21.01.2005, 02:08
Zitat:Auch Menschenrechtsorganisationen bemängeln in punkto Todesstrafe in den USA nicht einen rechtlichen, sondern lediglich einen moralischen Verstoß gegen die Menschenrechte.Natürlich sind die Menschenrechte in erster Linie moralisch! Und in einem Rechtsstaat können sie sehr schnell ausgehebelt werden, in einer Dikatur per Befehl, in einer Demokratie per Mehrheitsentscheid. Aber Rechte sind in den meisten Fällen dazu da, die Moral zu stützen.
Zitat:Eigentlich verstößt jeder Staat schon gegen die Menschenrechte, wenn er seine Bürger aufgrund eines Verbrechens inhaftiert.Jetzt kommt die Wertung der einzelnen Menschenrechte gegeneinander ins Spiel. Das Recht auf Freiheit wird dabei in allen mir bekannten staatlichen Systemen , mit Ausnahme der Anarchie, dem Recht auf Leben untergeordnet. In einer Demokratie halten es zudem die meisten Menschen für opportun, sich mit einer gewissen Beschneidung der Freiheitsrechte zugunsten von einigermassen fairen Spielregeln, welche die Durchsetzung der übrigen Menschenrechte begünstigen, zufriedenzugeben. Das ist auch gut so, denn in einem anachischen System völliger Freiheit ist die Gewährleistung z.B. des Rechtes auf Leben nicht mehr gegeben.
Persönlich halte ich das Recht auf Leben für das Wichtigste und auch das Persönlichste. Wer dagegen verstösst, handelt am unmoralischsten. Wenn man sich aber bei der Bestrafung auf dasselbe moralische Niveau hinabbegibt wie der Täter, dann hat man sich auch nicht besser als dieser verhalten! Wenn man die Todesstrafe als ausgleichende Gerechtigkeit betrachtet, Auge um Auge quasi, gerät man in einen Teufelskreis; man wird solange darin stecken bleiben und keinen Fortschritt auf diesem moralischen Gebiet erzielen, bis man damit aufhört, den Tod mit dem Tod zu sanktionieren.
Das Recht auf Leben sollte jedem Menschen in die eigenen Hände gelegt werden; Selbstmord wird dadurch genauso legal wie Notwehr. Eine andere Person hat darüber nicht zu entscheiden.
Daher sind (westliche) Staaten, welche die Todesstrafe einsetzen, zu verurteilen; im Falle der USA müsste eine kollektive Verurteilung stattfinden. Mir ist schon bekannt, dass die Bundesstaaten ihre eigene Gesetzgebung haben und dass es Staaten mit und ohne Todesstrafe gibt. Diese Problematik geht aber alle an, denn es gibt ja nicht nur Staatenbewusstsein in den USA, sondern vor allem auch das Nationalbewusstsein, welches ich als Aussenstehender für ostentativer und wichtiger halte. Die Frage der höchsten Moral sollte von allen Amerikanern geschlossen behandelt werden.
Zitat:Nun, ich glaube, mit dem G.I. wirst du ein wenig polemisch, das hat IMO herzlich wenig mit der Todesstrafe zu tun, sondern mit Kriegsrecht und darüber kann man völlig unabhängig ewig philosophierenG.I.s sieht man aber nicht gerne sterben, jedenfalls nicht im Moment. Nicht nur aus militärischer Sicht, sondern auch wegen den Angehörigen zuhause, die sich dann fragen, warum grad ihr Verwandter gestorben ist und aus welchem Grund überhaupt. Politisch ist sowas in den USA (in Europa noch stärker) seit Vietnam Zündstoff. Andererseits dürfte es den meisten Leuten egal sein, wenn ein Todeszellenkandidat hingerichtet wird, der hat ja nur seine gerechte Strafe bekommen.
Das Leben der G.I.s wird also viel höher eingeschätzt als das Leben des Häftlings.
Man versucht alles Mögliche, um das Leben der Soldaten zu schützen, wenigstens offiziell, und wenn dann doch einer stirbt, wird Schadensbegrenzung betrieben, weil Gleichgültigkeit in diesem Fall politischer Selbstmord wäre.
Ein Häftling auf dem elektrischen Stuhl bekommt diese Wertschätzung nicht. Ein Gouverneur, der sich dann noch Gedanken darüber macht, ob er politisch mit einer Hinrichtung oder mit einer Begnadigung mehr punkten kann, ist schon zu weit gegangen und einfach nur pervers.
Mit anderen Worten: Häftlinge werden verheizt, während Soldaten für eine "gerechte Sache" sterben. Dabei wird vergessen, dass die Häftlinge ebenfalls im Namen der Gerechtigkeit ihr Leben verlieren. Ein Häftling müsste also nach seiner Hinrichtung wenigstens ein Staatsbegräbnis erhalten.