Raketenartillerie
#65
Ein meiner Meinung nach recht gut geschriebener Beitrag zur Raketenartillerie:

https://wehrtechnik.info/index.php/2021/...en-feuers/

Zitat:Schon auf der Zeitachse von 2014 bis heute ist ein Trend zu erhöhter Letalität bei den eingesetzten Waffensystemen der Rohr- und Raketenartillerie erkennbar. Merkmale sind Reichweitensteigerungen bis über 250 km besonders bei Systemen der Raketenartillerie der russischen Landstreitkräfte sowie die Forderung nach einer echten „Sensor-to-Shooter“-Fähigkeit. Letztere bildet sich nicht nur in einer Anzahl von Vorhaben der europäischen Bündnispartner ab. In zunehmendem Maße sind davon auch Waffensysteme betroffen, die von potenziellen Gegnern eingesetzt für die Herstellung von Dominanz auf dem Gefechtsfeld der 2020er Jahre entwickelt wurden. Ein Beispiel ist der bei den russischen Landstreitkräften eingeführte Raketenwerfer 9A52-4 Tornado. Dessen Reichweite (270 km mit neuer Munition) übertrifft schon heute die Reichweiten vergleichbarer Nato-Systeme wie der Mehrfachraketenwerfer MLRS (Multiple Launch Rocket System). Hinzu kommt, dass die auch bei den russischen Streitkräften greifende Digitalisierung und Automatisierung dazu führt, dass viele der bereits in den 1990er und 2000er Jahren in Dienst gestellten und im weiteren Verlauf der 2010er Jahre modernisierten Waffensysteme über eine höhere Präzision verfügen und vernetzt mit anderen Geräteplattformen eingesetzt werden können. Waffensystem-Verbünde führen hier zu der eingangs genannten Dominanz auf dem Gefechtsfeld. Bildgestützte Verfahren für die Navigation und Zielbekämpfung sind hier seit Jahren Standard.

Zitat:Die bei der Bundeswehr und auch bei einigen Bündnispartnern eingesetzten Lenkraketen reichen allerdings nicht mehr aus, „einer Bedrohung durch Artilleriewaffen mit übergroßer Reichweite“ zu begegnen, so ein Vertreter aus dem Amt für Heeresentwicklung (AHEntwg). Dieser Tatbestand wirkt umso besorgniserregender, wenn man bedenkt, dass etwa 80% aller ukrainischen Ausfälle im Ukraine-Konflikt durch die weitreichende russische Raketenartillerie verursacht wurden.

Konterbatteriefeuer ist eigentlich die Paradedisziplin von Raketenartillerie. Akutell würde es so laufen: die Russen könnten nach belieben Konterartilleriefeuer gegen uns anwenden während wir ihre Artillerie nicht erreichen können. Und wer glaubt die Luftwaffe könnte dies schon irgendwie kompensieren:

Zitat:Unter dem Kürzel „A2/AD“ versteht die Nato ein Bedrohungsszenario, zu dessen Überwindung sie selbst nach Aussagen des NATO Command and Control Centre of Excellence (NATO C2CoE) nicht über eigene Mittel verfügt. Ein Nato-Bericht vom November 2020 kommt zu dem Ergebnis, dass Russland derzeit ein „umfassendes militärisches Modernisierungsprogramm vorantreibt, um damit seine A2/AD-Kapazitäten ....weiter zu verbessern.“

Zitat:Betroffen davon sind auch die meisten Waffensysteme der russischen Raketenartillerie, die schon jetzt mit ihrem vielfältigen Munitionsmix über Reichweiten verfügt, mit denen es möglich ist, gegnerische Aktivitäten im Zuge der Zerschlagung von „No-go-Arealen“ zu vereiteln. Vergleichbare Entwicklungen werden für die Rohrartillerie der russischen Landstreitkräfte angenommen. Im Kontext einer Reichweitensteigerung bei der Rohrartillerie werden auch Teile der belarussischen Landstreitkräfte mit Unterstützung Moskaus in der Art modernisiert, dass sie in die Lage versetzt werden, mit reichweitengesteigerter (rocket-assisted) Munition „eine merkliche Verbesserung bei Reichweite [bis auf 40 km] und Präzision“ zu erreichen, so der Ergebnisbericht in der Zusammenfassung vom November 2020 weiter.

Auch die Modernisierung der belarussischen Raketenartillerie schreitet mit Unterstützung Russlands voran. In Belarus entwickelte Systeme wie der ab Mitte 2019 eingeführte modernisierte Mehrfachraketenwerfer Polonez-M verfügen mit verbesserter Munition (300 mm) inzwischen über eine Kampfreichweite von annähernd 300 km. Technische Unterstützung gewährte offensichtlich die Volksrepublik China.

Aber schlimmer noch:

Zitat:Durch den völkerrechtlichen Vertrag von Oslo 2010 zur Ächtung von Streumunition bleibt bei der Bundeswehr der Einsatz auf die GMLRS-Rakete (ausgestattet mit einem Präzisionsgefechtskopf Unitary) beschränkt; die bis dahin genutzten Bomblets und Submunitionen für den Bekämpfung von Flächenzielen und zur Sperrung/Abriegelung von großen Geländebereichen mussten aufgegeben werden.

Russland hat diese Munition natürlich nicht aufgegeben und so verschieben sich hier die entsprechenden Vorteile nochmals deutlich.

Zitat:Durch nutzungsdauerverlängernde Maßnahmen am System MARS II ist die Einsatzbereitschaft bis 2035 sichergestellt. Was aber kommt danach?

Ja was?! Realistisch oder den Träumen und Werbeversprechen der Rüstungsindustrie entsprungen ?!

Zitat:Was im weiteren Verlauf Einfluss nehmen wird auf die Entwicklung des JFS-M ist die Tatsache, dass bei der Auswahl der Wirkmittel zunehmend skalierbare Wirksysteme in Betracht zu ziehen sind. Der Grund dafür liegt in dem Konfliktgeschehen der letzten Jahre und der Tatsache geschuldet, dass mehr als 90% der Kampfhandlungen auf überbautes Gelände – Siedlungen, Ortschaften und Städte – beschränkt blieb. Dieser Befund ist bestimmend für die Auswahl der Wirkmittel für JFS-M. Mit den bei MBDA Deutschland entwickelten skalierbaren Wirksystemen ist es möglich, die Wirkung von Spreng- und Penetrator-Gefechtsköpfen auf ein Ziel zwischen 10% und 100% zu skalieren und Kollateralschäden im Umfeld des Ziels bzw. Zielgebiets zu minimieren.

Und auch so ein perfektes Beispiel: den Russen ist ein skalierbare Wirkung nachweislich herzlich egal. Den Schock einer solchen "nicht-skalierten" Kriegsführung würde unsere Bevölkerung aktuell nicht einmal kurzfristigst aushalten. Und selbst äußerst entschlossene Gegner gehen darin unter, siehe beispielsweise Grozny oder aktueller Syrien (wobei Grozny mehr dem entsprechen wird wozu es hierzulande kommen wird).

Zitat:Deutschland hat sich zur Umsetzung der Nato-Zielsetzung (Nato Capability Targets) verpflichtet, die als Fähigkeitsentwicklung für festgelegte Bereiche, u.a. die Herstellung einer eigenen Fähigkeit für das Indirekte Feuer in Betracht zieht. Dabei wird ein witterungsunabhängiges, digitalisiertes und schnell verlegbares Waffensystem gefordert, das – eingebunden in eine C2/C3-Umgebung wie ADLER II/III (Artillerie-, Daten-, Lage- und Einsatz-Rechnerverbund) bzw. künftig weiter verbesserte Führungs- und Waffeneinsatzsysteme – potenzielle Punkt- und Flächenziele präzisionsgelenkt über große Distanzen bekämpfen kann. Die Modernisierung der Raketenartillerie knüpft an Aussagen von Vertretern des AHEntwg an, wonach ein Bedarf für eine „Rakete 300 km plus“ bereits am Ende dieses Jahrzehnts entstehen wird.

Der Bedarf besteht meiner Ansicht nach sogar schon jetzt, aber werden bis 2030 (seien wir großzügig) auch entsprechende Waffensysteme tatsächlich real entstehen und einsatzfähig eingeführt sein ?!

Zitat:Jüngste Simulationsstudien haben ergeben, dass die Nato dringend eine Neuorientierung ihrer zukünftigen Kapazitätsanforderungen benötigt, um Bedrohungen wie A2/AD des Gegners zu überwinden und einen stärkeren Feind während einer groß angelegten Kampagne abzuschrecken.

Wichtiger als Abschreckung (für sich allein als Selbstzweck) wäre die Befähigung den Feind tatsächlich offensiv so schnell wie möglich anzugehen und tatsächlich zu vernichten. Primär das würde dann sekundär auch eine glaubhafte Abschreckung bieten. Aber solange wir an skalierbare Wirkung als Lösung militärischer Probleme glauben und den Bedarf erst am Ende des Jahrzehntes zu erkennen glauben ist noch ganz grundsätzlich etwas im Argen.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 13.03.2015, 14:26
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 14.02.2021, 17:00
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 12.04.2021, 09:00
RE: Raketenartillerie - von Helios - 12.04.2021, 09:15
RE: Raketenartillerie - von Broensen - 12.04.2021, 12:47
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 14.04.2021, 14:11
RE: Raketenartillerie - von OG Bär - 10.05.2021, 15:39
RE: Raketenartillerie - von Broensen - 10.05.2021, 21:12
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 10.05.2021, 21:54
RE: Raketenartillerie - von Broensen - 10.05.2021, 23:14
RE: Raketenartillerie - von Ottone - 10.05.2021, 23:51
RE: Raketenartillerie - von Broensen - 11.05.2021, 01:47
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 11.05.2021, 14:54
RE: Raketenartillerie - von Ottone - 11.05.2021, 17:22
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 11.05.2021, 17:45
RE: Raketenartillerie - von Broensen - 11.05.2021, 18:34
RE: Raketenartillerie - von Ottone - 11.05.2021, 18:05
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 13.05.2021, 19:27
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 02.08.2021, 17:43
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 02.11.2021, 23:21
RE: Raketenartillerie - von Broensen - 02.11.2021, 23:50
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 03.11.2021, 07:28
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 19.12.2021, 23:59
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 16.04.2022, 23:02
RE: Raketenartillerie - von Broensen - 20.06.2022, 23:06
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 24.10.2022, 09:00
RE: Raketenartillerie - von Broensen - 24.10.2022, 13:20
RE: Raketenartillerie - von OG Bär - 24.10.2022, 14:33
RE: Raketenartillerie - von Broensen - 24.10.2022, 17:46
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 24.10.2022, 15:44
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 11.05.2023, 22:53
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 31.05.2023, 06:52
RE: Raketenartillerie - von Helios - 31.05.2023, 07:29
RE: Raketenartillerie - von Schneemann - 13.12.2023, 12:51
RE: Raketenartillerie - von Skywalker - 20.01.2024, 21:21
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 01.04.2024, 21:26
RE: Raketenartillerie - von KheibarShekan - 02.04.2024, 00:06
RE: Raketenartillerie - von Broensen - 01.04.2024, 23:28
RE: Raketenartillerie - von Skywalker - 02.04.2024, 00:31
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 02.04.2024, 08:47
RE: Raketenartillerie - von KheibarShekan - 02.04.2024, 09:50
RE: Raketenartillerie - von Quintus Fabius - 02.04.2024, 09:54

Gehe zu: