Moderne Festungsanlagen
#55
Nelson:

Die Bundeswehr benutzt so allerlei was keinen Sinn mehr macht oder inzwischen längst in viel besserer Form vorhanden wäre. Das ist nicht nur eine Kostenfrage, dass ist primär auch eine Folge des Strukturkonservatismus im Militär und der Betriebsblindheit und Strukturextrapolierung die daraus folgen.

Das die Artillerie der Bundeswehr (in Zukunft dann gerade mal noch 3 Bataillone mit eingeschränktem Bestand) nicht ausreichend ist, ist natürlich klar. Allgemein bin ich ein großer Vertreter von Artillerie im modernen Krieg und eine starke Armee zeichnet sich meiner Auffassung durch eine qualitativ und quantitativ höchstwertige Artillerie aus. Die deutsche Artillerie ist qualitativ hervorragend, ADLER II ist ein herausragend gutes System, die Panzerhaubitzen 2000 und MARS ebenfalls modern und geeignet. Quantitativ ist die Artillerie der Bundeswehr jedoch sehr schwach. Munitionsvorräter in größerer Stückzahl haben wir auch nicht. Außerdem fehlt es an ergänzenden Systemen für die beiden genannten, dass reicht von den fehlenden Mörsern bis hin zu gezogenen Geschützen.

Wenn du nun als Reaktion auf die Waffenwirkung die Schutzräume verlässt, dann hast du das Problem, dass deine Bewegung das Risiko für die Entdeckung deiner Truppen heute immens erhöht. Die Wahrscheinlichkeit, dass du dann vernichtet wirst, steigt. Anbei: die Al Quaida hat in Afghanistan trotzdem genau dies getan, ihre Höhlenfestungen geräumt (nachdem die ersten Einschläge klar machten, dass das nicht zu halten ist) und sich dann abgesetzt. Erfolgreich. Im Ersten Weltkrieg konnte man die teilweise dann noch vorhandenen Stellungen wieder aufsuchen und in den Kratern und Trümmern weiter kämpfen. Heute geht so was meiner Meinung nach nur noch in größeren Städten, weil nur dort genug Deckung für die Raus- und Reinbewegung vorhanden ist.

Dein Konzept des vorübergehenden Ausweichens funktioniert also noch in Städten, wenn man diese als Festungen nutzen würde.

Zitat:Und kann man so einen formidablen Lastenfallschirm nicht auch recht einfach abschießen, zumal, wenn seine Ladung mehr aus Explosionsstoffen denn aus Fressalien besteht?

Selbstverständlich kann man ihn abschießen. Dann ist halt ein Lastenfallschirm weg, was nicht wirklich tragisch ist. Krieg ohne Verluste gibt es nicht und Krieg ohne erhebliche Verluste beim Material niemals. Umgekehrt verrät man damit seine Position und setzt sich einem Gegenschlag aus.

Zitat:doch da bliebe bei mir noch eine Anschlussfrage – wenn die Feuerkraft so groß ist, das sie befestigte Systeme – seien es jetzt Feldbefestigungen oder von langer Hand angelegte Festungen – mühelos zerstört, wie soll dann ein Bewegungskrieg zwischen technisch und zahlenmäßig halbwegs gleichwertigen Kräften funktionieren?

Die Antwort wird dich vielleicht überraschen: er funktioniert nicht. Weshalb es erst gar nicht zum Bewegungskrieg kommt, sondern die Armeen beider Seiten bleiben auf möglichst großem Abstand bleiben und zögern. Das heißt nun nicht, dass sich die Einheiten gar nicht bewegen würden, aber sie bewegen sich im eigenen Gebiet nur hin und her ohne Feindkontakt, mit möglichst großem Abstand zueinander und ohne auf den Feind zuzugehen. Das ist also kein Bewegungskrieg am Boden, sondern man wartet ab und schützt sich durch Distanz, Abstand und Stellungswechsel vor feindlichen Fernangriffen ohne selbst offensiv zu werden, weil das Risiko - sollte man einen Bewegungskrieg führen - viel zu groß ist.

Die Feuerkraft ist heute so groß, dass ein konventioneller großer Krieg zwischen zwei gleichstarken Mächten für beide Seiten bei dem Versuch einen Bewegungskrieg zu führen intolerable Verluste in kurzer Zeit brächte und das Risiko einer vernichtenden Niederlage.

Sollte es doch zu einem Krieg zwischen zwei starken, technisch, qualitativ und quantiativ gleichwertigen Staaten kommen, werden die Verluste horrend sein. Dann wird diejenige Gesellschaft sich eventuell durchsetzen, welche aufgrund ihrer Sozialkultur die Verluste aushalten kann. Während der Gegner dann aufgrund der Auswirkungen gelähmt wird und damit die Waage kippt.

Diesen Effekt hat man heute bereits sogar bei assymetrischen Kriegen, wo der Feind deutlich unterlegen ist, man aber wegen der Verluste durch die Feuerkraft der heutigen Waffen trotzdem vor dem Bodenangriff zurück schreckt.

Beispiel: Kosovo. Man hat dort alles getan, sich nicht der serbischen Armee am Boden stellen zu müssen, aus Furcht vor den Verlusten die daraus für einen selbst entstanden wären. Die serbischen Truppen konnten sich durch viele geschickte Maßnahmen den Luftangriffen relativ weitgehend entziehen. Aber weder die Serben noch die NATO Truppen wollten am Boden offensiv werden, weil die daraus entstehenden Verluste so extrem hoch gewesen wären. Und die Serben rührten sich gar nicht, weil jede Bewegung die Wahrscheinlchkeit einer Entdeckung erhöht hätte. Die Serben lagen also fest (insbesondere die versteckten Panzer) und rührten sich gar nicht. Die NATO Truppen rührten sich ebenfalls nicht, weil sie nicht angreifen wollten. Und das, obwohl sie den Serben weit überlegen waren.

Die zunehmende Entwicklung hin zum Quasikrieg unterhalb des militärischen Horizontes, hin zum assymetrischen Krieg als primärer Kriegsform ist ebenfalls dieser extremen Feuerkraft geschuldet.
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