10.09.2021, 08:37
In gewisser Weise mag die Idee, das Taliban-Regime durch Luftangriffe zu destabilisieren, recht verlockend sein. Und zugegebenermaßen haben sie ja auch durch die Erbeutung zahllosen Materials eine eigene Verwundbarkeit generiert. Je mehr Fahrzeuge etc. vorhanden sind, desto mehr Logistik brauche ich, und diese kann ich aus der Luft sehr wohl treffen bzw. man könnte sie stärker treffen als früher. Indessen glaube ich nicht, dass die Zerstörung ihr Regime ins Wanken brächte. Auch die Bombardierung von den wenigen Straßen, Brücken oder E-Werken dürfte zwar den Unmut über sie erhöhen, aber genauso den Unmut über diejenigen, die bombardieren, was ihnen dann wieder Leute zutreiben könnte. Zumal dann nicht wirklich die Taliban im Dunkeln sitzen und hungern - die werden sich ihre Pfründe sichern -, sondern wieder einmal die einfachen Menschen im eh schon recht einfachen Land. Und das wiederum wird wieder eine neue Flüchtlingswelle verursachen, was wir auch nicht als wünschenswert ansehen. Kurzum: Eine Luftoffensive brächte uns keine nennenswerten Vorteile, eher würden wir uns weltweit dem Vorwurf aussetzen, dass wir eine humanitäre Notlage in einem sowieso schon verarmten Land verursachen - von dem Ärger, wenn zufällig dann doch mal wieder ein Flüchtlingslager oder ein Krankenhaus getroffen wird, ganz zu schweigen...
@Quintus
Ist sie nun ein Beispiel dafür, dass man es nicht "versucht" hat? Nein, ich denke, dies wäre zu verallgemeinernd. Man hat Compounds ausgebaut, die Straßen kontrolliert und darüber eine Luftglocke gestülpt. Der Höchststand an Truppen lag bei rund 140.000 in 2011. Und dennoch ist man gescheitert. Genauso wie die Sowjets (Truppenhöchststand etwa 120.000 Mitte der 1980er), die sich genauso auf Compounds, Straßen und Luftunterstützung stützen wollten - die aber in zehn Jahren rund viermal so viele Soldaten verloren. Und dies, obgleich sie mit wesentlich größerer Ruppigkeit ihre Feuerkraft einsetzten und manche Dörfer kurzerhand zerbombten, ja Landstriche auslöschten (egal, wer nun dort lebte) und ganze Gebiete mit Minen verseuchten und ein brutales Lokalregime mit einem noch brutaleren Geheimdienst (KHAD) etablierten.
Dass die westlichen Staaten es also nicht versucht hätten, halte ich für nicht zutreffend, sie haben sich sogar relativ gut geschlagen, aber sie haben eben versucht, es bei einer vergleichbaren Truppenstärke und mit gezielteren Aktionen und einer besseren Technik auf andere Weise zu erreichen (und dazu kann man auch "winning hearts and minds", das gerne despektierlich kommentierte Brunnenbohren und den Bau von Schulen zählen). Und dass sie dabei nicht wie die Sowjets (vermutlich) 1,5 Mio. Menschen in zehn Jahren massakriert haben, sondern "nur" vermutlich 300.000 Tote in 20 Jahren verursachten, dies mag ich einfach nicht als Fehler auslegen oder als Beleg für ein Nichtversuchen deuten wollen.
Schneemann.
@Quintus
Zitat:Frankreich hat es zudem hingekriegt ebenfalls historisch einzigartig niedrige Verluste einzufahren - es sind ja gerade mal 88 französische Soldaten in Afghanistan gestorben. Ganz allgemein sind die geringen westlichen Verluste gerade zu verblüffend und weisen meiner Meinung nach auf das eigentliche Problem hin, dass man es dort eigentlich nie wirklich ernsthaft versucht hat.Ich nehme nun mal dieses Bsp.: Insgesamt sind in 20 Jahren am Hindukusch rund 3.600 Soldaten aus westlichen Ländern gestorben - davon rund 2.500 Amerikaner. Das ist insgesamt für 20 Jahre eine sehr geringe Zahl.
Ist sie nun ein Beispiel dafür, dass man es nicht "versucht" hat? Nein, ich denke, dies wäre zu verallgemeinernd. Man hat Compounds ausgebaut, die Straßen kontrolliert und darüber eine Luftglocke gestülpt. Der Höchststand an Truppen lag bei rund 140.000 in 2011. Und dennoch ist man gescheitert. Genauso wie die Sowjets (Truppenhöchststand etwa 120.000 Mitte der 1980er), die sich genauso auf Compounds, Straßen und Luftunterstützung stützen wollten - die aber in zehn Jahren rund viermal so viele Soldaten verloren. Und dies, obgleich sie mit wesentlich größerer Ruppigkeit ihre Feuerkraft einsetzten und manche Dörfer kurzerhand zerbombten, ja Landstriche auslöschten (egal, wer nun dort lebte) und ganze Gebiete mit Minen verseuchten und ein brutales Lokalregime mit einem noch brutaleren Geheimdienst (KHAD) etablierten.
Dass die westlichen Staaten es also nicht versucht hätten, halte ich für nicht zutreffend, sie haben sich sogar relativ gut geschlagen, aber sie haben eben versucht, es bei einer vergleichbaren Truppenstärke und mit gezielteren Aktionen und einer besseren Technik auf andere Weise zu erreichen (und dazu kann man auch "winning hearts and minds", das gerne despektierlich kommentierte Brunnenbohren und den Bau von Schulen zählen). Und dass sie dabei nicht wie die Sowjets (vermutlich) 1,5 Mio. Menschen in zehn Jahren massakriert haben, sondern "nur" vermutlich 300.000 Tote in 20 Jahren verursachten, dies mag ich einfach nicht als Fehler auslegen oder als Beleg für ein Nichtversuchen deuten wollen.
Schneemann.