05.04.2024, 12:24
Allgemein:
Ein Artikel über das Versagen der israelischen Regierung:
https://warontherocks.com/2024/04/dereli...october-7/
Werter Nightwatch:
Da sind wir beide ja einer Meinung. Der operative Umbruch war abgesehen von dem Versagen der Regierung Netanyahu und allgemeiner militärischer Inkompetenz davor ja der größte Fehler der gemacht wurde. Gar keine Frage, man hätte unbedingt den Krieg vollumfänglich fortführen müssen, ja man hätte ihn sogar intensivieren können.
Man hätte Rafah aber früher stürmen können. Und es ist eigentlich ganz einfach: die Zivilbevölkerung dort hat Vorräte und im Gebiet verfügbare Lebensmittel für eine bestimmte Zeit. Wenn ich also mit meinem militärischen Vorgehen innerhalb dieser Zeit weiter komme oder dieses sogar abschließe bevor diese vorhandenen Vorräte zu Ende gehen, dann habe ich bereits das Ziel erreicht (weitestgehend) bevor eine Versorgungsproblematik entsteht.
Entsprechend hat man immer ein Zeitfenster bevor tatsächlich eine Versorgungskrise entsteht. Und dieses hat die israelische Armee nicht schnell genug exploriert:
Und exakt das meine ich und exakt darauf wollte ich hinaus. Das ist es, was ich meine, wenn ich von miliärischer Inkompetenz schreibe. An dem Tag als der Terrorangriff Israel traf und direkt in den darauf folgenden Tagen hatten wir beide schon genau das geschrieben: dass man zuerst im Süden einen Vorstoß entlang der Grenze ans Meer durchführen muss, Rafah nehmen muss und die Grenze zu Ägypten unter Kontrolle bringen muss. Das war so offensichtlich und ist immer noch so offensichtlich, dass selbst meine Wenigkeit es sofort unmittelbar auf die Anschläge folgend und noch bevor die Israelis mit der Offensive begonnen hatten exakt so geschrieben habe.
Erst einkesseln - dazu muss man im Süden die Grenze sichern und besetzen - erst dann kann man den Rest aufräumen.
Und warum ist dies nicht geschehen ? Und warum hat man nicht sofort losgeschlagen ? Ich wäre noch am 7 Oktober direkt in den Gazastreifen eingedrungen um die Hamas dort in Gefecht zu verwickeln und sie damit durch Simultanität an möglichst vielen Stellen zu binden um dann schnellstmöglich im Süden entlang der Grenze durchzustoßen.
Wir beiden haben das schon kurz nach dem Terrorangriff so geschrieben.
Stattdessen hat man gezögert und gezögert und noch mehr gezögert und ist dann erst stochernd übervorsichtig etwas vorgerückt und dann noch ein wenig, hat hier probeweise angesetzt, dann dort, ist dann wenige hundert Meter vorgedrungen und erst mal wieder Tagelang stehen geblieben und erst dann rollte die Offensive an.
Und das nenne ich: militärische Inkompetenz.
Und wenn der primäre Grund dafür tatsächlich der sein sollte den du hier nennst: dass man keine vollständig ausgearbeiteten Pläne für eine Offensive in Gaza hatte (!), dann nenne ich das erst recht militärische Inkompetenz und dann ist das ein Versagen der israelischen Führung und nichts anderes.
Man kann doch nicht ernsthaft in einem solchen Umfeld keine aktuellen Offensivpläne in der dort immer zwingend notwendigen Größenordnung haben ?! Das ist doch irreal !
Und nun will man, so meine These, von diesem eigenen Versagen ablenken, indem man die Schuld primär den lieben westlichen Partnern und deren politisch-diplomatischen Bremsen zuschiebt. Aber selbst dieses Bremsen benötigt einige Zeit um anzulaufen und um zu wirken. Wäre man sofort, unmittelbar, so massiv wie möglich nach Gaza hinein gegangen, hätte dieses Bremsen nicht einmal Zeit gehabt zu wirken.
Denn dann wäre man ja bereits allenorten in massive Kämpfe verwickelt gewesen und dann hat das eine Eigendynamik in welcher irgendwelches diplomatische Bremsen keinen Effekt mehr hat. Das Race to the Swift ist heute gerade eben auch deshalb notwendig, um dem negativen politischen Einfluss zuvor zu kommen, Fakten zu schaffen bevor dieser wirken kann und alle bereits vor vollende Tatsachen zu stellen, noch bevor sie dazu überhaupt irgendeinen Einfluss nehmen können.
ich habe nach wie vor keine andere Erklärung dafür, dass man den Rest des Gazastreifens nicht auch noch aufgeräumt hat, als das es der internationale (bzw. US-amerikanische) Druck verhindert hat.
Kann gut sein, und hier und heute bestreite ich ja gar nicht, dass dieser Druck ein Problem darstellt. Aber in den ersten Wochen des Oktober war dieser Druck so meiner Überzeugung nach noch nicht wirksam und damit bleibe ich bei meiner Feststellung, dass man diesem hemmenden / bremsenden / negativen Einfluss der "westlichen Wertegemeinschaft" hätte zuvor kommen können.
Und dann stellt sich mir die Frage, warum man dies nicht getan hat. Und die einzige Antwort dazu ist für mich, dass man keinen wirklichen Plan hatte wie man das tun soll und dass man vor allem die eigenen Verluste so niedrig wie möglich halten wollte, zudem wollte man weiter Kräfte auf der Westbank, sollte es dort auch aufgehen und schließlich die Geiseln noch irgendwie befreien usw usf, kurz und einfach, man war zu zögerlich, man war zu langsam, man war inkompetent.
Mein Aussage ist ja nicht, dass es diesen negativen westlichen Einfluss nicht gäbe, sondern dass er anfangs so noch nicht gewirkt hat (dafür braucht er eine gewisse Anlaufzeit) und dass Israel diese Anlaufzeit verschwendet hat aus Inkompetenz und dass man nun den zweifelsohne vorhandenen negativen Einfluss des Westens als Ausrede für das Versagen bevor dieser Wirkung zeigte benutzt.
Man war zu langsam, zu zögerlich, und damit das Momentum verschenkt. Und jetzt sollen die anderen daran schuld sein. Und die sind zweifelsohne an den ganzen fatalen Fehlentwicklungen die im Moment stattfinden hochgradig mitschuldig, aber nur weil sie hier und jetzt daran Schuld sind, heißt das nicht, dass man sie gleichermaßen für das Versagen der IDF zu Kriegsbeginn verantwortlich machen kann. Und deshalb bezeichne ich dies als eine bequeme Ausrede für die Regierung Netanyahu.
Ein Artikel über das Versagen der israelischen Regierung:
https://warontherocks.com/2024/04/dereli...october-7/
Zitat:[Hamas had been preparing for Oct. 7 for a long time, yet the most extreme government in Israel’s history supplied it with a remarkable opportunity. The Netanyahu government’s “judicial overhaul” and other steps to weaken and erode the Israeli democracy created deep divides among the Israeli public. This fracture created an image of systemic weakness and a vulnerability to a multi-front assault (including by Hizballah and Iran, and forces in the West Bank), which will ultimately leave Israel devastated or defeated.
Netanyahu’s government, of course, will try (and already tries) to deflect the blame onto the mass protests against the government. Yet it is clear that the blame lies with Netanyahu, who initiated moves to change the state’s regime fundamentally and ignored the alerts of many senior officers in the Israeli security establishment.
High-ranking officers in the military, even including Minister of Defense Yoav Gallant, tried to alert Netanyahu of the security threat that an eroding Israeli democracy posed. The prime minister refused to discuss the issue and even tried to fire Gallant after he aired the threat publicly. Netanyahu and his coalition partners are culpable for this blunder.
Zitat:While the Kibbutzim and towns of the Western Negev were desperately waiting for hours for the military to save them from the brutal and massive assault from Hamas, the Israeli Air Force was elsewhere, already attacking targets in Gaza. To be clear, fighters and bombers are not tools with which to fight an invasion in your own territory. But it is still telling that within hours of the attack, only two attack helicopters (under the air force command in the Israel Defense Forces) were available to protect Israeli territory while a forceful bombardment of Gaza was already happening.
The Israeli government during all of Netanyahu’s years as prime minister prioritized the West Bank over the border with the Gaza Strip. This trend has dramatically accelerated since the establishment of the current government in 2022, under which this priority is clearly expressed in resource allocation.
Zitat:Slowly, investment in the Gaza Division and its defense of Western Negev has deteriorated. The civil emergency squads in the border villages were also perceived as a nuisance and not a defensive asset. As a result, they were deprived of weapons and training. The underground barrier that Israel built under the fence separating it from Gaza has increased the illusion of security provided by the military and the government. Many of these resources were redirected to the West Bank, where increasing settler provocations and attacks on Palestinians necessitated a larger force to prepare for an expected backlash. On Oct. 7, one weakened and neglected division stood unprepared in front of a large, well-armed, well-prepared, and flexible Hamas force. At the same time, settlements in the West Bank were safe and sound.
Systemic dysfunction of the Israeli state was evident in the days immediately following the attack: abandoning the hostages and going to war without clear political goals. Yet an initial analysis of such multi-layered and multi-systemic failures of Oct. 7 shows that Israel cannot wait until the end of the war to learn from these blunders. Many of the principal causes behind these blunders continue to erode the basic interests of the state. Israel should examine the core assumptions of its security establishment and completely overhaul its leadership.
Werter Nightwatch:
Zitat:Ich sehe da vielmehr schlicht keinen zwingenden Grund den Krieg nicht über Dezember hinaus in hoher Intensität fortzuführen
Da sind wir beide ja einer Meinung. Der operative Umbruch war abgesehen von dem Versagen der Regierung Netanyahu und allgemeiner militärischer Inkompetenz davor ja der größte Fehler der gemacht wurde. Gar keine Frage, man hätte unbedingt den Krieg vollumfänglich fortführen müssen, ja man hätte ihn sogar intensivieren können.
Zitat:Hinsichtlich Versorgungsproblematik der Zivilbevölkerung – diese unsägliche Thematik kam einerseits ja gerade erst aufgrund der irgendwo im Raum stehenden Offensive auf Rafah ins öffentliche Blickfeld.
Man hätte Rafah aber früher stürmen können. Und es ist eigentlich ganz einfach: die Zivilbevölkerung dort hat Vorräte und im Gebiet verfügbare Lebensmittel für eine bestimmte Zeit. Wenn ich also mit meinem militärischen Vorgehen innerhalb dieser Zeit weiter komme oder dieses sogar abschließe bevor diese vorhandenen Vorräte zu Ende gehen, dann habe ich bereits das Ziel erreicht (weitestgehend) bevor eine Versorgungsproblematik entsteht.
Entsprechend hat man immer ein Zeitfenster bevor tatsächlich eine Versorgungskrise entsteht. Und dieses hat die israelische Armee nicht schnell genug exploriert:
Zitat:Ein wesentlicher Punkt (und das ist wirklich Kritikwürdig) warum die Offensive überhaupt erst Ende Oktober begonnen hat und nicht schneller nach dem 07. Oktober war (neben auch wieder der Verzögerungen an der diplomatischen und politischen Front), dass die IDF keine aktuellen Offensivpläne für Gaza hatte. Wenigstens nicht in der angedachten Größenordnung. Da mussten noch einiges an operativer Planung nachgeholt werden und ich vermute, dass hier auch der amerikanische Einfluss für die grandiose Idee mitverantwortlich ist, nicht zunächst nach Rafah zu gehen und vor allem die Fluchttunnel in den Sinai abzuschneiden. Ich hätte das eher genau anders herum gemacht und dabei selbstverständlich auch die Grenze zu Ägypten für die Zivilbevölkerung geöffnet.
Und exakt das meine ich und exakt darauf wollte ich hinaus. Das ist es, was ich meine, wenn ich von miliärischer Inkompetenz schreibe. An dem Tag als der Terrorangriff Israel traf und direkt in den darauf folgenden Tagen hatten wir beide schon genau das geschrieben: dass man zuerst im Süden einen Vorstoß entlang der Grenze ans Meer durchführen muss, Rafah nehmen muss und die Grenze zu Ägypten unter Kontrolle bringen muss. Das war so offensichtlich und ist immer noch so offensichtlich, dass selbst meine Wenigkeit es sofort unmittelbar auf die Anschläge folgend und noch bevor die Israelis mit der Offensive begonnen hatten exakt so geschrieben habe.
Erst einkesseln - dazu muss man im Süden die Grenze sichern und besetzen - erst dann kann man den Rest aufräumen.
Und warum ist dies nicht geschehen ? Und warum hat man nicht sofort losgeschlagen ? Ich wäre noch am 7 Oktober direkt in den Gazastreifen eingedrungen um die Hamas dort in Gefecht zu verwickeln und sie damit durch Simultanität an möglichst vielen Stellen zu binden um dann schnellstmöglich im Süden entlang der Grenze durchzustoßen.
Wir beiden haben das schon kurz nach dem Terrorangriff so geschrieben.
Stattdessen hat man gezögert und gezögert und noch mehr gezögert und ist dann erst stochernd übervorsichtig etwas vorgerückt und dann noch ein wenig, hat hier probeweise angesetzt, dann dort, ist dann wenige hundert Meter vorgedrungen und erst mal wieder Tagelang stehen geblieben und erst dann rollte die Offensive an.
Und das nenne ich: militärische Inkompetenz.
Und wenn der primäre Grund dafür tatsächlich der sein sollte den du hier nennst: dass man keine vollständig ausgearbeiteten Pläne für eine Offensive in Gaza hatte (!), dann nenne ich das erst recht militärische Inkompetenz und dann ist das ein Versagen der israelischen Führung und nichts anderes.
Man kann doch nicht ernsthaft in einem solchen Umfeld keine aktuellen Offensivpläne in der dort immer zwingend notwendigen Größenordnung haben ?! Das ist doch irreal !
Und nun will man, so meine These, von diesem eigenen Versagen ablenken, indem man die Schuld primär den lieben westlichen Partnern und deren politisch-diplomatischen Bremsen zuschiebt. Aber selbst dieses Bremsen benötigt einige Zeit um anzulaufen und um zu wirken. Wäre man sofort, unmittelbar, so massiv wie möglich nach Gaza hinein gegangen, hätte dieses Bremsen nicht einmal Zeit gehabt zu wirken.
Denn dann wäre man ja bereits allenorten in massive Kämpfe verwickelt gewesen und dann hat das eine Eigendynamik in welcher irgendwelches diplomatische Bremsen keinen Effekt mehr hat. Das Race to the Swift ist heute gerade eben auch deshalb notwendig, um dem negativen politischen Einfluss zuvor zu kommen, Fakten zu schaffen bevor dieser wirken kann und alle bereits vor vollende Tatsachen zu stellen, noch bevor sie dazu überhaupt irgendeinen Einfluss nehmen können.
ich habe nach wie vor keine andere Erklärung dafür, dass man den Rest des Gazastreifens nicht auch noch aufgeräumt hat, als das es der internationale (bzw. US-amerikanische) Druck verhindert hat.
Kann gut sein, und hier und heute bestreite ich ja gar nicht, dass dieser Druck ein Problem darstellt. Aber in den ersten Wochen des Oktober war dieser Druck so meiner Überzeugung nach noch nicht wirksam und damit bleibe ich bei meiner Feststellung, dass man diesem hemmenden / bremsenden / negativen Einfluss der "westlichen Wertegemeinschaft" hätte zuvor kommen können.
Und dann stellt sich mir die Frage, warum man dies nicht getan hat. Und die einzige Antwort dazu ist für mich, dass man keinen wirklichen Plan hatte wie man das tun soll und dass man vor allem die eigenen Verluste so niedrig wie möglich halten wollte, zudem wollte man weiter Kräfte auf der Westbank, sollte es dort auch aufgehen und schließlich die Geiseln noch irgendwie befreien usw usf, kurz und einfach, man war zu zögerlich, man war zu langsam, man war inkompetent.
Mein Aussage ist ja nicht, dass es diesen negativen westlichen Einfluss nicht gäbe, sondern dass er anfangs so noch nicht gewirkt hat (dafür braucht er eine gewisse Anlaufzeit) und dass Israel diese Anlaufzeit verschwendet hat aus Inkompetenz und dass man nun den zweifelsohne vorhandenen negativen Einfluss des Westens als Ausrede für das Versagen bevor dieser Wirkung zeigte benutzt.
Man war zu langsam, zu zögerlich, und damit das Momentum verschenkt. Und jetzt sollen die anderen daran schuld sein. Und die sind zweifelsohne an den ganzen fatalen Fehlentwicklungen die im Moment stattfinden hochgradig mitschuldig, aber nur weil sie hier und jetzt daran Schuld sind, heißt das nicht, dass man sie gleichermaßen für das Versagen der IDF zu Kriegsbeginn verantwortlich machen kann. Und deshalb bezeichne ich dies als eine bequeme Ausrede für die Regierung Netanyahu.