Deutsche Kolonien
#39
(29.05.2021, 12:43)Ottone schrieb: I respectfully disagree: Von Trotha konnte nur seinen Truppen Befehle erteilen, und die befanden sich Südwest (aka in den Deutsche Grenzen)....

Das habe ich ja gerade als Argument FÜR eine Wertung als Völkermord angeführt:

(29.05.2021, 12:34)Broensen schrieb: Setzt man ihn jedoch in diesen Kontext, ... , und berücksichtigt dabei noch den Aspekt, dass seine Befehlsgewalt sich ja auch nur auf deutsches Gebiet erstreckte ..., so kann man durchaus eine Vernichtungsabsicht feststellen. Er hat all das dazu veranlasst, was in seiner Macht lag.

Vielleicht war dieser Satz etwas missverständlich: Die zuvor genannte Interpretation des Befehls als Vertreibung wäre stimmiger, wenn Trotha z.B. die Befehlsgewalt über ein größeres Gebiet gehabt hätte, seinen Befehl aber explizit nur auf eine bestimmte Region beschränkt hätte.
Da er aber für das gesamte Gebiet, in dem er Befehlsgewalt hatte, den Tötungsbefehl gegeben hat, spricht dies FÜR eine Vernichtungsabsicht.

(29.05.2021, 13:04)Quintus Fabius schrieb: Seit wann gibt es einen menschlichen oder einen normalen Krieg? Jedem Krieg und sei er noch so beschränkt wohnt im Prinzip die Abwesenheit von Recht und die Abwesenheit von Menschenrechten inne. Ich glaube daher von tiefstem Herzen nicht an den gerechten Krieg, den in keinem Krieg gibt es Gerechtigkeit.

Es gibt etwas, das nennt sich Völkerrecht. Das hat man erfunden, um genau das zu regeln. Zugegebenermaßen gestaltet sich das, nicht zuletzt aus den von dir genannten Gründen, nicht so ganz einfach. Aber es existiert und MUSS für jede Diskussion in diesem Zusammenhang den Maßstab darstellen. Sonst wäre es ja auch völlig egal, ob man nun von Völkermord spricht oder nicht. Denn diesen Begriff gibt es ja nur wegen dem Völkerrecht.

(29.05.2021, 13:04)Quintus Fabius schrieb: Ziel der damaligen deutschen Führung war es übrigens in Wahrheit ! die Herero aus ihrem bisherigen Siedlungsgebiet zu vertreiben. Das war das wahre Ziel, nicht die Vernichtung der Herero! Nach heutiger Definition ist das durchaus Völkermord, denn nach heutiger Defition sollen Staatsgrenzen wie Siedlungsgebiete von Völkern für alle Ewigkeit Sakrosankt bleiben, völlig gleich ob diese abstruse Forderung realistisch ist oder nicht oder ob sie irgendwelchen realen Anforderungen entspricht.

Die einfache Wahrheit ist, dass dies alles was hier zur Zeit diskutiert, gesprochen und getan wird einfach nur der sozialkulturellen Grundströmung der Gegenwart entspringt und nichts anderem. Es entbehrt damit jedem historischen und geschichtswissenschaftlichen Kontext und ist damit eine reine Glaubensfrage.

Auch das Völkerrecht entwickelt und wandelt sich mit der Zeit. Und daher muss man natürlich auch unterscheiden, ob eine Aktion zu ihrer Zeit bereits dem damaligen Stand des Völkerrechts widersprach, oder ob sie das erst nach heutigen Maßstäben tut. Allerdings kann man auch eine zu einem früheren Zeitpunkt legale Aktion aus heutiger Sicht für unmoralisch erachten.

(29.05.2021, 13:04)Quintus Fabius schrieb: Umgekehrt war es das Ziel der Herero die deutschen Siedler für immer aus ihrem Gebiet zu vertreiben. Und damit per definitionem nach heutiger Ansicht ebenfalls ein Völkermord. Die Herero hatten also nach heutiger Definition ebenso einen Völkermord an den Deutschen in Süd-West-Afrika vor.
Die Verbrechen der Herero welche nachweislich diesen Krieg angefangen haben spielen durchaus eine Rolle, nicht nur für das historische Verständnis der Gegenreaktion der deutschen Streitkräfte, für den historischen Kontext sondern sie sind auch Relevant für die Frage warum die deutsche Führung überhaupt die Herero vertrieben werden sollen.

Dieser Argumentation kann man nur dann folgen, wenn man davon ausgeht, dass die europäische Kolonisation und Unterwerfung der einheimischen Bevölkerungen völkerrechtlich zulässig war. Nach damaliger Vorstellung war sie das zwar, nur kann die Rechtswirksamkeit damaligen Völkerrechts stark in Frage gestellt werden, da es einseitig europäisch aufgestellt worden war und die indigenen Bevölkerungen der Kolonialgebiete benachteiligte.
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