(Land) RCH 155
#19
Pmichael:

Zitat:Caesar ist schlicht nicht geeignet für die Bildung von lokaler Feuerüberlegenheit bei voller Manövrierbarkeit der Kräfte.

Könntest du dies noch ein wenig ausführen ? Denn vielleicht verstehe ich dich da falsch.

Im Gegenzug möchte ich anmerken, dass die RCH meiner Meinung nach (wenn ich dieses Konzept richtig verstehe) auch nicht dafür geeignet ist. Darüber hinaus muss nicht alle Artillerie dafür geeignet sein - es wäre sogar falsch alle Artillerie dafür auszulegen - und da wir hier bei den Mittleren Kräften sind: diese sind ebenfalls nicht voll manövrierbar und können systeminhärent so gar nicht eingesetzt werden.


Allgemein:

Statt jedem einzeln zu antworten gehe ich mal zusammen gefasst auf einige der Aspekte ein:

Produktionskapazität: Diese wird gerade zur Zeit für CAESAR massiv gesteigert. Im Gegensatz zur RCH könnte man daher zeitnah erhebliche Zahlen dieses Systems beschaffen.

Preisunterschied: der Preisunterschied ist deutlich größer als 2 zu 1 wie hier kolportiert. Es macht auch keinen Sinn hier Preise welche die Ukraine zahlt mit einem etwaigen Preis für die NG Version für uns zu vergleichen, denn ich nehme ja auch nicht den Preis für CAESAR mit 3 Mio an oder 3,5 Mio den andere schon dafür bezahlt haben. Tatsächlich könnte der Preisunterschied 4 bis 5 zu 1 betragen.

Schutz gegen Luftangriffe: man benötigt im modernen Krieg so oder so eine ständig die Artillerie abdeckende Luftraumverteidigung. Es geht gar nicht anders, und von daher hat die RCH hier keinen wesentlichen Vorteil, weil man ohnehin zusätzliche Luftraumverteidigung auch für sie permanent abstellen muss. In diesem Kontext:

Panzerung: die Stanag Level 4 sind für eine Radpanzerhaubitze mehr ein Problem als eine Lösung, erhöhen sie doch drastisch das Gewicht und senken damit drastisch die Querfeldeinbeweglichkeit. Tatsächlich dürfte CAESAR NG eine höhere Querfeldeinbeweglichkeit haben als die RCH. Darüber hinaus bringt diese Panzerung praktisch aber auch gar nichts bis wenig, weil die Angriffe von oben erfolgen (Drohnen / zielsuchende Munition) und entsprechende Loitering Munition eine RCH von oben her ganz genau so zerstört wie eine CAESAR, die RCH hat gerade eben gegenüber dieser Bedrohung keinen zusätzlichen Vorteil aus der schwereren Panzerung. Womit wir zur Frage kommen wie man so ein System ansonsten schützt:

Signatur: die CAESAR NG hat insgesamt gesehen eine geringere Signatur, sie kann auch besser getarnt werden. Und in Bezug auf schnelle Stellungswechsel ist die RCH zwar überlegen, die CAESAR aber ausreichend schnell. Darüber hinaus aber hat die CAESAR in Wahrheit die größere Querfeldeinbeweglichkeit und kann sich damit immer besser tarnen weil sie das Gelände besser nutzen kann.

Beweglichkeit: Die Querfeldeinbeweglichkeit ist bei der CAESAR größer (Gewichtsfrage), die Reichweite aber ist praktsich gesehen gleich. Die 100 km mehr für die RCH auf der Straße sind praktisch irrelevant und im Gelände (!) ist die Reichweite Gewichtsbedingt deutlich geringer.

Besatzung: wie schon beschrieben gibt es im Krieg eine Menge Aufgaben die sich nicht um das Abfeuern der Hauptwaffe drehen. Demzufolge ist eine größere Besatzung hier enorm vorteilhaft. Ein Beispiel um den vorherigen Punkt aufzugreifen wäre die Befähigung sich selbst abzutarnen. Darüber hinaus bedeutet mehr Besatzung, dass man das System selbst technisch einfacher halten kann und damit sinkt die Wahrscheinlichkeit für Störungen / Fritkionen. Die Ukrainer loben bei CASAR beispielsweise besonders immer die absolute Zuverlässigkeit, dass viel weniger Wartung / Reperaturen notwendig werden und dass die Systeme viel länger am Stück im Kampfeinsatz verbleiben können (höhere Durchhaltefähigkeit ist aber auch immer ein Produkt einer größeren Besatzung).

Munitionsvorrat: zu jeder CAESAR gehört immer ein zusätzliches Munitionsfahrzeug von welchem aus weitere Munition bezogen werden kann. Man steht zudem heutzutage grundsätzlich nicht mehr lange an einer Stelle, sondern muss nach wenigen Schuss schon wechseln. In der Ukraine ist dem nur nicht so, weil die Russen querschnittlich eine deutlich geringere Reichweite haben. Die CAESAR dort bleiben in Stellung weil sie querschnittlich außer Reichweite stehen. Aber auch dort wo die CAESAR hochmobil mit ständigen Stellungswechseln eingesetzt wurden war der geringere Munitionsvorrat kein praktisches Problem. Man kann auch zuviel Munition dabei haben, und schlussendlich wird dass dann auch wieder zu einer Gewichtsfrage (Querfeldeinbeweglichkeit usw)

Direktes Richten: praktisch irrelevant wenn man keine Panzerhaubitze auf Kette hat und selbst da würde ich es eher als eine Ausnahme sehen, die vom praktischen Wert her eher fragwürdig ist.

Dänemark: Mal abwarten was da noch rauskommt (Rüstungsskandal), denn die Entscheidung für das israelische System fiel tatsächlich ohne irgendeine Prüfung oder einen Vergleich beider Systeme. Zudem würde ich einen einzigen Nutzer und dessen Handlungen eher als anekdotische Evidenz betrachten und nicht derart als Argument überhöhen.

Luftverlastbarkeit: die RCH ist nicht im A400M luftverlastbar, die CAESAR NG ist dies problemlos.

Divisionsartillerie: Hier geht es ja zwar um die mittleren Kräfte, aber es stellt sich unabhängig davon schon die Frage, warum eine solche Radhaubitze nicht auch als Divisionsartillerie funktionieren sollte? Denn gerade eine Divisionsartillerie wird ja nicht mit den Kampfeinheiten gemeinsam "vorne" in einem hochmobilen Gefecht mitgehen.

Ableitungen aus dem Ukrainekrieg: auch wenn man gerne in Bundeswehrkreisen sich ach so weit überlegen dünkt, gerade in Bezug auf den Einsatz der Artillerie könnte man etliches aus dem Ukrainekrieg lernen, zumal dieser ja vor allem anderen ein Krieg der Artillerie ist. Das hat nichts damit zu tun, dass die besser wären, oder die Bundeswehr keine Ahnung hätte, sondern die Bundeswehr hat ein bestimmtes Konzept, eine bestimmte Idee wie der Krieg geführt wird, aber es ist angesichts der real vorhandenen Möglichkeiten eben höchst fragwürdig, ob dieses Konzept so von ihr überhaupt real umgesetzt werden könnte. Und besonders fragwürdig ist dies in Bezug auf die sogenannten mittleren Kräfte.

Es ist doch eine bloße Illusion zu glauben, mittlere Kräfte würden dann in überdehnten Räumen ein hochmobiles Gefecht bei voller Manövrierbarkeit aller Kräfte führen, um in schnell wechselnden Schwerpunkten lokale Feuerüberlegenheit herzustellen. Stattdessen wird man feststellen dass man gar nicht genug Pioniere hat um die zu schweren GTK Boxer aus dem schlammigen Boden in Osteuropa heraus zu ziehen und mobil zu halten. Gerade die mittleren Brigaden sollen in der Defensive vor allem Verzögerung betreiben.

Lokale Feuerüberlegenheit: diese kann man auch anders herstellen, und zwar angesichts der heute möglichen Reichweiten indem man das Feuer entsprechend dorthin richtet wo es benötigt wird, statt die Systeme dorthin zu bewegen wo sie benötigt werden. Angesichts der heute möglichen Reichweiten ist es sogar fragwürdig, ob man überhaupt eine konventionelle Brigadeartillerie benötigt, oder ob man nicht besser in den Brigaden bewusst auf Haubitzen / Artillerie im klassischen Sinne verzichten sollte. Man könnte stattdessen beispielsweise in den Verbänden mehr Panzermörser haben und diese für die Verdichtung des Feuers vor Ort einsetzen. Will man aber eine Brigadeartillere mit Haubitzen, so muss man sich fragen, ob man einen schweren Verband hat, der den Bewegungskrieg führen soll, oder einen mittleren Verband hat, welcher den Bewegungskrieg nur unter ganz bestimmten Umständen führen kann. Und was für Systeme dann für diese spezifischen Umstände ausreichend sind. Und der Bundeswehr fehlt es ganz allgemein weitgehend an einem Verständnis für den Begriff ausreichend.

CAESAR NG vs RCH155: Natürlich ist die RCH155 viel besser (aber ist sie auch 5 mal so gut?). Wesentlicher aber: im hier diskutierten Kontext wäre die CASEAR NG ausreichend (sieh vorheriger Punkt). Und Quantität ist eine Qualität für sich, welche der Bundeswehr zunehmend verloren geht, weil man nicht begreifen will welche Umstände real praktisch vorliegen. Stattdessen greint man herum, dass die Politik halt mehr Geld geben soll, und noch mehr Geld, und noch mehr Geld, aber noch so viel Geld würde diese dysfunktionalen Strukturen nicht funktionsfähig bringen, weil das Grundproblem damit nicht gelöst wird.

Personalproblematik: es gibt in dieser Bundeswehr genug Personal. Dieses wird nur nicht richtig eingesetzt und nicht richtig verteilt. Bei geringeren Anforderungen pro Soldat (bei CAESAR möglich, bei der RCH nicht) wäre es zudem machbar, auch weniger qualifizierte / befähigte Soldaten für diese Verwendung einzustellen. Aber auch beim Personal will die Bundeswehr nicht begreifen, was ausreichend wäre.
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RCH 155 - von HansPeters123 - 19.10.2023, 14:57
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