14.01.2022, 12:11
Ich finde, du dramatisierst hier zu sehr und neigst dazu, im Rahmen deiner Kritik etwas als Novum darzustellen, was im Grunde aber logisch, normal und schon länger beständig ist. Der Westen hat seine Ideale, auch seine Werte, sie als "angeblich" zu definieren wird meiner Meinung nach der Sachlage auch nicht gerecht, aber er hat eben zugleich, so wie jedes Land oder Bündnis, auch seine harten, strategischen Interessen, und er macht zugleich auch seine Fehler und unterliegt Wirrungen und Irrungen, egal ob wir nun von der EU oder den USA sprechen. Das ist völlig normal und auch nicht vom Himmel gefallen.
Dass der Westen Fehler gemacht hat in den letzten Jahren, steht dabei ja außer Frage. Aber wie ich hier schon mal schrieb: Diese ganzen autokratischen Herrschaften weltweit sind ja gottfroh, dass der Westen diese Fehler gemacht hatte, z. B. der einseitige Irak-Krieg oder die Anerkennung des Kosovo. Rechtlich alles hochproblematisch und im Westen mehr als in anderen Ländern auch selbst schwer umstritten. Aber für Moskau doch wunderbar. Man hatte dann doch die perfekte Steilvorlage für die gängigen Whataboutisms - oder andersherum: Ohne das westliche Kosovo-Theater wäre es Moskau sehr viel schwerer gefallen, international nicht als Paria dazustehen, als man Südossetien und Abchasien aus Georgien herausbrach.
Übrigens haben genügend Politwissenschaftler und Juristen im Westen (und auch einige in nichteuropäischen Ländern) davor gewarnt, dass diese Konsequenzen entstehen könnten, von einem Aufgeben irgendwelcher Ideale kann man also nicht sprechen - allenfalls von der Skrupellosigkeit einiger temporär regierender Personen. Im Gegensatz zu denjenigen, die nun von dieser Skrupellosigkeit profitieren, mussten sich diese aber Wahlen stellen und sind heute nicht mehr in entscheidenden Positionen.
Wo ich zustimme: Ja, der Westen hat derzeit keine wirkliche Strategie, wie er mit den autokratischen Geistern, die er selbst zwar nicht gerufen, aber in ihrem Handeln beflügelt und legitimiert hatte, umgehen soll - und dies kann sehr verhängnisvoll sein.

Grünlinksliberale Politik mag auf den ersten Moment im öffentlichen Diskurs bestimmend sein, vordergründig, aber diese Bundesrepublik macht, wenn es darauf ankommt, eine durchaus harte und übrigens so gar nicht grünlinksliberale Politik, wenn sie ihre Interessen gefährdet sieht, egal ob es um Sparprogramme geht, die anderen Ländern diktiert werden, oder ob Agrarsubventionen genutzt werden, um die Preise niedrig zu halten im eigenen Land, was ärmeren Drittweltstaaten dann um die Ohren fliegt. Dieses Deutschland setzt auch gegen alles Gejammere und gegen Widerstände in Nachbarstaaten und bei Verbündeten eine hoch umstrittende Pipeline namens Nord Stream 2 durch, sogar die USA, die hier sehr entschieden dagegen waren, haben ihren Widerstand weitgehend aufgegeben. Und dieses Deutschland entscheidet sich auch kurzerhand dazu, militärisch sich in den USA zu versorgen (Bsp.: Poseidon), was die europäischen Partner recht verschnupft dastehen ließ. Also so richtig "nett" sind wir auch nicht...
Insofern: Ja, in der teils hysterisch geführten öffentlichen Debatte zu Genderthemen, Rassismus, Kernkraft etc. dominiert oft eine grünlinksliberale Linie, aber wenn es hart auf hart kommt, dann sind wir nicht immer Mr. Nice Guy.
Schneemann
Dass der Westen Fehler gemacht hat in den letzten Jahren, steht dabei ja außer Frage. Aber wie ich hier schon mal schrieb: Diese ganzen autokratischen Herrschaften weltweit sind ja gottfroh, dass der Westen diese Fehler gemacht hatte, z. B. der einseitige Irak-Krieg oder die Anerkennung des Kosovo. Rechtlich alles hochproblematisch und im Westen mehr als in anderen Ländern auch selbst schwer umstritten. Aber für Moskau doch wunderbar. Man hatte dann doch die perfekte Steilvorlage für die gängigen Whataboutisms - oder andersherum: Ohne das westliche Kosovo-Theater wäre es Moskau sehr viel schwerer gefallen, international nicht als Paria dazustehen, als man Südossetien und Abchasien aus Georgien herausbrach.
Übrigens haben genügend Politwissenschaftler und Juristen im Westen (und auch einige in nichteuropäischen Ländern) davor gewarnt, dass diese Konsequenzen entstehen könnten, von einem Aufgeben irgendwelcher Ideale kann man also nicht sprechen - allenfalls von der Skrupellosigkeit einiger temporär regierender Personen. Im Gegensatz zu denjenigen, die nun von dieser Skrupellosigkeit profitieren, mussten sich diese aber Wahlen stellen und sind heute nicht mehr in entscheidenden Positionen.
Wo ich zustimme: Ja, der Westen hat derzeit keine wirkliche Strategie, wie er mit den autokratischen Geistern, die er selbst zwar nicht gerufen, aber in ihrem Handeln beflügelt und legitimiert hatte, umgehen soll - und dies kann sehr verhängnisvoll sein.
Zitat:Und für Schland ohnehin nicht, soll doch hierzulande jetzt eine Politik von Werten und grünlinksliberalen Idealen die Realpolitik ersetzenSei nicht so boshaft.

Grünlinksliberale Politik mag auf den ersten Moment im öffentlichen Diskurs bestimmend sein, vordergründig, aber diese Bundesrepublik macht, wenn es darauf ankommt, eine durchaus harte und übrigens so gar nicht grünlinksliberale Politik, wenn sie ihre Interessen gefährdet sieht, egal ob es um Sparprogramme geht, die anderen Ländern diktiert werden, oder ob Agrarsubventionen genutzt werden, um die Preise niedrig zu halten im eigenen Land, was ärmeren Drittweltstaaten dann um die Ohren fliegt. Dieses Deutschland setzt auch gegen alles Gejammere und gegen Widerstände in Nachbarstaaten und bei Verbündeten eine hoch umstrittende Pipeline namens Nord Stream 2 durch, sogar die USA, die hier sehr entschieden dagegen waren, haben ihren Widerstand weitgehend aufgegeben. Und dieses Deutschland entscheidet sich auch kurzerhand dazu, militärisch sich in den USA zu versorgen (Bsp.: Poseidon), was die europäischen Partner recht verschnupft dastehen ließ. Also so richtig "nett" sind wir auch nicht...
Insofern: Ja, in der teils hysterisch geführten öffentlichen Debatte zu Genderthemen, Rassismus, Kernkraft etc. dominiert oft eine grünlinksliberale Linie, aber wenn es hart auf hart kommt, dann sind wir nicht immer Mr. Nice Guy.
Schneemann