24.10.2024, 11:04
(23.10.2024, 21:33)Broensen schrieb: ....für solche philologische Definitionen werden in der Regel auch "Lexika" - sogar das viel geschmähte Wikipedia - verwendet. Ich zitiere daraus:
Aber zum Thema an sich: Vertreibung. Wo ist der Unterschied zwischen Vertreibung und Evakuierung? ...
Zitat:Als Evakuierung wird das Räumen von Gebieten bezeichnet. Meist findet sich der Begriff im Zusammenhang mit Gefahrenstellen wie Katastrophengebieten, zum Beispiel Überschwemmungen, Bränden oder Bombenalarmen. Handelt es sich um ein Gebäude, findet sich auch der Begriff Entfluchtung.[1] Die Zeit einer Evakuierung wird als Evakuierungsdauer bezeichnet. Die Begriffe Räumung und Evakuierung werden dabei häufig synonym gebraucht. Manche Institutionen, wie beispielsweise das frühere Bundesamt für Zivilschutz, verstehen unter einer „Evakuierung“ einen geplanten Vorgang und verwenden den Begriff „Räumung“ für das ungeplante Räumen von Gebieten.[/quote) undso gesehen war der Exodus von bis zu 650.000 Palästinensern in Folge des Palästinakrieges (1958/49) eine Vertreibung, denn diese Personen konnten nie zurück kehren.Zitat:Der Begriff der Vertreibung ist weder juristisch noch historisch klar und unmissverständlich definiert. Er war lange Zeit ein politischer Kampfbegriff und ist immer noch ein Terminus der politischen Sprache. Philipp Ther plädiert für folgende Definition: [quote]...
„Vertreibung ist eine erzwungene Form von Migration über Staatsgrenzen hinweg. Die von ihr Betroffenen werden unter mittelbarem oder unmittelbarem Zwang dazu genötigt, ihre Heimat zu verlassen. Vertreibung ist unumkehrbar und endgültig.“
Der Geograph Peter Meusburger setzt Vertreibung mit ethnischer Säuberung gleich und definiert sie als „mit Gewalt oder sonstigen Zwangsmitteln bewirkte Aussiedlung der Bevölkerung aus ihrer Heimat über die Grenzen des vertreibenden Staates hinweg“.[3]
Die Historiker Stefan Troebst und K. Erik Franzen definieren Vertreibung „als mit der Anwendung oder zumindest mit der Androhung von Gewalt verbundene erzwungene Bevölkerungsbewegung von Menschen (zumeist von religiösen oder ethnischen Minderheiten, → nationale Minderheit), die zum Verlassen ihrer Herkunftsregion gezwungen sind.“ Hierunter subsumieren sie auch Flucht, sofern sie dauerhaft erfolge und durch Gewalt oder deren Androhung erzwungen werde, und die Ausweisung oder Umsiedlung einer Bevölkerungsgruppe bzw. -minderheit aus einem Staat.
Knapper definiert der Migrationsforscher Jochen Oltmer: Vertreibung sei eine „räumliche Mobilisierung durch Gewalt ohne Maßnahmen zur Wiederansiedlung“
Die Frage ist dann, wie lange eine "Evakuierung" andauern muss, um zu einer "Vertreibung" zu werden.
Nun werden unbestimmte Rechtsbegriffe idR durch Juristen definiert. Und daher ist es auch von Interesse, was die Gerichte sagen. Ich zitiere wieder:
Zitat: ...Vertreibungen sind völkerrechtswidrig. Sie wurden bereits im Naturrecht des 18. Jahrhunderts geächtet. Sie verstoßen unter anderem gegen die Haager Landkriegsordnung von 1907, gegen das Verbot von Kollektivausweisungen, gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker und gegen das Eigentumsrecht. Vertreibungen sind oft mit Enteignungen verbunden. Doch selbst eine Vertreibung ohne Enteignung würde das Eigentumsrecht der Vertriebenen verletzen, weil dieses Recht das Recht der Nutzung einschließt. Ein Vertriebener kann aber seine Immobilien nicht mehr nutzen.da ist jetzt von der Möglichkeit zur Rückkehr nicht mehr die Rede. Greifbar ist etwas anderes - einmal die Anwendung von Gewalt und zum Anderen die "faktische Enteignung" durch die nicht mehr vorhandene Möglichkeit, die eigenen Immobilie weiter zu nutzen.
Soweit Vertreibungen eine hinreichend klar definierte Gruppe betreffen und mit der Absicht durchgeführt werden, diese Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören, erfüllen sie außerdem den Tatbestand des Völkermordes im Sinne der UN-Konvention von 1948.
Das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes definiert Vertreibung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. ...
Nach dieser Definition sind dann auch die Aktivitäten zionistischer Siedler im Westjordanland als "Vertreibung" der ansässigen Palästinenser zu bezeichnen.
Ich trete daher für eine etwas andere Definition ein:
Eine Evakuierung wird überwiegend von den Zivilbehörden des eigenen Landes gegenüber den eigenen Bürgern vorgenommen und ist mehr oder wenige geordnet und die Teilnahme zumeist freiwillig.
Eine Vertreibung erfolgt dagegen überwiegend von bewaffneten (auch paramilitärischen) Kräften eines fremden Landes gegenüber fremden Bürgern, ist meist überstürzt und ungeordnet und erfolgt nicht freiwillig.