieser Einheit aus.
Interessant und sehr aufschlußreich sind hier die Desertionsquoten: während allgemein im Freikorps fast jeder Vierte desertiert, waren es bei den von Studenten geprägten eigentlichen Jägern gerade mal nur jeder hundertste. Bereits die schwarzen Jäger zeigen auf, dass man gerade für die Infanterie die beste personelle Auswahl benötigt und hier das beste Menschenmaterial sammeln muss, statt wie es bei dieser Bundeswehr heute ist genau das Gegenteil zu tun.
Wie aber manövriert heute leichte Infanterie offensiv in den gegnerischen Raum hinein? Wenn die Umstände es gestatten (Flüchtlingsbewegungen, Gelände, Kriegslage, Abnutzung gegnerischer Großsysteme etc) schlicht und einfach zur Fuß. Wenn man 30 Kilometer am Tag zurück legt, ist man nicht viel langsamer als ein mechanisierter Verband heutzutage und hat man in einer Woche bereits 210 km zurück gelegt. Nach zwei Wochen 420 Kilometer und in der Zeitdauer des Berg-Karrabach Konfliktes beispielsweise (ca 4 Monate) könnte man ad extremum bereits 3360 Kilometer zurück legen. Das sind natürlich nur rein theoretische Werte, sie sollen lediglich aufzeigen, dass man heute die unspektakuläre Bewegung zur Fuß drastisch unterschätzt und die operative Geschwindigkeit mechanisierter Verbände drastisch überschätzt.
Noch darüber hinaus ist eine solche von allen eigenen Fahrzeugen befreite Infanterie jederzeit dazu in der Lage sich zivile Fahrzeuge in Feindesland zu requirieren, ebenso wie sie zivile Fahrzeuge in der Heimat requirieren könnte. Mit ensprechenden landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen kann man teilweise besser querfeldein agieren als dies heute mit vielen militärischen Radpanzern möglich ist.
Noch darüber hinaus ist eine solche leichte Infanterie vollumfänglich und ohne Einschränkung der Kampfkraft lufsturmtauglich. In dem Ausmaß in dem nach relativ kurzer Zeit die feindliche Luftraumverteidigung Lücken aufweist und schließlich zumindest in bestimmten Räumen bzw. temporär zusammen bricht, werden aufgrund der Räume mit sehr geringer Truppendichte in Osteuropa Luftsturmoperationen möglich, welche beispielsweise genau die Achillesferse der russischen Armee, nämlich ihre Versorgungslinien und rückwärtigen Dienste bedrohen. Gerade weil die Russen sehr weitgehend auf Mechanisierung und Artillerie setzen und zugleich unterentwickelte und anfälligere Strukturen für die Versorgung derselben haben, sind diese selbst für relativ schwache Verbände sehr verwundbar. So könnte hier eine verstärkte Kompanie bereits ausreichen wenn sie an der richtigen Stelle angesetzt wird eine ganze russische Brigade weitgehend in ihrer Kampfkraft einzuschränken. Dazu treten dann noch weiter in die Tiefe reichende Angriffe auf die feindliche Infrastruktur (womit die Russen übrigens rechnen weshalb sie gerade eben einen so starken Wert auf die Schwimmfähigkeit ihrer Fahrzeuge legen und so große Truppenstärken bei Kräften der Inneren Sicherheit (Innenministerium, Grenzschutz, geschlossene Einheiten der Polizei, paramilitärische Verbände) aufgestellt haben.
Da sich mit dem Vordringen eine immer stärkere Dislozierung ergibt, ändern sich dabei auch die Ziele. Der Auftrag wechselt dann immer mehr vom Kampf gegen feindliche Einheiten hin zum Angriff auf rückwärtige Dienste des Feindes sowie dessen Infrastruktur und schließlich hin zur Aufklärung. Vor allem aber bindet selbst die Präsenz recht schwacher eigener Kräfte hier erhebliche Truppenzahlen des Feindes, welche dieser dann nicht an der Front zu einem Schwerpunkt gegen uns zusammen fassen kann und zieht automatisch die feindlichen Streitkräfte auseinander in deren eigenes Hinterland. Der Feind kann gar nicht anders als dann die an der Front befindlichen Gebiete noch weiter auszudünnen, da sonst seine Versorgungslinien zwingend beeinträchtigt werden würden und dadurch seine Kampfkraft „an der Front“ deutlich vermindert würde.