Kontrafaktische Geschichte: Westfeldzug 1940
#17
Uns ging es jetzt erst mal primär um eine möglichst ungestörte Betrachtung einer theoretischen Offensive der Westalliierten 1940 gegen eine Defensiv agierendes deutsches Reich. Also die rein militär-strategischen Fragen, die operativen Fragen usw.

Wenn man das ganze im politisch-strategischen Rahmen, geostrategisch und global betrachtet, dann wird es natürlich noch interessanter.

Beispielsweise kenne ich mich ja ein klein wenig mit der kaiserlich japanischen Armee aus. Bei einem defensiv agierenden Deutschland halte ich es für recht wahrscheinlich, dass das japanische Kaiserreich dann die Sowjetunion angegriffen hätte. Zum Krieg mit den Sowjets wäre es ohnehin beinahe mehrmals gekommen.

Es wird im Westen wenig beachtet, dass das japanische Heer sich im Prinzip seit 1905 auf die Russen als Gegner regelrecht überspezialisierte und nie vorhatte im Pazifik, im Dschungel oder auf Inseln gegen die USA zu kämpfen. Stattdessen trainierte man wie besessen die Winterkriegsführung in Ostsibirien. Beispielsweise hatte die japanische Armee mehr Winterbekleidung und auf diesen Kriegsraum spezialisierte Ausrüstung als die Russen selbst (oder sonst jemand außer vielleicht Finnland).

Bei der Schlacht von Nomonhan siegen die Russen zwar 1939, aber mit erheblicher Mühe und einer kompletten Armee gegen gerade mal eine japanische Division (die 23. Infanterie-Division). Das führte in Russland zu einer regelrechten Überschätzung der japanischen Armee aufgrund der Mühe und der horrenden Verluste die man erlitten hatte, umgekehrt aber auch in Japan zu einer Überschätzung der sowjetischen Streitkräfte, deshalb der entsprechende gegenseitige Nichtangriffspakt. Die Japaner hielten aber solche Vereinbarungen für weniger wertvoll als das Papier auf dass sie geschrieben wurden und es wurde mehrfach überlegt diesen Pakt zu brechen. Im innnenpolitischen Kampf konnte sich dann aber die Großindustrie und die Marine durchsetzen.

Nun hatte aber gerade die Marine eigentlich auch recht gute Beziehungen zu Großbritannien. Mit nur etwas Geschick und weniger Arroganz gegenüber Japan hätte man seitens der Westalliierten Japan ins Boot holen können. Dazu hätte das Empire lediglich entsprechende Angebote für Rohstoffe etc vorlegen müssen. Japan wäre absolut sicher darauf eingegangen, und innenpolitisch hätte sich das kaiserliche Heer dann mit seinem Krieg gegen die Sowjets durchgesetzt.

Man war in Japan auch nicht so gut zu sprechen auf das Deutsche Reich, wegen dessen Waffenhilfe für die Chinesen, es befanden sich ja sogar deutsche Offiziere in China auf chinesischer Seite. Gerade im Heer war man deswegen sehr angepisst.

Im vorliegenden Szenario hätte das Gesamtgeschehen leicht in einem Krieg Japans an der Seite der Westalliierten gegen die Sowjetunion enden können. Damit wäre dann auch der ganze Konflikt zwischen den USA und Japan ausgefallen.

Noch eine kleine Anekdote zum Einfluss der Sowjets auf den Frankreichfeldzug: die französischen Kommunisten begingen ab 1939 in gar nicht unerheblichem Umfang Sabotageakte an der französichen Rüstungsindustrie. Als die Deutschen in Frankreich einfielen lasen sie dann an Hausmauern: Schießt nicht auf die Deutschen! Kein einziger Schuss! Es lebe Stalin! Es lebe Hitler! auf französisch !! Es wurden auch entsprechende Flugblätter in Frankreich verteilt.

Das Ausmaß kommunistischer Sabotage und Zersetzung in Frankreich war erheblich und wurde auch sicher vom russischen Geheimdienst gesteuert und unterstützt. Eine interessante Frage in diesem Kontext wäre es, was Frankreich 1940 dann dagegen unternommen hätte. Man begann ja kurz vor dem deutschen Einmarsch erste Kommunistische Saboteure festzunehmen und die ganzen Netzwerke aufzudecken. Wenn die deutsche Invasion nicht gewesen wäre, hätte man zweifelsohne hier einen deutlichen Rechtsruck in der Gesellschaft gehabt (beispielsweise löste die Sabotage an französischen Kampfflugzeugen so dass diese nach dem Start in Brand gerieten ebenso erhebliche Empörung aus wie die Unbrauchbarmachung von FlaK-Kanonenrohren im Bereich von mehreren hundert Stück).

Man rechnete ja nach der Niederlage intern massiv mit den Linken in Frankreich ab. Dies wäre im vorliegenden Fall dann in einem nicht-eroberten Frankreich geschehen und hätte meiner Meinung nach weiterreichende Folgen für die politische Kultur in Frankreich gehabt.
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RE: Kontrafaktische Geschichte: Westfeldzug 1940 - von Quintus Fabius - 25.04.2022, 10:08

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