14.10.2024, 07:44
(11.10.2024, 15:08)aramiso schrieb: Es wird im Gegenteil heftige Verteilungskämpfe um die sinkenden Steuereinnahmen geben.Das Steueraufkommen steigt freilich weiter und bewegte sich im vorigen Jahr auf einem Rekordniveau. Nach wie vor wird sowohl von Seiten der Bundesregierung als auch des Ifo-Instituts mit einem weiteren Anstieg in der Zukunft gerechnet. Es ist, wie Du weiter unten sagst, kein Geldproblem, es ist ein Ausgabenproblem.
Insofern blicke ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf den Kampf der FDP um die Schuldenbremse; obwohl ich die Haltung der Partei in der gegenwärtigen Situation für höchst kontraproduktiv halte, erscheint sie mir langfristig doch wieder richtig, denn es ist klar, dass gerade eine Regierung wie die gegenwärtige mit Geld einfach nicht umgehen kann.
Das Hauptproblem besteht in meinen Augen darin, dass wir seit 2005, mit einer kurzen Unterbrechung 2009-2013 (die freilich ganz im Zeichen der Finanzkrise stand) keine politisch kompatiblen Regierungskoalitionen mehr hatten.
Ob das klassische Rechts-Links-Schema wirklich ausgedient hat, sei mal dahingestellt, aber jedenfalls ist unsere Verfassungswirklichkeit, der Geist in den Amtsstuben, kurz, das ganze politische System darauf ausgerichtet, dass auf beiden Seiten der Mitte eine moderate große Partei mit einer jeweils weiter außen stehenden kleineren Partei koaliert. Der kleine Koalitionspartner will also im Großen und Ganzen das Gleiche wie der große Partner. Gestritten wird in der Koalition nur darüber, wie weit man gehen will.
2005 wurde jedoch die Links-Rechts-Koalition zur neuen Norm. Obwohl man das abschreckende Beispiel Österreich vor Augen haben und sehen konnte, wohin dies führen könnte. In diesen Kompromiss-Koalitionen kommt es immer zu Stillstand, entweder durch Tatenlosigkeit oder durch Streit.
Denn allen Beteuerungen zum Trotz, dass doch alle Demokraten kooperieren können müssten, haben die Parteien immer noch mehr Unterschiedlichkeiten als Gemeinsamkeiten. So hat die neue politische Realität Konflikte, die normalerweise profilschärfend zwischen Regierung und Opposition ausgetragen werden, in die Regierungsarbeit verlagert. Auf den ersten Blick könnte man das für demokratieförderlich halten.
Doch das scheint nur so. Unser Parlamentarismus taugt gar nicht dazu, diese Art der Auseinandersetzung mit offenem Visier zu führen (z.B. keine Auflösung des Bundestags, Einfluss des Bundesrates).
Die Herzensprojekte der Gegenseite kann man nicht einfach mittragen, sonst könnte man ja gleich bei der Gegenseite mitmachen; also verhindert man sie entweder ganz oder verkauft die eigene Zustimmung wenigstens teuer. Deswegen führen diese, pardon, unnatürlichen Konstellationen auch immer zu Ausgabenexzessen. Die politischen Gräben werden mit Geld förmlich zugeschüttet.
Außerdem fördern sie massiv die Politikverdrossenheit. Die Wähler keiner Seite erhalten das, wofür sie gestimmt hatten, sondern nur faule Kompromisse, die in erster Linie dem eigenen Machterhalt dienen.