Militärische Lehren aus dem Ukraine-Krieg
Vielleicht ist das alles einfach etwas zu abstrakt. Ich will es mal an drei praktischen realen Beispielen aus der Ukraine illustrieren, die aufzeigen wie Perfide der Legalismus hierzulande ist und wie sehr er das Denken verdreht, und dies sogar entgegen der eigentliche Intention der Gesetze, und entgegen der eigentlichen Intention der Menschenrechtserklärung sowie des Grundgesetzes.

Es gibt etliche dokumentierte Fälle (teilweise sogar auf Video), in denen die Ukrainer ganz gezielt Russische Soldaten beschiessen, die Verwundete Kameraden bergen und dabei nicht einmal von ihren Waffen Gebrauch machen, sondern lediglich versuchen diese wegzuschleppen und nach hinten zu verbringen. Dazu erklären dann Bundeswehr-Offiziere: die hatten keine Rote Kreuz Markierung, also völlig legal. Und man muss den Feind im Krieg halt töten. Und tatsächlich: rein rechtlich ist das absolut legal. Die Prämisse der Bundeswehroffiziere ist nun, dass alles was Legal ist zugleich Zweckmässig ist. Man macht also was Legal ist, ohne es auch nur Ansatzweise in Bezug auf seine tatsächliche Zweckmässigkeit zu untersuchen.

Tatsächlich aber ist es in den allermeisten Fällen eben nicht zweckmässig, eine Gruppe Soldaten durch Beschuss daran zu hindern, Verwunderte abzutransportieren. Auch wenn das kontraintuitiv ist, im Krieg ist das Töten des Feindes kein Selbstzweck, es geht in Wahrheit nicht darum die feindlichen Soldaten umzubringen, sondern darum den Willen des Gegners zu manipulieren und zu beeinflussen. Das Töten ist nur ein Mittel zum Zweck neben vielen. Der Wille des Gegners wird am stärksten manipuliert, wenn man ihn militärisch eindeutig besiegt. Für einen taktischen Sieg vor Ort ist nichts nützlicher als wenn der Gegner weniger Kämpfer in seiner Stellung hat und diese keine Motivation mehr haben. Daher ist es zweckmässig, eine ganze Gruppe mit Verwundeten nach hinten abziehen zu lassen. Beschießt man hingegen wie die Ukrainer es tun die Verwundeten und die zu Rettenden (Legal!), dann ergrimmt dies den Feind, er wird gezwungen zu bleiben und zu kämpfen und hat eine neue Motivation dafür (Rache für den sterbenden Kameraden den man nicht retten kann, Hass auf den Gegner, und die praktische Notwendigkeit weil man ja aufgrund des Beschuss nicht wegkommt). In vielen der Videos dich dazu gesehen habe war der ukrainische Beschuss legal, aber eben nicht zweckmässig.

Die Prämisse der Bundeswehrsoldaten, dass alles zweckmässig ist was legal ist war hier also falsch.

Nächstes Beispiel: ein aktuelles Video: ein Trupp Ukrainer geht vor, einer richtet sein Sturmgewehr auf eine Art Klohäuschen, und feuert durch die geschlossene Tür in dieses hinein. Daraus fällt ein sterbender Russe. Keine Waffe sichtbar. Die Ukrainer wussten anscheinend (woher ist nicht klar), dass sich in dem Klo ein Russe aufhielt. Völlig legal. Die Bundeswehrsoldaten feiern das jetzt genau so wie die Ukrainer in dem Video - sehr gute Sache etc. denn weil es Legal ist, so muss es auch Zweckmässig sein ?! War es aber zweckmässig diesen jungen Menschen sinnlos umzubringen?! Denn das Töten ist nur ein Mittel zum Zweck und eben kein Selbstzweck. Man hätte ihn beispielsweise auch gefangen nehmen können, um Informationen zu gewinnen. Das wäre gerade im vorliegenden Fall besonders einfach gewesen, weil er allein war und keine Waffe dabei hatte. HUMINT von Gefangenen ist eine immens wertvolle Quelle und Gefangene zu machen aus diesem Grund beispielsweise zweckmässig. Es wäre daher zweckmässig gewesen ihn nicht zu töten.

Die Exakt gleichen Bundeswehroffiziere die in den vorliegenden Fällen erklärten, nach gründlicher Rechtlicher Prüfung und geltendem Recht seien diese Handlungen der Ukrainer legal gewesen, sie hätten es genau so gemacht, weil wenn es legal ist, dann müsse man töten, weil man die RECHTLICHE Chance dafür halt immer nutzen müsse etc (äußerst fragwürdige Ansicht) - echauffieren sich aber zugleich darüber, dass die Ukrainer russische Kriegsgefangene verhören, dabei filmen und diese Filmaufnahmen ins Netz stellen. Damit meine ich jetzt nicht Zolkins Filme, sondern andere. Das ist nun wiederum ILLEGAL, empörend, eine Menschenrechtsverletzung !! gegen das geltende Recht, ein KRIEGSVERBRECHEN ! Jawoll.

Unbewaffnete Russen im Scheißhaus zu erschießen ist legal und trefflich, Russen am Leben zu lassen und zu Filmen ein Kriegsverbrechen. Denn es steht ja auf Papier geschrieben, dass man dies nicht tun darf, also ist es so, weil es auf dem ach so heiligen Papier geschrieben steht. Aber ist es zweckmässig? Da es im Krieg als einem Zweikampf zweier Willen darum geht, den Willen des Feindes zu beeinflussen, sind diese Filme als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen Russland sogar äußerst zweckmässig. Aber sie sind eben nicht legal.

Gut und Böse definieren sich also für die Bundeswehrsoldaten und viel zu viele der sonstigen Legalisten in diesem Land eben auch NICHT über moralisch-ethische Fragen, sondern allein dadurch, ob es etwas Legal ist oder nicht.

Vereinfacht gesagt: deine Auffassung, wie auch die in der Bundeswehr, die Grundauffassung des Legalismus an sich ist: Gut ist, was Legal ist, und Böse ist, was Illegal ist.

Dem ist aber nicht so. Selbst von einer rein moralisch-ethischen Seite aus kann vieles was Legal ist moralisch-ethisch einfach nur zutiefst ablehnenswert sein. Wenn ich also die Legalität über die Moral und Ethik stelle, wie es der Legalismus hierzulande zur Zeit tut, und wenn ich sie im Krieg über die Zweckmässigkeit und die militärischen Anforderungen stelle, wie es zur Zeit von aktiven Soldaten gefordert und als einzig richtiger Weg angesehen wird, dann gibt es viele Fälle, bei denen man sowohl Militärisch nicht zweckmässig handelt, als auch moralisch-ethisch nicht zweckmässig handelt.

Ein ins Extreme überzogener Rechtsstaat ist eben kein Gerechtigkeitsstaat und produziert ganz nebenbei jede Menge Unrecht. Nimmt der Legalismus überhand, tritt der Gesetzessinn immer mehr hinter den Gesetzeslaut zurück, dann ergeben sich gerade eben solche Fälle und die dazu getätigten Aussagen aktiver Soldaten, denen vor lauter Legalismus, Vorschriftenreiterei, Bürokratie und geistiger Kleinlichkeit jede Menschlichkeit abhanden gekommen ist, die aber eben darüber hinaus auch nicht zweckmässig handeln.

Wir verlieren vor lauter übersteifer Rechtstreue sowohl unsere Menschlichkeit, als auch die Gerechtigkeit aus den Augen.

Ich hoffe anhand dieser praktischen Beispiele meine Position diesbezüglich vielleicht etwas verständlicher ausgedrückt zu haben.
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RE: Militärische Lehren aus dem Ukraine-Krieg - von Quintus Fabius - 08.10.2022, 08:36
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