Vorlesung 1. Weltkrieg
#3
Als ob ich in einer Vorlesung noch die Zeit hätte etwas davon zu werten... :misstrauisch:
Außerdem wertet es der Prof selber schon genug...

Wie gesagt - einfach copy&paste - unkorrigiert und unbearbeitet...

Der Große Krieg wurde zur Urkatastrophe Europas.
Zum einen so schrecklich und grausam er auch war und so fest sein Ende durch die Pariser Vorortverträge bestimmt war, so legte er doch den Keim für einen neuen Krieg.
Es ist durchaus angemessen von einem 2. 30-jährigen Krieg zu sprechen, der in der europäischen Pentarchie endet.
Zum anderen drückt sich darin der ungeheure Transformationsprozeß aus, der durch den Krieg ausgelöst wurde. Nicht nur auf der Landkarte, auch in der Mentalität, der Wirtschaft und der Gesellschaft.

Weltkrieg als fundamentale Epochenscheide:
1. Der große Krieg stürzte die überkommen Vorstellungen von Kriegsführung und Kabinettspolitik völlig um. Die Kriegsführung verselbständigte sich zu etwas Unkontrollierbaren, anders als noch in deutschen Einigungskriegen. Schon in der Julikrise war dies greifbar, als die politischen Entscheidungen von den militärischen Erwägungen (Mobilmachung, Zeitdruck und Präventivkriegsgedanken) dominiert wurden. Dies machte einen politische motivierten Verständigungsfrieden durch die Militärs völlig unmöglich. Durch die dritte oberste Heeresleitung wurde sogar die Staatskontrolle durch die Militärs übernommen. Nicht umsonst kam die erste Friedensinitiative von außen, von Woodrow Wilson mit seinen 14 Punkten.
2. Der große Krieg verschlang eine nie dagewesene Menge an Menschenleben. Alleine von Deutschland geht man von 6,8 Mio. Kriegstoten aus, darunter gut 700.000 tote Zivilisten durch die Blockade. Damit wird bei einer gesamten Bevölkerung von 70 Mio. etwa jeder 10. Getötet! Die Entente hat 4,4 Mio. Tote zu beklagen. Mit 11 Mio. Toten schlägt der Krieg daher jede Rekorde
3. Der Krieg sprengt die vertrauten politischen und sozialen Verhältnisse Europas und beendet die zum teil jahrhundertelange Herrschaft der Monarchen einiger Länder. Der Krieg führt das Kriegsspiel ein durch Freikorps, Herrschaaren, Kampforganisationen und sog. Giftpilzen ein.
4. Rückfall in atavistische politische Grundmuster, in dem die aufklärerischen Errungenschaften wie Würde des Menschen außer Kraft gesetzt werden. AN deren stelle treten die auf Rassen oder Anschauungen basierende Ansichten in der Zwischenkriegszeit. Der Typus der pluralistischen Demokratie wird in den 30iger Jahren auf die Räume zurück geworfen, wo er bereits vor dem 1. Weltkrieg vorhanden war. Europa wird ideologisch gespalten und trägt den nächsten Krieg mit sich.
5. Der Krieg zerrüttelt die Währungen und es kommt zu Wirtschaftskrisen. Das Geld wird im Krieg geradeso verpulvert. Die Reparationen werden zu einem Quell internationaler Streitigkeiten.
6. Der Krieg revolutioniert die Territorialordnungen. Die alte europäische Grundordnung wird völlig zerrüttelt. Das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie werden zerschlagen. 12 neue Staaten entstehen neu, von Finnland bis zum Irak.
7. Im Verlauf des Krieges treten erstmals die beiden Mächte hervor, die dem 20. Jahrhundert ihren Stempel als Supermächte hervortreten. Sie formulieren im Krieg ihre weltumspannende gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ziele.
8. Der große Krieg war der erste totale Krieg. Eine bis dahin nicht gekannte Mobilisierung aller militärischen und zivilen Ressourcen. Das ganze land wird dem krieg dienbar gemacht. Der Einsatz neuer Waffen die auf die massenhafte Vernichtung des Gegners zielen. Panzer, Giftgas, Flammenwerfer, Flugzeuge, Bomben, Minen, U-Boote, Maschinengewehre. Es kommen Millionenheere zum Einsatz auf allen Seiten, die bislang ungekannte vernichtungs- und Materialschlachten mit sich bringen. Damit geht einher die Radikalisierung des Krieges. Die bislang bestehenden Hemmungen werden durch die Brutalisierung des Frontalltags und das Schützengrabenerlebnis außer Kraft gesetzt. Kriegsfront und Heimatfront verschmelzen zur Einheit. Die moderne Kriegsführung wird essentiell für den Kriegseinsatz, der sie in einer gewissen Art und Weise auch zum legitimen Ziel macht. Zum ersten Mal werden weitreichende Kriegsziele propagiert und Propaganda kommt massiv zum Einsatz.

Anhand dieser Punkte kann man den 1. Weltkrieg als Epochenbruch zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert begreifen. Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert ungeahnter Kriege, der Ausrottung ganzer Völker und schließlich der Einführung der Atomwaffen, die die Menschheit total vernichten könnten.

Faktoren der Urkatastrophe:
Anlaß und Ursachen des großen Krieges:
Seit Tukydides differenziert man zwischen Ursachen und Anlässen von Krieg. Der Anlaß war ohne Zweifel die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand durch einen serbischen Nationalisten in Bosnien. Morde waren damals gang und gebe. Sie haben niemals zu internationalen Kriegen geführt, auch dann nicht wenn der Attentäter ein Ausländer war. Sarajewo war auch keine Ausnahme weil die serbische Regierung dahinter stand. Die Regierung war vielmehr entsetzt. Der serbische Regierungschef Nicola Pasic hatte zwar von den Attentatsplänen gewußt, seine Warnung nach Wien war nicht wahrgenommen worden. Der Mord war durch Geheimdienstkreise initiiert worden. Es trifft auch nicht zu daß Österreich von vornherein zu Krieg gegen Serbien entschlossen war. Für den Krieg war nur der Generalstabschef in Wien der Rest der entscheidenden Köpfe war eigentlich bis leidenschaftlich gegen den Krieg.
Wenn sich dennoch ein Krieg entwickeln konnte, dann waren tiefere Ursachen am Werk.

Die Ursachen des 1. Weltkriegs:
1. Der 1. Weltkrieg war in spezifischer Weise ein Produkt der Zeit die er beendete. Dazu gehört vor allem die Überhitzung des europäischen Staatensystems. Dazu gehörten der übersteigerte Nationalismus, der sich mit einem Irrationalismus in dem Bewußtsein Bahn bricht. Er bringt die Nationen ihre Selbstbestätigung in den Gegensätzen zu suchen. Darüber hinaus gab es den Expansionsdrang der Industriegesellschaften. Die Imperialistische Grundorientierung der Politik bedeutete einen ständigen Wettkampf zwischen den Nationen. Der Krieg war also klar ein Produkt des Zeitgeistes.
2. Das irrationale Konfliktdenken den Krieg zu zähmen oder unmöglich zu machen. Der Grund dafür war die allgemeine Perzeption (allgemeins Empfinden dessen was Krieg bedeutet) des Krieges. Der Krieg erschien allen Staatsmännern nicht als Katastrophe, sondern als Mittel der Politik, als FOrtfürhung der Politik mit anderen Mitteln. Daher gab es auch keine Notwendigkeit in einem Frieden an den eigenen Wünschen Abschlag zu nehmen. Der technische Fortschritt das Bewußtsein der Zeit weit überholt. Nur so ist es zu erklären daß man es in der Julikriese und auch schon in den Jahren davor einen Ausgleich zwischen einer Kriegsdrohung und den Konsequenzen nicht erreichen konnte. Diese Ignoranz die Zerstörerischen Folgen eines großen Krieges zu begreifen kommt von Lloyd Georges Ausspruch alle europäischen Mächte seien in den Krieg hinein geschlittert… Keiner der verantwortlichen Staatsmänner war sich darüber im klaren was sie taten. Alle Staatsmänner waren derart eingebunden in das tagesaktuelle Geschehen, daß ihnen die Folgen ihres Handelns nicht bewußt waren. „In Europa gehen die Lichter aus“ beschreibt die europäische Resignation. Keine der Nationen kalkulierte die Konsequenzen für Europa und sich selbst ein.
3. Das europäische Staatensystem befand sich vor dem Krieg in einer höchst labilen Grundverfassung, in einem festen Blockdenken. Der Grund daran liegt an dem Eintreten des Deutschen Reiches in das System. Das Reich war zu stark um Vertrauen zu finden und zu schwach um dieses System aus eigener Kraft zu dominieren. Zu schwach um dem System seinen eigenen Stempel aufzudrücken, um unangreifbar zu sein und zu stark um für die anderen keine Bedrohung zu sein. Stärker als alle seine Nachbarn und durch seine Mittellage bedroht, flankiert von 3 Großmächten und in ständiger Spannung lebend. Das Wechselverhältnis zwischen potenieller Hegemonie und dem Gefühl des Umstelltwerdens lockt damit das System aufzusprengen. Die Geburtsfehler des Reiches waren die Erbfeindschaft mit Frankreich und die Kriegsgefahr zwischen beiden deutschen Bündnispartnern, Ö-U und Rußland. Das Ungleichgewicht Deutschlands wurde zur Ursache für die Unruhe Europas. Durch die entstehenden Bündnisse steigert sich in Deutschland das Gefühl des Eingekreistseins und macht sich in außenpolitischem Großmachtsauftreten Luft. In der Marokkokrise und in der bosnischen Annexionskrise droht Deutschland mit Krieg. Ab 1907/1908 beginnt das Wettrüsten, da weder Frankreich noch Rußland erneut zurückstecken wollen. Dieses Wettrüsten führt zu einer Situation, die in der Julikrise keine Seite zum Einlenken bewegt. Der Druck der Allianzen führt dazu, daß die Bündnisse mit der eigenen Staatsraison gleichgesetzt werden.
4. Zwei von Fünf europäischen Großmächten sind durch revolutionäre Tendenzen in ihrem Bestand bedroht. In Wien und in Ö-U sah man nur im Krieg die Chance zur Erhaltung des eigenen Systems. In ÖU waren 3/5 Slaven, die Deutschen und die Ungarn bildeten die Minderheit. Die Slaven setzen mindestens auf Autonomie, wenn sie nicht gleich den Staat mit Rußlands Hilfe aufsprengen wollen. In Rußland gibt es soziale Konflikte, Massenstreiks drohen in offenen Aufstand gegen das russische Reich überzugehen. Das österreichische Ultimatum änderte diese Stimmung schlagartig! Die Streikenden gehen mit fliegenden Fahnen zum russischen Slavismus und Panslavismus über. Sasorrow, der russische Außenminister sieht nur noch den Sturz des Zaren oder den Krieg als Alternativen. Dies schafft ein Klima, in dem Außenpolitik eben nicht mehr nüchtern abläuft, sondern die inneren Spannungen nach außen abgelenkt werden sollen.
5. Die Handlungsfähgkeit der Mächte wird sehr durch der traditionellen Leitvorstellung der Ballance of Power beeinträchtigt. Diese Politik beschränkt sich zum Ende des 19. Jahrhunderts nur noch auf das rein Militärische. Fieberhaftes Wettrüsten ist die Folge, Berechnungen die gegnerischen Allianzen könnten aufholen senkt die Schwelle zum Krieg durch den Präventivkriegsgedanken. Auch auf britischer Seite besteht die Befürchtung die russische Bundesgenossenschaft zu verlieren wenn man sich nicht mit Rußland alliiert.
6. Allgemeine Disposition zum Krieg- die Bereitschaft einem sich anbahnenden Kriege nicht aus dem Weg zu gehen. Umstellungskomplex, Gefühl des Erdrücktwerdens, Angst im Wettrüsten nicht mehr mithalten zu können, und das Gefühl entweder stagnieren oder zur gleichberechtigten Weltmacht aufsteigen zu können. Dieses Gefühl betrifft alle Kreise Deutschlands. Der General a. D. Bernhardi mit Deutschland und der nächste Krieg trifft dabei den Nerv der Zeit, wo er schreibt den nächsten Krieg sollte man auf keinen Fall vermeiden, ihn vielmehr schnellstmöglich zu möglichst guten Bedingungen herbeiführen. Die russischen Rüstungen ließen den Deutschen Militärführern eigentlich nur die Möglichkeit eines Präventivkrieges, so lange man noch halbwegs mit den Feinden mithalten könne. Kurt Riezlers „Die Erforderlichekti des Unmöglichen“ (1912) und „Grundzüge der Weltpolitk“ (1914) schreibt hierzu daß jedes Volk sein Land vergrößern und die Fremden dominieren will.
Im Kriegsrat wurde 1912 beschlossen, daß Deutschland sich auf einen großen europäischen Krieg einstellen und daß das Volk darauf vorzubereiten sei. Wenige Tage später wird der belgische König um Durchmarscherlaubnis gebeten, er lehnt ab, was erklärt woher die Entende wußte daß Belgien in Gefahr ist.

Die Kriegsplanungen der anderen Großmächte setzten allesamt auf Angriff und Offensive und beinhalteten ein starkes Wettrüsten.

Das Wettrüsten in Europa:
Das Deutsche Reich steht 1914 nicht an der Spitze der Militärpyramide. Das Deutsche stehende Heer umfaßt 750.000 Mann, zusammen mit den ausgebildeten Reservisten kann das Reich rund 3,8 Millionen Mann ins Feld schicken. Verglichen mit der Bevölkerungszahl und Frankreich ist das geradezu moderat.
Frankreich hat 3,58 Millionen Mann mit Reserven bei einer Bevölkerung von nur 39,6 Millionen
Rußland hält dauernd mehr als 1,34 Millionen Mann unter Waffen, dazu kommen mehr als 3 Millionen Mann durch Mobilmachung und weitere 2 Millionen Einsatzreserve, was insgesamt 6,5 Millionen Mann bedeutet. Damit war die russische Armee mehr als doppelt so stark als die Deutsche Armee alleine.

Truppenstärke und Militärausgaben:
IN Deutschland dienten 0,99% der Bevölkerung in der Armee, in Frankreich 1,53%. Der Militarisierungsgrad des französischen Staates war um ein Drittel höher als der des deutschen.
Militärausgaben im jahre 1912 waren an der Spitze mit Großbritannien mit 32,97 Reichsmark, gefolgt von Frankreich mit 25,60 Mark. Deutschland mit 21,80 Mark, Österreich-Ungarn mit 9,15 Mark und Rußland mit 8,60 Mark pro Kopf.
Damit fiel Deutschland mehr und mehr ins Hintertreffen wenn man nicht durch einen Präventivkrieg die Situation noch abwendet.
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