Qualität von Streitkräften
@reflecthofgeismar
Zitat:Da müsste man dann schon den Durchschnitt begutachten und unter welchen Umständen gekämpft wurde.
Amerikanische, britische und andere Militärhistoriker, auch aus Israel, hatten mal ne "Wertungsliste" über die Armeen im WK1/WK2 veröffentlicht.
In beiden waren die Deutschen führend.
Ich erachte solche Wertungslisten als wenig zielführend und als wenig aussagekräftig. Ich bin zwar kein wirklicher Fachmann für Heeresfragen, aber kenne mich in Marinethemen relativ gut aus (nehme ich zumindest an), und hierbei kamen mir auch schon Wertungslisten von Seestreitkräften unter, die mir zu erklären versuchten, dass man die brasilianische Marine in etwa mit der US Navy vergleichen könne, was natürlich keinen Sinn ergibt, selbst wenn einzelne Einheiten sicherlich als gut ausgestattet oder hochmotiviert angesehen werden können.

Bzgl. des genannten WK-II-Beispiels: Auch wenn mir die SS-Lastigkeit in genanntem Artikel etwas auffiel, so sehe ich gerade in den SS-Verbänden kein sonderlich gutes Beispiel. Ich möchte hierbei nicht auf weltanschauliche Aspekte, den Holocaust oder Kriegsverbrechen eingehen - diese Hintergründe sind hinlänglich bekannt -, sondern auf den reinen Kampfwert. Und hierbei war es so, dass die SS-Verbände im Regelfall eine sehr gute Ausstattung bzw. eine nachschubspezifische Vorzugsbehandlung erhielten (oftmals zum Leidwesen von Heeresverbänden) und zugleich im Frontbereich tatsächlich oftmals als "Feuerwehr" eingesetzt wurden, was den Heeresverbänden manche Erleichterung brachte.

Gleichzeitig jedoch waren ihre Kommandeure sehr oft wenig in taktischer und strategischer Denke bewandert, oftmals dominierte die politisch-völkische Indoktrinierung. Dies führte dazu, dass sich SS-Kommandeure ihre Erfahrungen im Felde erst einmal aneignen mussten und dass die einzelnen Einheiten oftmals mit brachialer Taktik vorgingen und desolate Ergebnisse im Vergleich zu Heeresverbänden ablieferten.

Es gibt bekanntlich zur SS viele Bücher, und die meisten sind zurecht sehr kritisch, weswegen ich als Bsp. mal Gordon Williamson heranziehe - von dem ich z. B. Die SS - Hitlers Instrument der Macht (Kaiser Verlag, Klagenfurt 1999) habe -, der in manchen Punkten meiner Meinung nach zu nachsichtig mit der SS und ihren Taten umgeht. Seine Bücher zu dem Thema sind bzgl. begangener Verbrechen zwar durchaus schon kritisch bzw. erwähnen die Verbrechen, aber in punkto Kampfleistung sind sie von mancher Lobhudelei begleitet. Und selbst Williamson räumt dennoch die Unfähigkeiten ein, er beschreibt etwa, wie 1939 im Polenfeldzug gut und überlegen ausgestattete SS-Einheiten der Verfügungstruppe gegen schwächere polnische Infanterie den kürzeren zogen und unnötig hohe Verluste erlitten, da die Soldaten zwar mit hoher Aggressivität und in völkischem Überlegenheitsgefühl, aber mit völlig unzulänglicher Taktik und unnötiger Waghalsigkeit einfach "mal anrannten". Der viel bemühte spätere Oberst-Gruppenführer Sepp Dietrich musste sich während des gesamten Krieges immer wieder harsche Kritik anhören ob der hohen Verluste. Dass später im Krieg die Waffen-SS "geöffnet" wurde für russische, weißruthenische, albanische oder bosnische Rekruten (Muslime), lag auch daran, dass man die eingefahrenen horrenden Verluste nicht mehr alleine nur mit reichs-/volksdeutschen Rekruten auffüllen konnte.

Insofern: Das "Loblied" der angeblich so guten Ausbildung überzeugt mich hier nicht, wenn die Waffen-SS Erfolge erringen konnte, so lag dies eher an der Kampfmotivation und an einer hohen Aggressivität und vor allem auch an der sehr guten Ausstattung mit verschiedenen, leistungsstarken Waffensystemen.

Schneemann
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Qualität von Streitkräften - von Frosch - 18.10.2003, 19:20
RE: Allgemeine Infanterietaktiken - von Schneemann - 27.07.2024, 09:07

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