(Zweiter Weltkrieg) Deutsche Strategie im Zweiten Weltkrieg
#12
Zitat:Interessant, dass du Clausewitz zitierst, hierzu zitiere ich mal Lidell Hart, den englischen Blitzkriegtheoretiker; „Sein [Clausewitz] entscheidender Fehler war es, den Willen auf der Liste seiner Prioritäten als letztes statt als erstes und umfassendes Ziel zu nennen und zu behaupten, dass die Zerstörung der feindlichen Militärmacht wesentlich sei, um die anderen Ziele zu erreichen.“ (zitiert nach: Charles Messenger, Blitzkrieg - Eine Strategie macht Geschichte, Bechtermünz Verlag Augsburg 2000, S.41)
Grundsätzlich ist es richtig, was Lidell Hart schreibt, aber auch, was Clausewitz schreibt. Es schließt sich auch nicht aus. "Vom Kriege", Erstes Buch, Zweites Kapitel:
"Wenn ein Bataillon den Auftrag erhält, den Feind von einem Berge, einer Brücke usw. zu vertreiben, so ist in der Regel der Besitz dieser Gegenstände der eigentliche Zweck, die Vernichtung der feindlichen Kräfte daselbst bloßes Mittel oder Nebensache. Kann der Feind durch eine bloße Demonstration vertrieben werden, so ist der Zweck auch erreicht; aber dieser Berg, diese Brücke werden in der Regel nur genommen, um damit eine gesteigerte Vernichtung der feindlichen Streitkräfte zu bewirken."
Insofern ist die Zerschlagung der feindlichen Militärmacht, und dass muss auch so sein, das Mittel zum Zweck, die Frage ist nur wie man Zerschlagung definiert. Und da liegen doch "einige Jahre" zwischen Hart und Clausewitz, die man nicht außer acht lassen darf. Der Willen eines Volkes zu brechen ist ja kein Zweck, sondern ein Mittel, nämlich ein Mittel um die Militärmacht soweit ausschalten zu können, als dass diese bei den "Verhandlungen" zum erreichen des eigentlichen Zweckes des Krieges keine Rolle mehr spielt. Man kann nun argumentieren, dass man abwägen muss ob die Eroberung Moskaus wirklich zu jenem zerstören des Willens der feindlichen Armee geführt hätte, oder nicht sogar das Gegenteil der Fall gewesen wäre.
Clausewitz selbst sagt im gleichen Werk, achtes Buch, Viertes Kapitel:
"Was nun ist diese Niederwerfung? Nicht immer ist die ganze Eroberung des feindlichen Staates dazu nötig. (...) Hätte Bonaparte im Jahre 1812 das russische Heer von 120.000 Mann, welches auf der Straße von Kaluga stand, vor oder nach der Einnahme von Moskau gehörig zertrümmern können, (...) so würde der Besitz jener Hauptstadt höchstwahrscheinlich den Frieden herbeigeführt haben, obgleich noch ein ungeheurer Landstrich zu erwerben blieb. Im Jahre 1805 entschied die Schlacht von Austerlitz; es war also der Besitz von Wien und zwei Dritteln der österreichischen Staaten nicht hinreichend, den Frieden zu gewinnen;"
Das Problem, welches einfach zwischen Hart und Clausewitz steht, ist nicht der Unterschied in den Prioritäten wegen unterschiedlicher Ansichten, wie Hart sagt, sondern der Unterschied in den Prioritäten wegen unterschiedlicher Umstände der Zeit. Immerhin beschreibt Clausewitz auch wie wichtig der Wille der Soldaten ist, und das ein Brechen eben jenes Willen ein Mittel sein kann, um den Zweck (die Zerschlagung des Gegners) zu erreichen, der wiederrum das oberste Mittel für den zu erzwingenden Frieden nach eigenen Vorstellungen ist.
Im übrigen halte ich es wie Bastian und sehe auch die Eroberung von Moskau als höherwertiges Ziel als die Zerschlagung des Gegners bei Kiew an, zwar auch um den Willen des Gegners zu brechen, aber ebenso weil die Reihenfolge Eroberung (Moskau) - Zerschlagung (Kiew) einfacher durchzuführen gewesen wäre als der umgekehrte Weg. Die Geschichte, so denke ich, dürfte dies bestätigen. Das Zeitproblem war dann noch ein sekundäres...
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