10.05.2022, 12:42
Zitat:Warum gab es eigentlich nie eine groß angelegte Offensive auf den Norden in Kombination von USA+Südvietnam?Wie schon umrissen wurde: Die südvietnamesische Armee war quasi auf den falschen Krieg vorbereitet worden. D. h. sie wurde nach US-Doktrin ausgestattet und ausgebildet, und hier ging man von einem Konflikt nach europäischem Schema aus - Panzereinsatz, Artillerie, CAS und Feuerkraft. Man traf dann aber auf einen asymmetrisch vorgehenden Gegner, der in den eigenen Städten und Feldfluren aktiv und kaum zu erkennen war. Das hat dann zu einer ziemlichen Erschütterung der Moral beigetragen (ebenso wie bei den US-Truppen).
Mit 1,5 Millionen Südvietnamesen + 500k Amerikanern hätte man das doch eigentlich wuppen können?
Im Kern waren die Südvietnamesen allerdings nicht feige oder unfähig, es war eher ein desillusioniertes und auch politisch "inspiriertes" Verzagen an den Umständen. Als später bzw. nach 1972/73 die Nordvietnamesen aber zu einer eher konventionellen Kriegführung übergingen, haben sich die Südvietnamesen in einigen Gefechten durchaus gut geschlagen, während sie zuvor gegen die Vietcong meistens passiv blieben oder sich hinter der Anforderung von Luftschlägen "versteckten".
Bei den Amerikanern war es zuletzt ähnlich, d. h. als man den Peak der Truppenstärke erreichte. In den letzten Kriegsjahren wollte auch niemand mehr sein Leben für Vietnam einsetzen und man zog sich mehr und mehr aus den Kämpfen heraus ("Vietnamisierung"). Hinzu kommt, dass von der halben Million US-Soldaten nur weniger als vermutl. 20% wirklich Kampftruppen waren, der Rest bestand aus Support, Logistik, Beobachtern oder Schiffscrews vor der Küste oder den Lieferanten für die PX-Kaufhäuser. Und spätestens nach 1968 war der Krieg in den Staaten so unpopulär, dass jedwede Großoffensive politisch nicht durchsetzbar gewesen wäre.
Rein militärisch sind die USA nicht besiegt worden, das wäre technisch gar nicht möglich, es war eher so, dass sie einfach psychologisch zermürbt wurden und waren und innenpolitisch von massivsten Protesten erschüttert wurden. Der Krieg war politisch nicht mehr verkaufbar. Auch wirtschaftlich standen die USA vor einem Scherbenhaufen, denn der Krieg hatte enorme Summen verschlungen, woraus auch der Nixon-Schock von 1971 resultierte, als die USA ankündigten, die Verpflichtung aufzugeben, Dollar in Gold zu tauschen (es war faktisch das Ende des Währungssystems der Nachkriegszeit). Hinzu kamen noch viele andere Themen (Drogen, Bürgerrechtsthemen), die die USA innenpolitisch massiv beeinträchtigten.
Schneemann