23.04.2006, 14:05
Zitat:Europa interessiert sich eher für Verhandlungen,für wirtschaftliche Anreize dabei, die USA betonen eher die militärische Komponente. Die Tendenzen unterscheiden sich schon sehr. Und beides liegt tiefer verwurzelt in den beiden Akteuren.Das ist eine wenig haltbare These. Siehe Robert Kagan. So tief verwurzelt ist da gar nichts, und die alten Traditionen Europas sind in Teilen noch funktionstüchtig (Frankreich in Afrika) und werden Stück für Stück revitalisiert.
Zitat:Europa setzt dagegen eher auf korporative Mechanismen, seiner eigenen inneren Gestalt entsprechend und sie nach außen durchaus reproduzierend. Europa will gar kein Imperium sein, will gar keine Diktatoren stützen, wenn es notwendig ist oder will sie mit großen Invasionen und viel Blut ablösen. Diese vergleichsweise amerik. Aggressivität fehlt im politischen Bewußtsein Europas,Aufgrund von 50 Jahren relativer außenpolitischer Impotenz. Europa ist es gewesen, das diese Handlungsweise geprägt hat, Stichwort Kolonialismus. Und Imperium wollte man in den USA auch nie so recht sein, du übersiehst konsequent die Evolution und die jeweiligen Grundvorraussetzungen von 150 Jahren US-Außenpolitik. Klar, wenn man es so selektiv zusammenfassen will wie Rhetorikbolzen á la Chalmers Johnson, dann mag man diesen Eindruck vielleicht gewinnen.
Zitat:Und wenn du diues tust, musst du nunmal einerseits die momentane Lage abschätzen udn die zukünftige. Aber bloß nur alte Trends weiterzuverlängern, wie gesagt, halte ich für zu kurz gefaßt.Ohne mich jetzt in Verklausuliertheit verlieren zu wollen: Du behauptest ernsthaft, der statische Ist-Zustand sei eine genauso legitime Betrachtungsweise für zukünftige Prognosen wie der aktuelle (nicht wie du fälschlich sagst, "alte") Trend. Besonders logisch klingt das nicht wirklich. Du schlägst vielmehr vor, von alten Beständen sprunghaft (also ohne Verwendung von Trends) in die Kristallglasleserei überzugehen, und zwar auf Basis einer vorgefassten Meinung, die da lautet "China kann das einfach nicht".
Zitat:Wirtschaftlich muss China nicht ewig wachsen.Beinahe jeder ökonomisch einigermaßen verantwortungsbewußt geführte Staat wächst praktisch ununterbrochen, selbst Deutschland. Die Frage ist, um wieviel er wächst. Derzeit hat China Verteidigungsausgaben, die dem Wachstum noch nicht einmal angemessen sind und angesichts der bisher relativ bodenständigen chinesischen Wirtschaftsgestaltung sehe ich keine Indikatoren für deine pessimistische Einschätzung. Eine chinesische Überrüstung halte ich für gewagte Spekulationen angesichts der Transformation, die die PLA durchmacht. Wenn sie ihre alten Jets 1:1 (oder selbst 2:1) ersetzen würden, wenn sie ihre riesenhaften SSK oder MBT-Bestände in dem gleichen Verhältnis erneuern würden...ja dann würde ich eine Überrüstung anerkennen. Das ist bei der derzeitgen Planung absolut nicht der Fall. Das Fazit daraus lautet, dass sich China durchaus ökonomischer Zwänge bewusst ist, im übrigen mehr aus seinem Überschuß in die weitere ökonomische Modernisierung steckt (Stichwort Infrastruktur, Energiewirtschaft) und damit ein Totrüsten höchstens ein feuchter Traum kalter Krieger in Washington ist.
Zitat:Auch der Gigant Japan hatte irgendwann mal keine Puste mehr.Wäre mir neu, dass sich Japan überrüstet, aber du weißt da offenbar mehr?! Der japanische Haushalt ist m.E. zwar beträchtlich und etwas mehr als das, was ich für die europäischen Staaten, bes. Deutschland für erstrebenswert halte, aber insgesamt doch mehr im Einklang mit der weltoplitischen Realität als das, was wir tun.
Zitat:Und auch die militärische Entwicklung Europas ist noch nicht völlig gewiss. Eine allmähliche stärkere Betonung des Militärischen, auch bei der Friedens- udn Zivilmacht Europa kann sich weiter verstärken.Auch hier verweise ich auf die Indikatoren. Und die sprechen eine deutliche Sprache. Europa entwickelt sich qualitativ schleppend weiter, tut nichts für die quantitative Rüstung und wenn man sich den deutschen Haushalt ansieht, dann ist gar keine Steigerung zu erkennen, eher das Gegenteil. Dass der Haushalt bis 2009 zb. um eine Milliarde wächst, ist bedeutungslos, denn das wird durch Mehrkosten (Inflation, Lohnsteigerung) aufgefressen. Nach aktuellen (!) Trends gemessen ist Europa weiter ein kranker Mann. Klar, wenn die Russen wieder einmarschieren wollen, ändert sich das sicher, aber solche einschneidenden Ereignisse sind, wenn auch nicht gänzlich auszuschließen, so doch unwahrscheinlich und daher bewegen wir uns beim Einschluß solcher Schlüsselereignisse wieder gänzlich im Bereich der Kristallglasleserei, wogegen die Beachtung von gegenwärtigen Entwicklungen wiederum vorzuziehen ist.
Zitat:Auch sollte man in Europa nicht nur nach mehr geld schreien beim Militär, wie wärs mal mit mehr Effizienz? Wieso gibt es fast immer noch so viele hohe Offziere wie zu Zeiten des Kalten Krieges, fast so viele Generäle, obwohl die Truppenstärke so sehr runtergagangen ist? Man könnte das Geld ja auch effizienter verteilen...Sorry, aber das ist m.E. genau der naive oder politisch motivierte Blick von Friedenspolitikern, die die BW schon die letzten fünfzehn Jahre kaputtgespart haben.
Wenn du mir überzeugende Zahlen präsentieren kannst, wie man dadurch entscheidend (!!) Kosten einsparen kannst, wäre ich bereit, das zu akzeptieren. Allerdings sehe ich die dadurch entstehenden Einsparungen als absolut marginal an. Davon kann man vielleicht zehn Dingos mehr kaufen, damit hat sichs aber auch. Im übrigen hat die BW, wie ich mich erst letztens habe informieren lassen, kein unwesentlich schlechteres Verhältnis von Offiziers-Planstellen zu Truppenstärke als etwa die USA, die trotzdem Kapazitäten aufbringen, die einen galaktischen Maßstab größer sind. Und woran liegt das? Es lässt sich kaum bestreiten, dass die Rufe nach mehr Geld für die BW absolut berechtigt sind, wenn man sich ansieht, wo wir ausgabenmäßig derzeit herumkrebsen...und das als ein Staat, der 1. immer noch drittstärkste Wirtschaftsmacht der Welt ist und 2. als extrem importabh. Staat ein sehr dringendes Interesse an der Sicherung seiner Zufuhrwege für Ressourcen haben muss.