Amazonas vor den Europäern
#2
Zur Bodenkunde (einem meiner Lieblingsgebiete) könnte ich bezüglich der Böden im Amazonas Bereich durchaus etwas schreiben, aber das würde für die Frage der Geschichte nicht so viel aussagen. Allgemein weiß man in Wahrheit weniger über diese Terra Preta als dies im Internet und anderswo dargestellt wird. Bei vielen dieser Schwarzerden ist nicht einmal sicher bewiesen, dass sie menschlichen Ursprungs sind, man leitet das nur aufgrund einiger weniger Stellen wo man menschliche einflüsse nachweisen konnte einfach ab. Es könnte sich insgesamt ebenso um einen natürlichen Prozess handeln, der lediglich an einigen Stellen dann von Menschen genutzt wurde.

Was war zuerst: Henne oder Ei? Findet man deshalb in der Terra Preta so viele Siedlungsspuren weil sie künstlichen Ursprung ist, oder weil sie als natürlicher Boden dort als einziges Substrat räumlich begrenzt aber hochleistungsfähig den Ackerbau ermöglichte, weshalb sich die Menschen entlang dieser Böden konzentrierten?

Im weiteren sollte man bedenken, dass es in der Bodenkunde kein Perpetuum Mobile gibt. Um solche Erde künstlich herzustellen braucht man organische Abfälle und Fäkalien, Pflanzenmaterial und Holzkohle und all diese Stoffe wachsen ja auch erst mal auf einem Boden und verbrauchen daher Nährstoffe aus diesem Boden heraus. Was man also an der einen Stelle gewinnt, verliert man an einer anderen Stelle wieder. Dort wo man dann im großen Stil die Grundmaterialien entnehmen würde, hätte dies immense Effekte auf die Böden, und würde gleich wie bei der jahrhundertelangen Streunutzung in Europa die Waldböden in immensen Umfang podsolieren. Man würde also ein räumlich begrenztes Hochleistungssubstrat dass trotzdem nicht mit industriell / chemisch hergestelltem Dünger mithalten kann ! gegen eine weitreichende und räumlich ausgedehnte Zerstörung und Degradierung von Böden eintauschen und insgesamt mehr verlieren als gewinnen.

Zur Frage der Amazonas - Kulturen vor den Europäern weiß ich zu wenig um darüber etwas sagen zu können. Für Nordamerika ist entlang des Missisipi und seiner Nebenflüsse aber nachgewiesen, dass dort vor dem Eintreffen der Europäer teilurbanisierte Kulturen bestanden, mit Städten, stritk hierarchischen Gesellschaftsstrukturen, gewaltigen Erdpyramiden usw

Diese Kulturen in Nordamerika gingen durch von den Europäern eingeschleppte Krankheiten völlig zugrunde, bevor überhaupt ein Europäer in diese Regionen kam. Als die Europäer dorthin vorstießen, waren diese Völker völlig untergegangen und mit ihnen die Stadtgesellschaften die sie errichtet hatten.

Von daher ist es, abgeleitet von dem besser erforschten Nordamerikanischen Fall durchaus denkbar, dass auch in Südamerika entlang des Amazonas Kulturen bestanden, die kurz vor dem Eintreffen der Europäer oder zeitgleich mit diesem völlig zusammen brachen. Übrig blieben dann wie in Nordamerika auch lediglich Barbarenstämme mit egalitärer Struktur. Die klassischen Indianerkulturen Nordamerikas waren genau genommen jung, sie entstanden erst durch den Zusammenbruch ihrer viel weiter entwickelten Vorgängerkulturen. Auch für den Amazonas ist dergleichen daher meiner Ansicht nach denkbar.

Kulturen entlang von Flüssen waren offenbar besonders anfällig für die Ausbreitung der Europäischen Krankheiten, da diese mit der Flußschifffahrt sich besonders leicht und weit verbreitet konnten.

Zitat:könnte ein Volk, das immerhin den gesamten Amazonas - das größte Flußsystem der Erde - besiedelt und mit Booten befahren hat, nicht auch auf den Atlantik vorgestoßen sein?

Theoretisch schon, aber rein praktisch spricht einiges dagegen. Zum einen liegen die Funde die auf höhere Kulturen im Amazonas Becken hinweisen eher im Landesinneren und daher weit weg vom Delta des Flusses und vom Meer, zum anderen stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit eines solchen Vorstoßes und drittens fehlte dazu das technologische Niveau in der Schiffahrt. Nur weil ein Volk Flußschifffahrt mit Einbäumen und Flößen betrieben hat, heißt das nicht, dass man mit diesen dann auch auf das offene Meer vorstoßen konnte oder vorgestoßen ist.

Noch ein Beispiel dazu: Die Ägypter waren technologisch in der Seefahrt viel weiter entwickelt und besiedelten und befuhren mit Booten den Nil. Trotzdem waren sie kein Seefahrervolk und stießen Jahrhundertelang nicht mal im Mittelmeer weit vor. Auf ihrem Höhepunkt reichte ihre Seefahrt gerade mal die Küste entlang nach Libyen oder die Küste entlang bis zum Libanon. Und zwischen der Ägyptischen Schiffahrtstechnologie und der Indigener Völker in Südamerika liegen immer noch Welten.

Ein Vorstoß nun über den Atlantik nach Zentralafrika ist nun völlig undenkbar. Dazu mußt du dir einfach mal nur die Strömungs- und Windverhältnisse und die zu überbrückende Strecke ansehen. Es ist gänzlich unmöglich, dass eine in Südamerika bestehende Kultur über den Atlantik in Afrika kulturelle Einflüsse hinterließ. Wenn man sich mal vor Augen hält, dass die nachgewiesenen Fahrten der Wikinger über den Nordatlanik keinerlei kulturellen Einfluss dort hinterließen, ist selbst bei dem extremst unwahrscheinlichen Fall das eine geringe Zahl Indianer trotzdem irgendwie nach Afrika gelangte keinerlei kulturelle Beeinflussung möglich gewesen.
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