Militärische Lehren aus dem Ukraine-Krieg
LieberTee:

Meine Ausführungen sind lediglich der Versuch einer rein militärwissenschaftlichen Analsyse. In wie weit diese auf die Bundesrepublik überhaupt übertragbar wäre und was dann alles an negativen Neben- und Fernwirkungen auftreten würde, ist eine zusätzliche Frage.

Rein in Bezug auf den Krieg für sich selbst, sind verstaatlichte und eng kontrollierte Medien ein erheblicher (militärischer / strategischer / politischer) Vorteil. Das ist ein Fakt.

Das dies natürlich insgesamt noch ganz andere, auch negative soziale wie politische Folgen hätte, ist ebenso völlig unbestritten. Ich schrieb aber nur über den Krieg für sich selbst.

Zitat:Unsere Verteidigung basiert auf einem Bündnissystem. Wenn du hier mehr Nationalismus und verstaatlichte Medien propagierst, dann solltest du auch die Gefahr sehen, dass das unser Bündnissystem torpedieren würde.

Bündnisse funktionieren (oder funktionieren nicht) weil sie wesentliche Vorteile bieten. Dafür sind Nationalismus und verstaatlichte Medien als Faktoren meiner Auffassung nicht wirklich relevant. Das Bündnissystem ist nicht durch verstaatlichte Medien oder Nationalismus in Gefahr, sondern dadurch, dass es für unsere Bündnispartner keinen Nutzen mehr bietet. Im weiteren sollte man Bündnisse auch nicht überbewerten, so relevant sie auch spezifisch für die real existierende Bundesrepublik sein mögen. Wir verlassen uns meiner Überzeugung nach zu sehr auf Bündnisse, zu sehr auf Abkommen, zu sehr auf Verträge usw usf

Und auch das ist meiner Meinung nach eine Lehre des Ukrainekrieges: dass exakt dies auf der politisch-strategischen Ebene ein Fehler ist. Auch in noch so guten Bündnissen müsste man daher immer nach bestrebt sein, selbst so stark wie möglich zu sein, und so unabhängig wie möglich vom Bündnis. Darin liegt kein Widerspruch zur Frage der Bündnisse und insbesondere gefährdet es diese nicht, sondern ganz im Gegenteil (!) es stärkt sie. Bündnisse sind stärker und haltbarer und nützlicher wenn man sich selbst in diese mehr einbringt und mehr für das Bündnis einbringen kann. Damit wird man als Partner im Bündnis viel interessanter und wesentlicher.

Zitat:und was Erstschlag und Gewaltkultur betrifft, benötigt die Armee zwingend auch eine Art Doktrin, wie sie auf oberster Ebene bei ungerechtfertigen Befehlen vorgeht, damit sie quasi nicht nur johlend draufhaut.

Eine Streitkraft die ein von der Politik unabhängiges Eigenleben mit eigener Zielsetzung hat, ist immer hochproblematisch, und dies auch dann, wenn die Streitkraft sozusagen "friedlicher" ist als die Politik und entgegen dieser den Frieden wahren will und dies tatsächlich ihr Ziel wäre. Armeen müssen der (zivilen) Politik folgen und ihr gehorchen, alles andere ist dysfunktional und meiner Ansicht nach hochproblematisch.

Das heißt man müsste deinen Gedanken hier weiter führen: es ist NICHT Aufgabe der Armee "ungerechtfertigte" Befehle nicht zu befolgen, sondern es ist Aufgabe des zivilen politischen Systems, dass es gar nicht erst zu solchen Befehlen kommt.

Im übrigen sind hier eindeutige Umstände gar nicht so das Problem, sondern die Frage der Grenze und des Übergangsbereiches. Wann sind Befehle unrechtmäßig? Wer im Militär entscheidet dies und auf welcher Grundlage ? Wo exakt ist die Grenze ? Wir sprechen hier ja nicht von absolut eindeutigem Unrecht, sondern von dem viel problematischeren Graubereich, in welchem selbst Völkerrechtler dann höchst uneins sind was rechtmäßig und was nicht.

Wenn nun die Armee in solchen Grenzfällen selbst anfängt über Recht zu entscheiden - was weder ihre Aufgabe ist und für was sie auch keine Qualifikation hat - dann ist das erst recht der Weg in das Ende des Rechtsstaates und die Machtübernahme des Militärs. Und seien die Motive noch so gut, dass ist einfach nur schlecht.

Zitat:Je schlagkräftiger die Armee ist, desto weniger reicht die individuelle Ebene, also eine bloße Straffreiheit bei Befehlsverweigerung wegen Menschenwürde/Völkerrecht, aus.

Wie ist Krieg an sich mit Menschenwürde und Menschenrechten vereinbar ?! An dieser Frage allein beantwortet sich meiner Ansicht nach bereits deine Fragestellung in diesem Punkt. Meiner Auffassung nach ist Krieg nichts als organisierter Massenmord. Deshalb stellt sich die Frage von Moral und Ethik so gar nicht, da Krieg in sich selbst nicht moralisch / ethisch sein kann, nicht einmal für die "Guten".

Zitat:Im Übrigen .... wie beurteilst du eigentlich die Leistung der Ukraine im Informationskrieg? Ich würde meinen das macht Selensky ganz gut, ohne vorbereitete Informationswaffe .... oder?

Zum einen ist diese Leistung keine der Ukraine allein. Die Ukraine erhält hier mehr als tatkräftige Unterstützung - insbesondere durch die USA und deren Möglichkeiten. Zum anderen dauert dieser Krieg ja schon viel länger - er fing ja schon Jahre vor der offenen Invasion an. Entsprechend ist die Informationswaffe der Ukraine über viele Jahre vor 2022 geschaffen worden. Sie war also 2022 praktisch gesehen "vorbereitet" dahingehend, dass die Ukraine schon Jahre zuvor damit angefangen hat sie mit ihren Verbündeten aufzubauen, nicht nur für den Fall das, sondern auch ganz allgemein.

Im weiteren hätte die Ukraine hier mit einer wesentlich radikaleren, umfangreicheren Informationskriegsführung meiner Ansicht nach nochmal mehr erreichen können. So gut sie auch war, da wäre mehr gegangen und wird in einem zukünftigen Krieg auch mehr gehen.
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