Aufstands- und Partisanenbekämpfung (COIN)
Schneemann:

Zitat:Von einem Terror des Regimes, das so den Aufstieg von Guzmáns Maoisten ermöglichte, kann also nicht gesprochen werden.

Exakt das habe ich aber nicht geschrieben, sondern ich schrieb explizit, dass der Aufstieg des Leuchtenden Pfades durch drei wesentliche, aufeinander folgende Schritte erfolgte: 1. die Ausbreitung der Organisation im Geheimen und die Errichtung einer Parallelgesellschaft im Untergrund - 2. durch Terror des Leuchtenden Pfades selbst gegen die indigene Bevölkerung - 3. durch die Manipulation der Reaktionen der Regierung so dass diese ihre Gegengewalt falsch ausübte

Der wesentlichste Punkt für den Erfolg des leuchtenden Pfades und vieler anderer Guerilla ist dabei der Punkt 2. Und hier verstehst du offenkundig nicht was ich da meine und damit auch nicht was die Hauptauffassung der französischen Doktrin ist. Ich versuch es noch mal:

Der Insurgent kann sich in der Bevölkerung primär durch Terror des Insurgenten selbst gegen die Bevölkerung durchsetzen. Das ist auf den ersten Blick kontraintuitiv und gerade deshalb natürlich nicht so schnell begreiflich.

Es geht also nicht um Terror der Regierung als Schlüssel zum Erfolg der Insurgenten, eben nicht um den Terror des Konterinsurgenten, sondern um den Terror des Insurgenten selbst gegen die Bevölkerung. Der Insurgent ist erfolgreich durch seinen eigenen Terror wenn er diesen richtig anwendet.

Und der leuchtende Pfad ist das perfekte Musterbeispiel dafür.

Genau das ist die wesentlichste Erkenntnis und das primäre Verdienst der französischen Doktrin, dies als erster erkannt zu haben. Der Terror des Insurgenten und die Qualität des Terrors des Insurgenten sind viel wesentlicher für die Frage seines Erfolges als die Frage des Terrors seitens des Konterinsurgenten.

Und genau deshalb habe ich zu keinem Zeitpunkt von einem Terror des Regimes (=Konterinsurgent) als verantwortlichen Faktor für den Aufstieg der Maoisten gesprochen, sondern vom Terror der Maoisten selbst als verantwortlichen Faktor für deren Aufstieg.

Zitat:Hinzu kam, dass sich die Guerillas zu dieser Zeit noch halbwegs gesittet benahmen, sie bestraften Diebe und korrupte Richter und Bürgermeister, was ihnen manchen Pluspunkt bei der Landbevölkerung einbrachte. Es gab zu dieser Zeit (1980/81) also Zulauf zum "Sendero Luminoso", aber dieser war nicht einer Übergriffigkeit eines Regimes geschuldet und auch nicht durch den Terror der Guerillas gegen die Landbevölkerung erzwungen.

Doch, genau hier ist die entscheidende Stelle, der entscheidende Wendepunkt in diesem Ablauf des Aufstieges. Der Zulauf zum Leuchtenden Pfad wurde ganz wesentlich durch sehr gezielten Terror dieser Organisation erzwungen. Das ist die Erkenntnis welche der heutigen westlichen COIN Strategie fehlt und welche die französische Doktrin liefert. Man hat von Anfang an sehr gezielt - aber auch qualitativ sehr massiv - Terror gegen die Landbevölkerung ausgeübt.

Wie bei jedem solchen Fall teilte sich die Landbevölkerung im Prinzip in drei Gruppen. Eine Minderheit war gegen die Regierung und/oder für den leuchtenden Pfad. Eine Minderheit war für die Regierung und/oder gegen den leuchtenden Pfad. Die absolute Mehrheit war einfach nur Verfügungsmasse und wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden, friedlich leben, nicht qualvoll ermordet werden usw. Entsprechend richtete der leuchtende Pfad von Anfang an seinen Terror gegen die feindliche Minderheit in der Landbevölkerung und wie in jedem Guerillakrieg wird dadurch die Verfügungsmasse der Mehrheit auf seine Seite gezogen. Das ist die wesentliche Erkenntnis, auch wenn sie kontraintuitiv ist.

Zitat:Ebenso war der Terror der Maoisten nicht der Träger des Erfolges der Revolte.

Um mich da noch mal zu wiederholen: Terror ist nicht gleich Terror. Aber dessen ungeachtet: der Terror der Maoisten war absolut wesentlich für den Erfolg der Revolte. Genau so wie der Terror der Taliban absolut wesentlich war für deren Erfolg und wie das in absolut jedem modernen Krieg ist: der Terror des Insurgenten ist der alles entscheidende Dreh- und Angelpunkt für den Erfolg oder Misserfolg einer Guerilla.

Und genau um diese Erkenntnis dreht sich die französische Doktrin.

Fazit: der Aufstieg des leuchtenden Pfades war wesentlich seinem eigenen Terror geschuldet, als er diesen in der ersten Zeit seines Erfolges sehr zielgerichtet und sinnvoll einsetzte. Dies war der entscheidende Faktor für seinen Erfolg.

Und es war nicht der Terror des leuchtenden Pfades der ihn zu Fall brachte, sondern dass die Regierung die drei genannten Fragen von Galula positiv beantworten konnte. Und damit wurde der Terror des leuchtenden Pfades für ihn kontraproduktiv.

Wie sich Terror auswirkt ist deshalb je nach den Umständen höchst unterschiedlich. Kontraproduktiv wird er für den Insurgenten aber erst dann, wenn die Regierung die Antwort auf die genannten Fragen geliefert hat. Und davor nützt er immer dem Insurgenten.
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[Kein Betreff] - von Holger - 23.01.2004, 11:13

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