Vorlesung 1. Weltkrieg
#10
Die Kriegspläne

Schlieffenplan

Seit dem französisch Russischen Zweibund 1892 war der Zweifrontenkrieg Faktum für den deutschen Generalstab geworden. Allerdings waren die Pläne nicht erst ein Produkt de Wilhelminischen Ära, sondern existierten bereits in der Ära des älteren Moltke.
Allerdings gab es zwei Unterschiede:
1. Moltke ging immer davon aus, das in einem Zweifrontenkrieg nie ein Sieg sondern immer nur die Erhaltung des Status Quo möglich sei. In einem Zweifrontenkrieg einen der beiden Gegner in einem schnellen Krieg niederzuwerfen hielt Moltke für unmöglich. Er erwartete einen 7 bis 30jährigen Krieg. Daher waren sein Pläne rein defensiv. Moltkes Ansatz war der einer Offensive mit begrenztem Ziel, die im Osten und nicht wie beim Schlieffenplan im Westen erfolgen sollte. Zum einen hielt Moltke aufgrund der Erfahrungen des Deutsch-Französischen krieg einen kapitalen Vernichtungsschlag für unmöglich. „Deutschland darf nicht hoffen durch eine rasche und glückliche Offensive in westlicher Richtung von dem einen Gegner zu befreien um sich dann dem anderen zuzuwenden.“ Die Existenz des Zweibundes bot für Moltke die Möglichkeit durch einen konzentrischen Vorstoß aus Ostpreußen und aus Galizien die Truppen in Polen zu fassen und somit die Situation zu sichern.
2. Moltke bestand auf der Einhaltung der belgischen Neutralität. Belgiens Küste ist Englands Küste auf dem Festland. Dort hatten sie Napoleon geschlagen. Antwerpen war eine auf das Herz Englands gerichtete Pistole. Auf dem Wiener Kongreß hatte man daher auf betreiben der Engländer Belgien den Niederlanden zugeschlagen. Die Belgier rebellierten bekanntlich und als dann die Franzosen einmarschierten drohte England mit Krieg. Belgien wurde schließlich von den Niederlanden abgetrennt und 1839 brachte der englische Außenminister einen Vertrag zustande, nach dem von allen fünf europäischen Großmächten Belgiens Unabhängigkeit anerkannt und Garantiert wurde. Gladstone hatte 1870 von Preußen und Frankreich einen Vertrag unterzeichnen lassen nach dem England sofort einschreiten würde wenn Belgiens Neutralität verletzt werden würde.
Daher ging Moltke davon aus das wenn Frankreich die rechte Flanke durch ein Ignorieren der belgischen Neutralität zu fassen versuchen würde, es sich die Feindschaft Englands zuziehen würde.
Diese Grundregel der Anerkennung der belgischen Neutralität wurde dann 1897 aufgegeben.

1897 entwickelte der Chef des Generalstabs Generalfeldmarschalls Graf von Schlieffen einen neuen Plan:

Der Schlieffenplan: „Angriffskrieg gegen Frankreich“ (1904/1905)
• Auflösung des Zweifrontenkrieges in zwei separat zu führende möglichst nacheinander zu schaltende Einfrontenkriege auf. Ganz Deutschland muß sich auf einen Gegner werfen, auf denjenigen, der stärkste, gefährlichste und mächtigste ist, was nur Frankreich/England ist.
• Schlieffen gab den Gedanken der Defensive oder begrenzten Offensive auf. Anders als Moltke stellte Schlieffen darauf ab die militärische Formel für eine Vernichtungsschlacht zu finden. Keine Ordinären Siege zu erzielen sondern eine Einkesselung des Gegners zu erreichen die den Krieg entscheidet. Als militärisch-historisches Vorbild für eine Vernichtungsschlacht sah er die Schlacht bei Cannae.
• Schlieffen gab dem Gedanken eines Ostaufmarsches der Priorität vor dem Westaufmarsch hat auf. Die von Schlieffen erdachte Vernichtungsschlacht glaubte er nur in Westen verwirklichbar. Dies bedeute auf jeden Fall einen Krieg egen Frankreich
• Das Ziel des Vernichtungsschlag hatte zur Folge das man irgendwie in den Rücken der Franzosen gelangen mußte. Das hatte zur Folge daß man durch die neutralen Niederlande oder Belgien stoßen muß!

April 1913 unter veränderten Rahmenbedingungen für einen isolierten Planungsaufmarsch ad acta gelegt bedeutet daß, das jeder mögliche Kriegsfall nur mit einer Möglichkeit beantwortet werden kann: Mit dem Angriff auf Frankreich. Dies kann man als militärische Bankrotterklärung sehen, da es überhaupt keinen Plan mehr für einen separaten Krieg gegen Rußland gab

Vier wichtige Fragen:
1. Wie sah der Schlieffenplan konkret aus?
2. Was waren Schlieffens Motive von Moltkes Plänen so grundsätzlich abzuwenden
3. Welche Veränderungen widerfuhr der Schlieffenplan unter dem jüngeren Moltke?
4. Wo lagen die politisch militärischen Rückwirkungen?

1. Frage:
Niederwerfung Frankreichs in 6 Wochen durch 7/8 der deutschen Streitkräfte. Das verbleibende 8. sollte den deutschen Osten defensiv absichern bis der Rest herangeholt werden konnte um den Russen gegenüber zu treten. Da Schlieffen nicht über genug Truppen für Zwei Zangen verfügte wurde der Rechte Flügel deutlich stärker gemacht, im Verhältnis 7:1. Der rechte Flügel sollte durch Luxemburg, durch Belgien und Holland auf beiden Seiten der Maß nach Frankreich stoßen, dann nach Süden umschwenken und nach Frankreich abschwenken. Der im Elsaß stehende Verteidigungsflügel von der Schweiz bis nach Metz. Hier sollten die Franzosen in einen Frontsack zwischen Metz und den Vogesen gelockt werden. Schlieffen rechnete sogar mit einem Durchstoßen der schwachen Front hindurch nach Baden, woraus sich aber zwei Vorteile ergeben: Zum einen stehen die in Deutschland eingedrungenen Armeen nicht mehr für die eigentliche Schlacht in Frankreich zur Verfügung. Darüber hinaus hegte er immer noch die Hoffnung der linke Flügel könne einen Gegenangriff führen um ein Kolossales Cannae herbeizuführen.

2. Frage:
• Deutschland hat nur in einem kurzen und entscheidenden Krieg und nicht in einem langem Ermattungskrieg eine Siegchance. Die Mittelmächte waren ihren Gegnern mit Blick auf Wirtschaftspotential und im Hinblick auf die bewaffnete Macht zu lande und zur See von Vornherein unterlegen. Bei einem langen Krieg mußte sich dieses Zahlenverhältnis immer weiter verschlechtern. Den Gegnern stand der Zugang zu den Meeren und den Rohstoffen damit offen, während Deutschland vom Weltmeer abgeschnitten werden würde. Der Vorteil Deutschlands lag jedoch an seiner zentralen Lage und seinem dichten Eisenbahnnetz.
• Die Unterschiedliche Beschaffenheit der Fronten und der Gegner im Westen und im Osten. Im Osten erschwerte der Ausbau der russischen Befestigungen die seit 1880 gebaut wurden einen schnellen deutschen Vorstoß. Die Russen konnten einem deutschen Vorstoß wie schon Napoleon begegnen indem sie immer wieder auf der Weite ihres Raumes auswichen. Rußland brauchte darüber hinaus wegen seines großen Raumes etwa 6 Wochen bis es überhaupt zu einer größeren Operation antreten konnte. Diese Zeit galt es zu nutzen. Da Deutschland nur 14 Tage zur Mobilmachung brauchte könnte schon am 15. Tag ein erster großer Schlag erfolgen.
• Wegen Raum und Beschaffenheit konnte nur im Westen ein Entscheidungsschlag erfolgen. Die 1,5 Millionen Soldaten (6fach stärker als 1870) brauchten natürlich Raum um sich zu entfalten. Die Französischen Festungen boten diesen benötigten Raum eben nicht! Die Festungen zwingen die Deutschen Truppen in einen Kanal der zu einem aussichtlosen Frontalangriff gezwungen hätte. Die Deutsche Westarmee verfügte eben nicht über genug Raum um die französischen Festungen auf deutschem Boden zu umgehen! Raum, Straßen und Eisenbahnlinien waren jedoch für eine Entfaltung der Armee von Nöten. All dies war in den Ebenen Belgiens, in Flandern vorhanden. Dafür sprach auch die Logik den französischen Festungsplan zu umgehen. Ein entscheidender Schlag erfordert also den Durchmarsch durch Belgien.
• Schlieffen geht seltsamerweise davon aus das Belgien nicht kämpfen wird und das sich Belgiens 6 Divisionen nicht mit Frankreich verbinden werden! Auch hier also eine zu optimistischste Sicht der Dinge. Die veranschlagten 34 Divisionen sollten die 6 belgischen Divisionen schnell vernichten falls diese sich doch wehren sollten. Ein Widerstand sollte aber auf jeden Verhindert werden, da es ja auf die Infrastruktur ankam, auf die Brücken und Eisenbahnlinien. Von völkerrechtlichen Bedenken wurde der Generalstab nicht geplant, bis 1914 war man allgemein innerhalb des Generalstabs der Meinung eine Invasion Belgiens sei nötig.
• Eine Verstärkung des rechten Flügels war ebenfalls wichtig um England aus dem Feld zu schlagen. Der Rechte Flügel sollte bis Lille 70km vor der Kanalküste reichen um auch gegen ein britisches Expeditionskorps vorgehen zu können. Schlieffen schätzte das Blockadepotential der Britischen Flotte weitaus höher ein als die Fähigkeiten seines Landheers.
• Wenn Schlieffen sich nur der aktiven Armee bediente reichten seine Divisionen nicht aus um im Osten defensiv gegen die Russen vorzugehen und gleichzeitig die notwendige Zahlenmäßige Überlegenheit im Westen zu haben. Schlieffens Idee war revolutionär: Er wollte einfach die Reserveeinheiten an die Front werfen, was Frankreich tatsächlich auch überraschte. Seit der Abschaffung der Landwehr waren die Reservisten in eigenen Divisionen zusammengefaßt worden. Schlieffen änderte dies indem er 20 Reservedivisionen der aktiven Armee hinzufügte.
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