04.07.2024, 22:40
(04.07.2024, 06:41)Quintus Fabius schrieb: Nimm mal nur als Beispiel wie man in Vietnam agiert hat, und dann wie man im Irak agiert hat und wie man nach dem Irak in Afghanistan agiert hat. Die Ironie ist, dass die Armee welche in Vietnam kämpfte in Irak und Afghanistan gewonnen hätte. Die Unterschiede sollten absolut klar sein und offensichtlich.
Der wesentliche Punkt ist ja gerade eben, dass zwischen dem was früher war (WK, Koreakrieg, Vietnam) und dem was heute ist, Welten liegen und dass es gerade eben die Unterschiede zwischen den genannten Kriegen sind, welche so klar und eindeutig die in den letzten 20 Jahren entstandene Kriegsunfähigkeit des Westens aufzeigen.
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Die Befähigung oder Nicht-Befähigung von Streitkräften wie auch von Gesellschaften zur Kriegsführung entsteht in Generationen. Nur weil früher etwas war, heißt dies nicht, dass es immer weiter so ist. Armeen können hochgradig kriegstauglich sein, aber nur eine Soldatengeneration später degeneriert sein. Es gab vom letzten Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts auf heute einen solchen Umbruch, eine neue militärische Generation und auch einen massiven Umbruch in den westlichen Gesellschaften. Dieser wird heillos unterschätzt und führt zu der heute zu einem eklatanten Problem gewordenen Gewaltunfähigkeit.
Da ist für den Moment betrachtet etwas dran. In einer wirtschaftlich und außenpolitisch komfortablen Situation, in der ein eiserner Vorhang gefallen ist, ein INF Vertrag den Russen den Bau von Mittelstreckenraketen untersagte, Minensperren quer durch Europa geräumt und Ostblockstaaten weitestgehend friedlich in die westliche Hemisphäre eingegliedert wurden, die Chinesen soziale Medien konsumieren und "Frieden bedeutet, dass die Bomben woanders fallen", macht die Gesellschaft ja auch einen sehr guten Job, wenn sie im zivilen Bereich erfolgreich ist und in diesen Sektoren die globale Machtstellung festigt. Gewaltanwendung ist für mich auch nur eines von vielen Mitteln der Konfliktführung, in denen man sein Handwerk beherrschen muss, um global erfolgreich zu sein.
Zitat:Deshalb nützt es rein gar nichts zu erklären, dass die Europäer ja früher einmal in der Lage waren, ernsthafte organisierte Gewalt auszuüben. Hier und heute sind sie es nicht mehr in ausreichendem Maße.
Das weiß ich nicht. Das politische, systemische Europa hat jedenfalls die Fähigkeit verloren oder es hatte sie nie, eigene "Macht" über die Zweige der Diplomatie, Forschung, Wirtschaft, Infrastruktur und Gewaltanwendung hinweg in organisierter Form auszuüben. Wie eine Krake, nur dass der eine Arm nicht weiß, was der andere tut. Keines dieser Elemente führt unabhängig von dem anderen nach vorn. Die Innovationen kommen aus China und USA. Die Gewinne werden woanders abgeführt. Investitionskapitalanziehende Wachstumsmärkte liegen woanders. Ein Krieg gegen Russland oder China wäre schlicht Wahnsinn und die Kunst besteht eher in der Fähigkeit, einen solchen Krieg zu vermeiden und den Konflikt um die globale Vorherrschaft infrastrukturell und technologisch für sich zu entscheiden, sonst wird das noch von ganz alleine zunehmend düster aussehen.
Zitat:Und jetzt, nachdem es praktisch gesehen schon zu spät ist, versucht man hektisch herum zu rudern und das Steuer nochmal herum zu reißen, wo man die ganze Situation praktisch aufgrund der eigenen Gier und der Mechanismen der Plutokratie selbst geschaffen hat.
Das vergrößert den Fehler aus meiner Sicht. Weil diese Kehrtwende zum falschen Zeitpunkt erfolgt. Wie Du richtig sagst, hätte man die unvermeidbare heutige Situation bzw. die Entwicklung Chinas so weit wie möglich verzögern müssen, in dem man von Anfang an den heimischen Markt abschottet vor internationalem Raubbau. Jetzt macht es erst Recht eher Sinn mit den Chinesen schwimmen, denn als Markt brauchen sie uns noch.
Zitat:Global Machtpolitisch gesehen aber ist einer der wesentlichsten Faktoren, dass die Russen ganz genau so aktiv feindliche Politik gegen uns betreiben und dies weltweit, wie wir feindliche Politik gegen Russland betreiben. Russland hat sich selbst durch seine reale Politik als Feind positioniert.
Ausnahmslos alle Nationen stehen miteinander im Wettbewerb. Europa ist leider in die Falle der Amerikaner getappt. Die russischen Gasverträge waren ihnen seit Jahrzehnten ein Dorn im Auge, angeblich weil sie Europa bestechlich bzw. abhängig machen würde. Das Thema ist locker 50-60 Jahre alt, wenn ich nicht irre. Nun ist es vollbracht und es besteht nun eine vollständige Abhängigkeit von den USA und Arabien. Das heißt schon innerhalb der eigenen Allianz ist Deutschland geschwächt, zahlt man Schutzgeld. Selbst innerhalb der westlichen Allianz belegt man sich obendrein gegenseitig mit Strafzöllen. Deutschland und weitere europäische Staaten gewinnen durch eine offene Feindschaft mit Russland und China nichts (mehr). Das Gegenteil ist der Fall. Die Amis reißen uns alle mit in ihren Strudel.
Zitat:Ein starkes selbstständig agierendes Russland wäre eine massive Bedrohung in einem sich abzeichnenden Waffengang mit West-Taiwan.
Du meinst einen sich abzeichnenden Waffengang mit China? Wer sollte das wollen und warum?