03.12.2021, 12:10
Zitat:Putin zur Osterweiterunghttps://www.tagesschau.de/faktenfinder/n...a-101.html
Hat die NATO Versprechen gebrochen?
Russlands Präsident Putin fordert neue Sicherheitsgarantien für sein Land. Schließlich habe die NATO ihr Versprechen, sich nicht nach Osten auszudehnen, gebrochen. Doch was ist dran an diesem Versprechen? [...]
Rechtlich verbindliche Sicherheitsgarantien fordert Russlands Präsident Wladimir Putin von den USA und deren Verbündeten. Sie sollten jedwedes weitere Vorrücken der NATO nach Osten und die Stationierung offensiver Waffensystemen in unmittelbarer Nähe zur Russischen Föderation ausschließen, sagte er am 30. November vor ausländischen Diplomaten in Moskau. Über frühere mündliche Versprechen, dass sich die NATO nicht nach Osten ausdehne, hätten die westlichen Partner hinweggesetzt. [...]
Wesentlich für die Behauptung einer Zusage an die Sowjetunion sind Gespräche im Februar 1990 zwischen dem damaligen US-Außenminister James Baker und Staatschef Michail Gorbatschow. Einem Memorandum zufolge sagte Baker damals: Die Amerikaner hätten verstanden, dass für die Sowjetunion und andere europäische Länder Garantien wichtig seien für den Fall, dass die USA ihre Präsenz in Deutschland im Rahmen der NATO beibehalten würden, "sich die gegenwärtige Militärhoheit der NATO nicht ein Zoll in östlicher Richtung ausdehnen wird". Gemeint war jedoch das Gebiet der DDR - an eine NATO-Mitgliedschaft von Staaten des 1990 noch bestehenden Warschauer Paktes war damals nicht zu denken.
Putin verwies in München auf eine Aussage des damaligen NATO-Generalsekretärs Manfred Wörner am 17. Mai 1990: "Schon die Tatsache, dass wir bereit sind, die NATO-Streitkräfte nicht hinter den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland zu stationieren, gibt der Sowjetunion feste Sicherheitsgarantien." Auch hier war das Gebiet der DDR gemeint. Das wird an einem weiteren Satz Wörners deutlich, den er danach sagte: "Wir könnten uns eine Übergangszeit vorstellen, in der eine verringerte Anzahl von Sowjettruppen in der heutigen DDR stationiert bleiben." Die Wiedervereinigung fand Monate später, am 3. Oktober 1990, statt. Der Abzug der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte vom Gebiet der ehemaligen DDR zog sich bis 1994 hin. [...]
Gorbatschow selbst zitierte mehrfach die Worte, wonach sich die NATO keinen Zentimeter nach Osten bewegen würde, so auch in einem Interview mit der "Bild" im Jahr 2009. Fünf Jahre später sagte er im ZDF jedoch, es sei 1990 um das Territorium der DDR gegangen. Eine NATO-Expansion sei damals nicht diskutiert worden: "Der Warschauer Pakt existierte doch noch. Die Frage stellte sich damals gar nicht." Es sei ein Mythos, dass er vom Westen betrogen worden sei. [...]
Auch wenn die Ukraine und Georgien den Beitritt zur NATO in ihren Verfassungen verankert haben und Umfragen seit Jahren eine relativ hohe Zustimmung zeigen, ist ein Beitritt in absehbarer Zukunft unrealistisch - selbst wenn damit keine angeblichen politischen Versprechen gegenüber Russland gebrochen würden. Würde die NATO auf Druck Putins hin jedoch eine Garantie für den Nichtbeitritt beider Staaten geben, würde dies deren außenpolitische Souveränität verletzen.
Unabhängig einmal von dem Umstand, dass es hier zumindest dehnbare Absprachen wohl gab, die dann wieder missverstanden wurden, kann man zwar rein aus russischer Warte den Sachverhalt, dass das westliche Bündnis immer näher an die eigene Westgrenze heranrückt, als Bedrohung deuten. Nur muss eben auch gesagt werden, dass es Moskaus gravierende Eigenverantwortung war, wie sich das frühere Bollwerk im Westen letztlich verhalten hat.
Es wäre mit Sicherheit von auszugehen gewesen, dass die Balten, die Polen, die Tschechen und die Ungarn sehr wahrscheinlich in jedem Fall ins westliche Lager gewechselt wären, zu brutal war Moskau mit seinen Nachbarn hier umgesprungen und auch historisch betrachtet wäre das Verhältnis zu belastet gewesen, als dass es Russland hätte gelingen können, diese alten Satelliten irgendwie politisch bei sich zu behalten.
Aber mit einer Charmeoffensive hätte es zumindest gelingen können, die Rumänen, Bulgaren und auch Slowaken von der Integrität des neuen Russland und guten Absichten zu überzeugen, so dass hier eine Wiederannäherung oder Partnerschaften möglich gewesen wäre/n. Aber da war nicht viel (zugegeben, das Russland unter Jelzin war ein Beispiel der traumatischen Selbstverstümmelung - und das sage selbst ich, der Moskau sehr skeptisch gegenüber steht), im Gegenteil: Man hat dann eher versucht, alte Stärke mit halbgar aufbereiteten aggressiven Mitteln zu zeigen (bzw. zu suggerieren) - u. a. im desaströsen ersten Tschetschenienkrieg. Dieses Debakel, innenpolitische Wirrnis, wirtschaftliche Unfähigkeit und eine sinnfrei-nationalistische Krawallrhetorik haben dann aber auch den letzten Rest des ehemaligen Westbollwerks erodieren und ins westliche Lager wechseln lassen. Moskau hatte an den Entwicklungen also auch selbst erhebliche Mitverantwortung.
Und leider ist es aktuell einmal mehr die moskowitische Unfähigkeit, sich in die Psyche anderer Staaten hineinzuversetzen, wenn man indirekt fordert, dass Staat X gefälligst nicht Bündnis X beitreten darf, da man hiermit die nationale Selbstentscheidungsfindung dieser Länder negiert und übergeht. Sympathien gewinnt man damit keine, ebenso nicht, wenn man beinahe überall paranoid "Faschisten" am Werk sieht, wenn ein Land eine abweichende Haltung einnimmt...
Schneemann