17.11.2023, 09:04
Vor dem aktuellen Hintergrund habe ich mir ein Buch angeschaut - Joseph Croitoru: Hamas, dtv Verlag, 2007. Über das Antiquariat kann man es selbst via Amazon recht günstig für wenige Euro bestellen. Link: https://www.amazon.de/Hamas-islamische-K...340655735X
Der Autor seziert Scheibe für Scheibe das Entstehen der Organisation, ihre Wurzeln, ihren Aufstieg, ihre Politik. Er nutzt dabei öfters auch israelische Geheimdienstquellen. Und es wird ersichtlich, dass die Entstehungsgeschichte nicht alleine auf die These heruntergebrochen werden kann, dass die Israelis die Hamas haben groß werden lassen, damit sie die Fatah so untergraben können...
Es zeigt sich vielmehr, dass v. a. die Regierungen in Israel diese seltsame Gruppe nicht so ganz ernst nahmen (oder auch nur nicht ernst nehmen wollten, da das der eigenen Politik ggü. der Fatah im Wege gestanden hätte), v. a. in den 1990ern sah man diese Bewegung zudem eher als ein temporäres Strohfeuer an. Dahingehend haben die Geheimdienste jedoch davor gewarnt, dass speziell die Sozialengagements der Hamas sowie ihr Einfluss auf die medizinische und bildungsspezifische Infrastruktur langfristige Auswirkungen haben werden und dass dies irgendwann zu wachsendem Einfluss der Islamisten unter den Palästinensern führen wird.
Aber gerade z. B. der Schin Bet stieß mit seinen Warnungen regelmäßig auf taube Ohren, da die Regierung(en) in Jerusalem das nicht hören wollten und sich an das Gespinst von Oslo geklammert hat/haben und dachte/n, dass die Fatah Arafats der entscheidende Verhandlungspartner sei. Übrigens gab es auch diskrete Hinweise der Ägypter - die Hamas begründete sich ja aus der Ideologie der ägyptischen Muslimbrüder (die in Ägypten von den dortigen Militärregierungen verfolgt wurden und werden) -, die die Israelis vor der Agitation der Hamas warnten; aber auch diese Warnungen versumpften in irgendwelchen Polit-Kanälen oder wurden aus politischem Desinteresse heraus ad acta gelegt.
D. h. zu der Zeit, als der Einfluss der Hamas noch sehr gering war, Anfang der 1990er, wäre es schlicht unlogisch aus israelischer Sicht gewesen, eine spinnerte kleinere Islamistengruppe zu unterstützen, um damit den Hauptverhandlungspartner aus Oslo zu schwächen. Man hat es also einfach unterschätzt, entweder ungewollt oder halbwegs gezielt gewollt aufgrund anderslautender politischer Abwägungen - obgleich die Geheimdienste durchaus davor gewarnt haben. (Hinsichtlich der Fernwirkung der islamischen Erneuerung gab es zudem auch mehrere Bücher von Scholl-Latour aus den 1990ern, die genau diesen wachsenden Einfluss voraussagten.) Von einem gezielten Heranzüchten der Hamas durch die Israelis als Gegengewicht zur Fatah/PLO kann aber nicht ausgegangen werden, eher von einem verhängnisvollen Verdrängen.
Schneemann
Der Autor seziert Scheibe für Scheibe das Entstehen der Organisation, ihre Wurzeln, ihren Aufstieg, ihre Politik. Er nutzt dabei öfters auch israelische Geheimdienstquellen. Und es wird ersichtlich, dass die Entstehungsgeschichte nicht alleine auf die These heruntergebrochen werden kann, dass die Israelis die Hamas haben groß werden lassen, damit sie die Fatah so untergraben können...
Es zeigt sich vielmehr, dass v. a. die Regierungen in Israel diese seltsame Gruppe nicht so ganz ernst nahmen (oder auch nur nicht ernst nehmen wollten, da das der eigenen Politik ggü. der Fatah im Wege gestanden hätte), v. a. in den 1990ern sah man diese Bewegung zudem eher als ein temporäres Strohfeuer an. Dahingehend haben die Geheimdienste jedoch davor gewarnt, dass speziell die Sozialengagements der Hamas sowie ihr Einfluss auf die medizinische und bildungsspezifische Infrastruktur langfristige Auswirkungen haben werden und dass dies irgendwann zu wachsendem Einfluss der Islamisten unter den Palästinensern führen wird.
Aber gerade z. B. der Schin Bet stieß mit seinen Warnungen regelmäßig auf taube Ohren, da die Regierung(en) in Jerusalem das nicht hören wollten und sich an das Gespinst von Oslo geklammert hat/haben und dachte/n, dass die Fatah Arafats der entscheidende Verhandlungspartner sei. Übrigens gab es auch diskrete Hinweise der Ägypter - die Hamas begründete sich ja aus der Ideologie der ägyptischen Muslimbrüder (die in Ägypten von den dortigen Militärregierungen verfolgt wurden und werden) -, die die Israelis vor der Agitation der Hamas warnten; aber auch diese Warnungen versumpften in irgendwelchen Polit-Kanälen oder wurden aus politischem Desinteresse heraus ad acta gelegt.
D. h. zu der Zeit, als der Einfluss der Hamas noch sehr gering war, Anfang der 1990er, wäre es schlicht unlogisch aus israelischer Sicht gewesen, eine spinnerte kleinere Islamistengruppe zu unterstützen, um damit den Hauptverhandlungspartner aus Oslo zu schwächen. Man hat es also einfach unterschätzt, entweder ungewollt oder halbwegs gezielt gewollt aufgrund anderslautender politischer Abwägungen - obgleich die Geheimdienste durchaus davor gewarnt haben. (Hinsichtlich der Fernwirkung der islamischen Erneuerung gab es zudem auch mehrere Bücher von Scholl-Latour aus den 1990ern, die genau diesen wachsenden Einfluss voraussagten.) Von einem gezielten Heranzüchten der Hamas durch die Israelis als Gegengewicht zur Fatah/PLO kann aber nicht ausgegangen werden, eher von einem verhängnisvollen Verdrängen.
Schneemann