Diskussion über Rom...
#20
Kosmos:

Zitat:römisches Reich verdankte seine Existenz zuallererst seinen Legionen.

Da hast du mich vermutlich mißverstanden. Seine Entstehung verdankt das Römische Reich seinen Legionen, aber zugleich verursachten diese auch seinen Untergang.

Das ganze Reich war von vornherein dazu verdammt unterzugehen, daß ist es, was ich meine.

Die Probleme die zum Untergang des Reiches führten waren Systeminhärent.

Zitat:In Gegensatz zu vielen anderen Streitkräften der Geschichte erwirtschaftete römisches Militär Gewinne, dank Erfolgen dieses Militärs konnten Millionen Römer später auf Staatskosten leben und hohe Lebensqualität genießen ohne entsprechende Wirtschaftsleistung zu erbringen.

Diese Gewinne wurden aber nur während der Zeit der Republik gemacht. Schon in der frühen Kaiserzeit machte das Militär keine Gewinne mehr. Schon zur Zeit des Ersten Imperators Augustus mußte deshalb die Zahl der Legionen drastisch reduziert werden, aus Kostengründen. Die verbleibende Armee war aber immer noch viel zu groß.

Zitat:Das eigentliche Problem begann als immer mehr Römer sich von Kriegshandwerk abwandten, und so für die Existenz dieses Raubstaates eine nutzlose aber immer teuer werdende Belastung wurden........

Diese Verweichlichungsthese ist ebenfalls eine falsche und längst wiederlegte Vorstellung. Die Römer wandten sich eben nicht vom Kriegshandwerk ab.

Und der Raubstaat hatte schlicht und einfach nichts mehr zum Rauben. Das einzige verbliebene Reich das man hätte ausplündern können war das der Perser im Osten, dieses konnte man aber militärisch nicht bezwingen sondern die Römer erlitten dort von Anfang an verheerende Niederlagen.

Zitat:Für die Größe des Reiches war die Armee gerade in den letzten Jahrhunderten nicht sonderlich groß.

Im Gegenteil, sie war viel zu groß. Die Armee war bis zum Ende des Reiches viel zu groß und viel zu teuer, zugleich aber notwendig um die Gewaltherrschaft des Kaisers und der römischen Oberschicht aufrecht zu erhalten.

Gleichzeitig geriet die Wirtschaft des Reiches in eine Krise von der sie sich nie mehr erholte.

Zitat:1 Million Einwohner allein die Stadt Rom, und es gab viele Städte...
Was hat das gekostet?
Wieviele Legionen hätte man ausrüsten und versorgen können?

Diese Vorstellung verkennt völlig die Kultur der römischen Antike, die eine Urbane Kultur war. Selbst nachdem Rom 1 Millionen Einwohner hatte, wurden aus der Stadt selbst immer noch viele Soldaten rekrutiert. Der Grund dafür ist höchst einfach, daß der größte Teil der Einwohner Roms selbst auf dem Höhepunkt der Stadtentwicklung im Elend, in Slums lebte. Aus vielen Familien der Capite Censi (der Besitzlosen) gingen dann junge Männer weiterhin zur Armee, schlicht und einfach um damit Geld und Besitz zu erwerben.

Das Problem war nicht, was die Stadt den Staat kostete, sondern was die Armee den Staat kostete. Selbst die kostenlose Getreideabgabe an die Bürger Roms in der Stadt war billiger als der Unterhalt auch nur einer Legion von Truppen.


Noch ein paar Anmerkungen zu den sehr guten Ausführungen von Schneemann:

Zitat:Die gesammelten Abwässer wurden danach in den Tiber geleitet (natürlich nach der Stadt!).

Aus dem übrigens viele Einwohner Roms Trinkwasser entnehme mussten. Desweiteren gab es auch Brunnen in der Stadt deren Wasser dann vom Tiberwasser kontaminiert war. Die Aquädukte reichten nämlich nicht zur Versorgung der gesamten Bevölkerung.

Reiche Römer ließen sich übrigens Trinkwasser in Amphoren aus dem Umland per Karren bringen, beispielsweise aus Tibur.

Reiche Römer schätzten aber beispielsweise Fische aus der Kloake bzw aus dem Tiber dort wo die Abwässer eingeleitet wurden als Delikatesse wegen des besonderen Geschmacks !

Zitat:Trotz allem jedoch muss man auch festhalten, dass römische Siedlungen und auch Rom selbst nicht öfter von Seuchen betroffen waren als etwa Städte in Mitteleuropa im Mittelalter. Es sei nur an die sogenannte Antoninische Pest im 2. Jhd. n. Chr. erinnert, die dem „Schwarzen Tod“ im Europa des 14. Jhd. in nichts nachstand, zumindest nicht was das Verhältnis von Infizierten zu Sterbenden angeht.

Es gab mehrere solche Pestwellen im Römischen Reich. Wie später auch waren Ratten an der Verbreitung beteiligt. Die Römer verstanden aber die Ursachen weniger als die Menschen im Spätmittelalter weshalb beispielsweis keine Quarantäne angewandt wurde (eine Maßnahme die im Spätmittelalter angewendet wurde).

Die hohe Urbanisierung war der entscheidende Faktor warum die Römer immer wieder von Seuchen geplagt wurden. Im Frühmittelalter gab es demgegenüber viel weniger Seuchen und Krankheiten, schlicht und einfach deshalb weil sich diese aufgrund der extremen Deurbanisierung gar nicht ausbreiten konnten.

Zitat:Es gab sicherlich Missstände, etwa die von dir angesprochene Medizin, die oftmals arg pseudomedizinische Tendenzen annahm und den Kranken nicht wirklich half

Man sollte meiner Ansicht nach auch beachten, daß die Errungenschaften der Antike auch nicht allen Menschen in dieser Zeit einfach so zur Verfügung standen.

Die Masse der Menschen im römischen Reich hatte keine oder allenfalls eine der mittelalterlichen Medizin entsprechende Versorgung. Ärzte waren sehr teuer.

Und oft trotzdem nicht sehr gut, weshalb es unter den Römern viele Ärztewitze gab, wie beispielsweise den folgenden:

Besser vor Hegemons Stuhl, der die Räuber zum Tode befördert, als in Gennadius Hand, der sich als Arzt bekennt. Der eine tötet schnell in gerechter Entrüstung die Räuber, der andere nimmt Zahlung dafür, daß er dich zum Hades schickt.


Revan:

Zitat:Es ist Interessant das die Renecance gerade mit dem fahl von Byzanz und den Zuzug von byzantinischen Gelehrten in Italien seine Anfang nimmt. Die lange Nacht ist daher sehr wohl als solche zu sehen wenn man diese Periode ihn ihrer Gesamtheit betrachtet.

Es gab schon vorher durchgehend einen Austausch zwischen Byzanz und Mittel-Westeuropa. Es gab nie einen Abriß im Kontakt zwischen Ostrom und dem Westen.

Die Franken kopierten unter Karl dem Großen die byzantinische Kultur regelrecht bis dahin, daß die Bilddarstellungen dieser Zeit gar nicht das wirkliche Aussehen der Franken wiedergeben sondern eins zu eins Kopien von byzantinischen Darstellungen sind.

Später im Frühmittelalter waren viele Byzantiner in Mitteleuropa unterwegs. Ad Extremumg wurde das Deutsche Reich von 972 bis 991 n Chr sogar von einer Byzantinerin regiert, der Prinzessin Theophanu. Der ihr nachfolgende Sohn war als Deutscher Kaiser dann ein Halb-Byzantiner.

Während der Kreuzzüge floß viel von der Kultur der Antike aus Byzanz nach Westeuropa. Ad Extremum wurde in England sogar eine Festung als direkte Kopie der Wälle von Konstantinopel gebaut was das Aussehen der Türme und Mauern angeht (Caernarfon Castle).




Allgemein noch etwas zur Entwicklung der Technologie zwischen Römischem Reich und Mittelalter. Viele Leute setzen wie Revan Bildhauerei, Städtische Bauten, Kanalisation und Fußbodenheizungen mit einem höheren Stand der Technologie gleich. Die genannten Dinge fehlten im Mittelalter. Dafür aber entwickelten sich eben andere Dinge.

Die Technologische Entwicklung folgt den Bedürfnissen. All diese genannten Dinge sind Bedürfnisse einer Urbanen Gesellschaft. Die Gesellschaft des Mittelalters war aber eine Extrem Deurbanisierte Gesellschaft.

Schiffbau ist aber ein Bereich, der als Technologie interessante Rückschlüsse zulässt.

Die meisten Schiffe der Römer waren um die 30 m lang. Die größten Schiffe der Römer waren um die 70 m lang, diese Übergroßen-Schiffe waren aber kaum in der Lage an Küsten entlang zu fahren da sie nicht Seetüchtig waren. Sie lagen nur zu Prunkzwecken im Hafen. Die Römer befuhren primär das Mittelmeer und auch das primär entlang der Küsten. Bei Stürmen verloren römische Flotten regelmäßig Massen von Schiffen.

Nehmen wir nun mal die Wikinger oder die Schiffe im Mittelalter. Die Wikingerschiffe erreichten Längen von bis zu 70 m (Königsschiff Knuts des Großen, oder die Große Schlange usw)
Die meisten Wikingerschiffe waren ebenfalls ca 30 m Lang. Die Wikinger waren aber viel bessere Seeleute, ihre Schiffe waren Hochseetauglicher, und schneller. Die Wikinger segelten über das Offene Meer, drangen über die Flüsse Russlands bis ins Kaspische Meer vor, segelten über den Nordatlantik bis nach Amerika usw

Da vorher behauptet wurde, der Handel seit abgebrochen im Mittelalter. Vor den Wikingern handelten Friesische Händler in ganz Europa. Danach handelten die Skandinavier von Persien bis nach Island. In Gräbern in Norddeutschland hat man eine aus Indien stammende Buddha Figur gefunden, ebenso wie Seidenreste.

Was sich änderte im Vergleich zur Antike war das Handelsvolumen, die Masse der gehandelten Güter nahm ab. Das liegt aber wiederum an der Gesellschaftsform.

Im Mittelalter handelten dann die Italienischen Seestädte im ganzen Mittelmeerraum mit Gewürzen aus Ostasien. Die typische Mittelalterliche Küche der Oberschicht war beispielsweise extrem Pfefferlastig.

Der Import von Pfeffer war im Mittelalter in Europa größer als zur römischen Zeit.

Die Schiffe der Italienischen Seestädte waren ebenfalls größer und konstruktionsbedingt Seetüchtiger als die Römischen Schiffe es gewesen waren.

Es wurden neue Segeltypen wie das Lateiner Segel gefunden. Die Anordnung der Ruder änderte sich, diese wurden nicht mehr in mehreren Ebenen angeordnet und der Schiffskörper verbessert.

Im Mittelalter wurden das Heckruder und der Kompaß in Europa eingeführt. Errungenschaften die die Römer nicht gekannt hatten.

Gerade die Entwicklung neuer sehr hochseetüchtiger Schiffstypen die sich aus dem Mittelalterlichen Nef und Nao entwickelten und allgemein die Entwicklung der Schiffstechnologie in Europa führte dann gerade eben in der frühen Neuzeit zur Ausbreitung der Europäer in aller Welt und dann zur Vorherrschaft Europas weltweit.


Beschließend noch ein Beispiel für zwei Legionen die sehr viel herum gekommen sind:

Legio XIV Gemina Martia Victrix: wurde von Augustus aus zwei anderen Legionen gebildet. Kämpfte im Bürgerkrieg in Italien und Illyrien, dann in Illyrien stationiert. Kämpfte dann in Germanien nach der Varusschlacht und wurde danach an die Donau nach Pannonien verlegt (heutiges Ungarn). Dann wurde die Legion nach Britannien verlegt. Später wieder nach Pannonien.

Legio IX Hispana Gegündet von Caesar. Im Bürgerkrieg in Spanien eingesetzt. Dann wurde sie von Augustus nach Illyrien verlegt. Von dort weiter nach Britannien wo sie geblieben ist.

Diese beiden Legionen sind schon die, mit der größten Verlegungsleistung. Zwischen solchen Verlegungen lagen aber immer Jahrzehnte. So erfolgte die Verlegung der letztgenannten Legion nach Illyiren beispielsweise 4 n Chr, die Verlegung nach Britannien 43 n Chr. Die Verlegung dauerte jeweils zwei Jahre.

Sehr mobil waren allgemein die Donaulegionen, schlicht und einfach weil sie die Donau als Transportmittel benutzen konnten um zwischen Osten und Westen zu verlegen.

Zur Zeit zwischen Nero und Vespasian kämpften die Donaulegionen teilweise in Syrien und in Judäa. Bei der Machtergreifung Vespasians kehrten die Donaulegionen dann von Judäa nach Italien zurück. Das war einer der längsten Märsche der römischen Militärgeschichte (wovon aber ein großer Teil per Schiff zurück gelegt wurde).
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema

Gehe zu: