Saudi Arabien
Saudi Arabien braucht Unmengen Geld um seinen Staatshaushalt zu finanzieren und vor allem, um die Sozialen Netze und die Sicherheitsinfrastruktur zu erhalten. Die Dawa läuft da unter "kann man machen wenn grad mal Geld da ist". Und das ist für uns schon sehr nützlich - MBS muss irgendwie es schaffen sein Land vom Öl unabhängig zu machen, und er muss irgendwie Jobs für mehrere Millionen Saudis finden. Allzu viele Beamte mehr kann er nämlich nicht einstellen da er die ja irgendwie bezahlen muss. Und so muss Saudi Arabien sich aufs Biegen und Brechen ändern, da ihr heutiges Gesellschafts- und Sozialmodell ja keine wirkliche ökonomische Aktivität fördert; es ist ja eine Rentenökonomie wo durch den Verkauf einer kapitaleinbringenden Ressource die Bevölkerung bis zur Verwahrlosung alimentiert wird.
Wir haben doch schon 2014 gesehen was passierte als der Ölpreis einbrach - über Nacht stiegen die Schulden schlagartig und es wurden große Reformprogramme angestoßen (die sich bislang noch nicht als profitabel herausstellten).

Deswegen hat MBS ja auch diverse wahhabitische Praktiken und Dogmen über den Haufen geworfen, sei es das Fahrverbot und den größten Teil der (leider nicht vollständig abgeschafften) Vormundschaftsgesetze. Und noch ist MBS eingeschränkt was seine Handlungsfähigkeit betrifft (sein Vater hat immer noch das letzte Wort) aber sobald Salman tot ist wird MBS, sollte er es schaffen die Krone zu bekommen, noch deutlich mehr anpacken. Es muss immer wieder klar gemacht werden dass das bislang regierende Establishment deutlich älter ist als der Rest des Landes. Salman ist über 80, Abdullah vor ihm wurde 1924 geboren, Faisal vor ihm im Jahre 1923 und Chalid (der bis 1982 herrschte) war Jahrgang 1906. Alles Söhne des Staatsgründers der das Land formte als es noch kein Öl gab und das Land eher eine Einöde von Halbnomaden und einigen wenigen Städten war.
MBS wurde 1985 geboren und ist dementsprechend vollkommen anders schon sozialisiert, in ein Land welches zu den reichsten der Welt zählt. Die Saudis bezahlen hunderttausenden ihrer Staatsbürger ein Studium im Ausland, am Wochenende reisen die Saudis nach Bahrain und Dubai für Party. Da ist ein so großer Generationenunterschied vorhanden, das wird oftmals nicht wahrgenommen. Die Jungen sind immer noch sehr konservativ für unsere europäische Verhältnisse aber eher weniger dogmatisch. Denen geht es nicht um das Seelenheil sondern um Jobs, gute Löhne und bezahlbaren Wohnraum, woran es in Saudi Arabien mangelt.

Und was die Dawa betrifft ist der Erfolg zweifelhaft gewesen. Viel wird über den wahhabischen Export geschrieben doch haben die Extremisten diese Erfolge wieder zunichte gemacht. In Ägypten war die Minderheit der Kopten immer ein gewisser Garant für nichtmuslimische Beziehungen und die Muslimbruderschaft ist ein Eigengewächs welches sich auf den salafistischen Islam, nicht auf den Wahhabitischen Islam beruft.
Auch in Ländern wie Tunesien, Marokko, Iraq etc. hat sich der Wahhabismus nicht durchsetzen können, ebenso wenig wie in den meisten Ländern Westafrikas. Vielerorts vergessen wir einfach dass diese Gesellschaften noch sehr konservativ waren und es immer noch sind. Wahhabismus ist eine saudische Lesart des Islams die in den meisten Ländern auf etablierte Strukturen und Traditionen getroffen ist weswegen sie dort immer noch eine Randgruppenerscheinung ist. Für die meisten muslimischen Länder ist die Türkei ein Vorbild, nicht Saudi Arabien und der türkische Präsident wird eher als Muslim gesehen als MBS und sein saudischer Islam.

Was die Terrorfinanzierung betrifft, da passen die Saudis mittlerweile schon auf - denn der Terror fällt auf sie zurück. Nicht nur weil sie sich jetzt mit einem "moderatem Islam" identifizieren, sondern auch schon aus Eigennutz - wer würde denn freiwillig nach Saudi Arabien reisen und dort sein Geld ausgeben?


Was den Iran angeht; der Iran droht Israel permanent mit Vernichtung etc. Auch wenn das Leben im Iran marginal freier sein dürfte, das Land ist auch ein großer Terrorsponsor etc... Das dem Iran das Geld fehlt find ich ganz gut. Wenn die Ölpreise wieder sinken (und das werden sie eines Tages), dann wird auch Saudi Arabien eine deutlich realistischere Wirtschafts- und Sozialpolitik fahren müssen, mit den notwendigen gesellschaftlichen Anpassungen.
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