(Zweiter Weltkrieg) Imperiale Japanische Armee
#4
phantom:

Das sind zum Teil auch Stereotype bzw Vorurteile und desweiteren muss man sehr klar zwischen der Kultur der Tokugawa-Zeit, der Meji-Zeit, der Showa-Zeit wie auch der des modernen Japan nach 1945 unterscheiden, und die Unterschiede sind wirklich erheblich. Die Armee der Meji-Zeit unterschied sich beispielsweise in vielen Punkten drastisch von der Armee der Showa-Zeit, ich werde dazu später noch kommen.

Gerade die Begründer der IJA zeichneten sich beispielsweise dadurch aus, dass sie aus überkommenen Vorstellungen gedanklich ausbrachen. Interessantererweise waren es ausgerechnet die rechtsextremistischsten Krieger, die aufgrund ihrer grenzenlosen Fremdenfeindlichkeit Japan dann kulturell in die moderne führten, auch wenn dass ursprünglich sicher nicht ihre Intention war.

Gerade die IJA war für große Teile der Modernisierung Japans verantwortlich. Ihre Gründer wollten aber ursprünglich gerade dieser Modernisierung entgegen treten und brachen für den dazu notwendigen Krieg gegen die Tokugawa gedanklich aus dem Korsett der japanischen Kultur dieser Zeit aus.

Die Person von Takasugi und die von ihm geschaffenen Kiheitai sind dafür das beste Beispiel. Takasugi verachtete Selbstmord und ging gegen diesen in den Reihen der von ihm kommandierten Truppen mit allen Mitteln vor (Ächtung des Toten, seiner Freunde und Familie, Bestrafung der Angehörigen der Einheit wie der Familie etc) Takasugi war zwar selbst ein sehr guter Schwertkämpfer, setzte aber für seine Truppen systematisch auf moderne westliche Gewehre und studierte holländische Schriften über die moderne Kriegsführung. Trotzdem kopierte er die westliche Kriegsführung nicht einfach, sondern schuf eigene Taktiken und Methoden. Ehre zählte ihm nichts, nur der Sieg zählte und das Töten von Ausländern und Ausländerfreunden.

Auch mit der Loyalität war es zu dieser Zeit nicht weit her. Jeder veriet jeden, und von Unterwürfigkeit keine Spur, im Gegenteil wurden fortlaufend Befehle missachtet, eigenmächtige Aktionen vom Zaun gebrochen und wenig Selbstaufgabe gezeigt. Primär agierten alle höchst selbstsüchtig und machtgierig, mit der Ausnahme von Takasugi und vielleicht auch noch Yamagata als seinem geistigen Erben, die aber ebenfalls nicht von selbstlosen Motiven, sondern von ihrer grenzenlosen Xenophobie getrieben wurden.

Bei aller militärischen Genialität war daher der frühe Tod von Takasugi für Japan insgesamt ein Segen, weil seine radikale Haltung Japan zu früh in den offenen Krieg mit den Westmächten getrieben hätte. Vielleicht verstand er aber auf dem Sterbebett diese Konsequenzen seiner Einstellung auch noch, immerhin ernannte er ja ausgerechnet Omura zu seinem Nachfolger. Der von all seinen Gefolgsleuten am wenigsten Ausländerfeindlich war, und für vergleichsweise gemäßigte Positionen eintrat.

Zitat:Alles Attribute die ich eher mit einer Einheit aus einer Heerschar Wespen oder Bienen gleichstellen würde und nicht mit einem selbständig denkenden Individuum.

Gerade Takasugi war beispielsweise das genaue Gegenteil: er war höchst selbstständig denkend. Er kopierte auch nicht einfach die westlichen Methoden sondern entwickelte komplett neue eigene (primär weil sein Ausländerhass ihm das bloße Kopieren westlicher Methoden unmöglich machte). Takasugi schnitt sich als einer der allerersten Samurai seinen Haarknoten ab, ermordete unter dem persönlichen Schutz seines Lehensherrn stehende Ausländer (wofür er eigentlich Seppuku hätte begehen müssen), steckte trotz ausdrücklichem Befehl auf dem Lehen seiner Familie zu bleiben und Ruhe zu geben ein britisches Konsulat an und wollte eine neue Kriegerkaste schaffen, welche die Samurai ersetzen sollte.

Im Kampf setzte er primär auf moderne westliche Gewehre, den Kampf auf maximale Distanz, Partisanen-Taktiken, hochmobile leichte Infanterie die überwiegend aus Bauern rekrutiert wurde und in der Bauern und Samurai gleichgestellt waren. Er setzte in der Armee der Aufständischen eine noch nie dagewesene Disziplin mit extremster Gewalt durch. Die heutige "Unterwürfigkeit" der Japaner ist nicht zuletzt ein Erbe dieser Disziplin, die damals aber nur eine zwingend notwendige Maßnahme war, um Samurai und Bauern mit Gewalt in einer Einheit zusammen zu nageln.

Es ist eben eine besondere Ironie der Geschichte, dass das moderne Japan im Ursprung von Leuten begründet wurden, die sich nur aus extremsten Ausländerhass dazu durchrangen, die bestehende Kultur zu zerschlagen, weil sie erkannten, dass andernfalls Japan den Ausländern zum Opfer fallen würde. Dieser Ursprung prägte dann im weiteren die gesamte weitere Geschichte der Imperialen Japanischen Armee. Man könnte sogar das Ende des japanischen Kaiserreichs 1945 im Endeffekt auf diesen Ursprung zurück führen.
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