Geschichte und Ethnogenese der Juden
#42
Und noch ne kurze Anmerkung zur Landnahme und zum Verhältnis von Hebräern und Kanaaitern:

Wenn man sich die frühesten hebräischen Inschriften ansieht und sie mit zeitgleichen oder etwas früheren kanaaitischen Inschriften vergleicht, dann sieht man sofort eine sehr enge sprachliche (und außer auf die Religion bezogen) auch sozialkulturelle Verwandschaft. Beide Gruppen waren viel enger miteinander verbunden und verwoben als man dies gemeinhin annimmt und dies schon lange bevor dann die Hebräer die Macht in der Region übernahmen und ein Königreich bildeten.

Der primäre Unterschied war einer in der Lebensweise (Städtisch vs Halbnomadisch) und im Glauben (Baale vs Jahwe). Ansonsten reichen die Ähnlichkeiten so weit, dass man schon zur Zeit der sogenannten Landnahme weitgehend von einem Volksraum sprechen könnte und tatsächlich gibt es israelische Archäologen die dies inzwischen tun. Es gab aber in diesem Zeitraum eben auch eine Zuwanderung / Rückwanderung von Stämmen aus dem Sinai und höchstwahrscheinlich auch aus Ägypten.

Warum aber wanderten nun diese Nomaden in Kanaan ein? Warum gaben die Kanaaiter ihre Städte zunehmend auf und siedelten wie die Nomaden aus dem Sinai zunehmend in den Bergen? Die Antwort ist eine extreme und sehr langwierige Dürre in dieser Zeit und massive Desertifikation der heutigen Wüstengebiete. Man musste schlicht und einfach die bisherigen Stadtstaaten aufgeben weil sie nicht mehr wirtschaftlich und von der Nahrung her aufrecht erhalten werden konnten. Umgekehrt konnten die Nomaden nicht weiter in der rasant wachsenden Wüste leben.

In diesem Kontext noch ein interessanter Fund: der israelische Archäologe Finkelstein hat die letzten Jahre Rinderknochen untersucht. Zum einen nimmt die Zahl der Rinder in der Zeit ab 1200 n Chr in Kanaan stark zu, und die Funde verlagern sich von der Ebene weg ins Gebirge. Aber jetzt kommt das interessanteste: Finkelstein konnte nachweisen, dass die Rinderrasse sich änderte. Man verwendete ab ungefähr 1150 fort folgend fast nur noch Zebu Rinder und zwar aus Ägypten ! Wurden diese von Einwanderern mitgebracht ?! Und warum verwendete man Zebu Rinder ? Die Antwort ist, dass diese Rinderrasse wiederstandsfähiger ist und insbesondere weniger empfindlich für Dürre und Wassermangel. Die rasant um sich greifende Verwendung dieser Rinder anstelle der vorher verwendeten Rinder zeigt ebenfalls die Dürrekatastrophe auf, welche hier für viele Jahrzehnte andauerte und das vorherige Kanaaitische Stadtstaatensystem zerstörte. Und dass sich die Lebensweise von einer in Stadtstaaten mit intensiver Landwirtschaft hin zu einem Halbnomadentum veränderte, bei welchem die Viehhaltung die wichtigste Rolle inne hatte.

Aber um das zu betonen: das waren eben nicht nur Einwanderer aus dem Sinai (und aus Ägypten) welche nun dort in den Bergen so lebten, sondern auch die Kanaaiter selbst, welche diesen Lebensstil übernahmen und ihre bisherigen Stadtstaaten und die Landwirtschaft welche diese nährte weitgehend aufgeben mussten. Beide waren seit langem miteinander bekannte und eng verwandte Gruppen, welche dann versuchten zusammen zu überleben und dabei zunehmend zusammen agierten, bis hin zur Gründung eines neuen, de facto ebenfalls kanaaitischen Königreiches Israel. Ich schrieb hier bewusst kanaaitisch, weil dieses Königreich nun mal eben stark kanaaitisch geprägt war, und weil die Hebräer aus der Symbiose von Kanaaitern und zugewanderten Proto-Hebräern (Schasu) hervorgingen. Unter einer Umdeutung des früheren sozialen Begriffes Habiru welcher für die Kämpfer unter den Nomaden verwendet wurde als Volksbegriff - Hebräer.
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