Historische / Antike Schlachten
#42
Die Folgen der Schlacht (Teil 1):

Direkt nach dem Sieg und im Angesicht der unfassbaren Leichenberge von Römern, vor den Leichen eines Gros des römischen Führerschaft, soll der Karthagische General der Reiter, Maharbal zu Hannibal gesagt haben, er solle ihm nur die Reiter geben, und schon in 5 Tagen würde er auf dem Kapitol speisen. Hannibal jedoch verbot ihm diesen Raid und Maharbal soll darauf hin zu ihm gesagt haben: Zu siegen verstehst du, nicht aber den Sieg zu nutzen!

In diesen Sätzen, von Cato überliefert, liegt die ganze Fragestellung des Nach der Schlacht. Was für Folgen hatte Cannae, was für Folgen hätte es haben können, war Cannae wirklich eine Entscheidungsschlacht?
Zunächst mal zu diesen Sätzen selbst. Sie stimmen einfach nicht und wurden von Cato lange nach der Schlacht erfunden. Das sie nie und nimmer stimmen können zeigt allein der Fakt, dass man nicht in 5 Tagen von Cannae nach Rom reiten kann, egal wie schnell die Kavallerie ist. Und selbst wenn es, z.B. mit den Numidern gelänge, nützt es allwenig.
Es ist für mich recht unverständlich, warum man einem der größten und genialsten Feldherrn aller Zeiten direkt nach seinem größten Sieg gegen einen so absolut überlegenen Feind, nach diesem epochalen Sieg und all den vorherigen Leistungen nun den Weitblick abspricht zu wissen was als nächstes getan werden musste.

Zunächst einmal klassische Legenden: Die Römer hätten keine Truppen mehr in Italien gehabt, das ist falsch. Es war nur das erste Mal in allen bisherigen Kriegen gegen die Karthager, dass sie weniger Truppen als die Karthager auf einem Kriegsschauplatz hatten. Es waren ja bei Cannae 15 000 Legionäre entkommen, dazu gab es noch die Reiter -Verbände in Oberitalien die genau so schnell bei Rom gewesen wären wie Hannibal von Süden und dann noch in der Stadt Rom selbst zwei Reservelegionen, die sich gerade dort zur Ausbildung befanden. Insgesamt wären die römischen Truppen in Italien gegenüber dem karthagischen Heer aber etwas in der Minderzahl gewesen, dazu war die Hälfte von ihnen Rekruten. Demgegenüber hatten sie mit der Stadt Rom selbst, eine der stärksten Festungen der gesamten damaligen Welt unter fester Kontrolle. Nur durch Verrat hätte Rom schnell fallen können, dazu waren aber die Verluste gegen die Karthager und der Haß der Stadtrömer zu groß, ebenso die in Rom sich sammelnden Truppenverbände, die die Befestigungen so vollständig unter Kontrolle hatten, dass kein Verrat und keine Kommandoaktion möglich war. Hannibal hätte also, in mehr als 5 Tagen nach Rom marschieren können und bei seiner knappen numerischen, aber enormen qualitativen Überlegenheit hätte er auch mit der Belagerung Roms beginnen können. Er hätte aber nicht die Stadt einfach so stürmen können, es wäre eine zähe und lange Belagerung geworden. In der Folge wären die römischen Streitkräfte aus Spanien, Illyrien, Sizilien usw zur Rettung ihrer Heimatstadt zurückgekehrt und das gesamte römische Militär, dass dem Heer Hannibals immer noch sogar zahlenmäßig überlegen war hätte sich bei Rom gesammelt. Auf eine Schlacht hätten sich die Römer nicht mehr eingelassen, sondern Hannibal selbst eingeschlossen und belagert, über den Tiber hätten sie Rom selbst mit frischen Truppen und Lebensmitteln versorgen können, diese Aktion hätte den Karthagern nur gebracht, dass die Römer aus Spanien abziehen, in der Folge aber hätten sie in Italien enorme Probleme bekommen. Angesichts dieser starken römischen Militärpräsenz hätten dann aber sicher viele Bundesgenossen aus Angst vor Rache und Gegenschlägen der Römer sich geweigert, zu Hannibal überzulaufen, tatsächlich bereiteten sich die Römischen Truppen im Ausland auf die Heimkehr vor, erstens um Rom vor Hannibal zu sichern und zweitens um die abfallenden Bundesgenossen niederzumachen. Doch Hannibal marschierte nicht und so setzen sie ihre Offensiven fort, als es dann doch zum Abfall der Bundesgenossen kam, erlitten die römischen Auslandstruppen eine Reihe von Rückschlägen, die es unmöglich machten heimzukehren, zu diesem späteren Zeitpunkt hatte Rom aber in Italien die Initative wieder an sich gerissen und die Lage im Gros des Landes schon wieder unter Kontrolle.

Hannibal blieb also erst mal in Süditalien und erholte seine Truppen und betrieb dann Diplomatie. In der Folge das er wieder alle gefangenen Bundesgenossen direkt nach der Schlacht zum dritten Mal laufen ließ, mindestens 10 000 noch auf dem Schlachtfeld schlossen sich ihm viele Süditalienische Stämme und Stadtstaaten an. Die meisten aber erst nach einiger Zeit, als klar wurde, dass die Römer ihre Truppen nicht aus dem Ausland zurückholten. Dann gelang Hannibal ein weiterer diplomatischer Erfolg, er konnte ausländische griechische Mächte in den Kampf hineinziehen, sowohl der sehr mächtige Stadtstaat Syrakus, als auch Makedonien schlossen mit seinen Abgesandten Verträge, mit denen sie auf der Seite Karthagos in den Kampf eintraten.
In Rom selbst brach nach der Schlacht und mit dem Eintreffen der ersten Berichte eine unfassbar Aggressive Hysterie aus. Die Römer rekrutierten die gesamte verbliebene männliche Bevölkerung der Römer und der Latiner, sogar Minderjährige in die Armee. Auch Sklaven, Verbrecher, jeder der sich freiwillig zu den Streitkräften meldete erhielt sofort die Freiheit, oder wenn er Schulden hatte war er sofort Schuldenfrei. Die Römer rechneten nämlich selbst durchaus damit, dass Hannibal als erstes nun die Belagerung Roms aufnehmen würde, man verstand in Italien seine viel gefährlichere Vorgehensweise, die römischen Bundesgenossen für sich zu gewinnen nicht, und ging davon aus, dass er handeln würde, wie man selbst handeln in diesem Fall. Mit Waffengewalt brachte man jeden verfügbaren Vorrat und alles Metall der Umgebung bis nach Kampanien in die Stadt und zerstörte außerhalb Roms absolut alles, damit die Karthager es nicht nutzen konnten.

Doch das war noch nicht alles, in Rom wurde die Stimmung derart krass, das die Römer damit begannen, auf dem Forum Boarium Menschenopfer darzubringen. Ein für Rom und die Römer ziemlich singuläres und auch völlig untypisches Ereignis. Die Römer begruben in der Folge dort Menschen, und zwar Liebes- oder Ehepaare aus anderen Völkern bei lebendigem Leib.
Man sandte sogar einen Senator, Fabius Pictor nach Delphi, um dort zu erfragen, was die Götter als Opfer für den Sieg über Hannibal verlangten. Man sei bereit gewesen, jedes Opfer zu bringen, aber die Priester in Delphi gaben keine verwendbaren Antworten, wohl auf Geheiß der Makedonen.

Als nächstes wählten die Römer den Konsular Marcus Iunius Pera zum Diktator. Dieser hatte große Kriegserfahrung und war zudem ein Anhänger von Quintus Fabius und dessen Partei, die nun in Rom das alleinige Sagen hatte. Jede Opposition lag wortwörtlich tot im Felde und das Volk stellte sich geschlossen hinter den Diktatur des Jahres vor der Schlacht. Endlich bewegte sich auch Hannibal, er marschierte wieder nach Westen, nach Kampanien. Zur gleichen Zeit schloss er das Bündnis mit Makedonien und die südlichen Bundesgenossen fielen reihenweise von Rom ab. Zuvorderst die Stadt Capua, die damals noch direkt nach Rom die zweitmächtigste und zweitstärkste Stadt in Italien war, damit hatte Hannibal seinen befestigten Stützpunkt denn er so dringend brauchte. Hannibal wollte nun auch die restlichen Städte Kampaniens besetzen, dass scheiterte aber an der in Eigeninitative und ohne Auftrag durchgeführten Offensive des jungen Prätors M. Claudius Marcellus. Dieser stieß über See mit den letzten besseren römischen Verbänden nach Südkampanien vor und besetzte dort viele kleinere Städte mit römischen Truppen, entschlossen, dort in der Belagerung gegen Hannibal unterzugehen, diesen aber so lange wie möglich aufzuhalten. Er besetzte auch die Stadt und Festung von Nola, die gerade zu Hannibal überlaufen wollte und brachte alle Karthager Symphatisanten in der Stadt um, also die gesamte Zivilbevölkerung. Derweilen rückte von Rom her der Diktator Pera mit den verbliebenen 4 Legionen nach Süden vor und grub sich in mehreren Festungen an der Grenze von Latium nach Kampanien ein. Hannibal ignorierte diese Armee und begann die strategisch entscheidende Festung Nuceria zu belagern, die er dann auch einnehmen konnte. Dann zog er nach Nola, gab aber die Belagerung von Marcellus Truppen nach kurzem auf und belagerte stattdessen die Küstenfestung Casilinium, das heutige! Capua (die Römer vernichtenden das alte Capua als Rache für dessen Überlaufen) die er im folgenden Jahr einnehmen konnte.

Wie man an den Vorgängen in Kampanien also sehen kann, waren die Römer in Italien immer noch mit Truppen versehen und gruben sich in ihren Festungen ein. Hannibal konnte selbst schwächere Festungen in ihn unterstützenden Gebieten nicht einfach so oder gar schnell stürmen, musste diese aber erobern, um die Abgefallenen Bundesgenossen zu unterstützen und deren Gebiete miteinander zu vernetzen und so die Bewegung deren Truppen zu ermöglichen, und nur mit den Bundesgenossen Truppen konnte seine Armee so stark werden, dass er der Stadt Rom selbst gefährlich werden konnte. Er ergänzte auch seine Armee dann in der Folge aus Italikern, so dass sie numerisch stärker war als je zuvor, und griff trotzdem den in Südlatium in mehreren Festungen stehenden Diktator Pera noch nicht an. Soviel zu dem immer wieder geäußerten Gedanken, er hätte direkt nach Cannae einfach so Rom erobern können.
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